Drachen in der Literatur

Margaretha diePatronin des Nährstandes

Margaretha ist Patronin des Nährstandes, weil ihr Fest ein wichtiger Merktag für die Bauern war, der Jungfrauen, vor allem auch der Gebärenden, und für die glückliche Entbindung, gegen Unfruchtbarkeit. Sie wurde in die Nothelfergruppe aufgenommen, weil sie unmittelbar vor ihrem Märtyrertod Gott gebeten hatte, allen Müttern, die sich in ihrer schweren Stunde an sie um Fürbitte wendeten, zu helfen. Reliquien der Heiligen befinden sich in Montefiascone bei Bolsena nördlich von Rom. Hier ist ihr der Dom geweiht.

Die Legende erzählt, dass sie die Tochter eines heidnischen Priesters in Antiochia war. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter übernahm eine Amme die Obhut über das Mädchen und erzog es heimlich im Christenglauben. Als Margaretha zur Jungfrau herangewachsen war, bekannte sie ihrem Vater, dass sie Christin sei. Dieser überschüttete sie mit Vorwürfen, vermochte aber weder mit Bitten noch mit Drohungen ihren Sinn zu ändern. Da schickte er sie zur Strafe in die Verbannung. Hier hütete Margaretha die Schafe. Da geschah es, dass Präfekt Olybrius vorbeiritt. Als er die schöne Jungfrau erblickte, entbrannte seine Liebe zu ihr. Olybrius drängte sie, sie sollte ihren Christenglauben abschwören. Als Olybrius sich mit seiner Werbung abgewiesen sah, wurde er wütend und befahl, sie ins Gefängnis zu werfen. Sie weigerte sich, den Götzen zu opfern. Da ließ er sie aufs grausamste foltern. Sie wurde mit Ruten geschlagen und man riss ihr mit eisernen Kämmen das Fleisch vom Leib. Aber Margaretha erlitt alle Qualen des Leidens ohne Wanken. Wieder in den Kerker geworfen, erschien vor ihr ein greulicher Drache und wollte sich auf sie stürzen, um sie zu verschlingen. Sie schlug mit letzter Kraft das Kreuzzeichen über das Untier. Dann packte sie es mutig, warf es zur Erde nieder und setzte den Fuß auf seinen Scheitel. Der Teufel in Gestalt des Drachens schrie laut und verschwand. Als Margaretha am nächsten Tag dem Präfekten wieder vorgeführt wurde, sah dieser sie zu seiner größten Verwunderung heil an Leib und Seele vor sich stehen, schöner und blühender als zuvor. Da sie sich wieder weigerte, den Götzen zu opfern, befahl er in seinem großen Hass, glückende Fackeln herbeizubringen und sie damit zu brennen, hernach aber zur späteren Pein in ein Fass mit kaltem Wasser zu werfen. Alle, die dabei standen staunten, dass so eine zarte Jungfrau so große Qualen aushielt. Aber plötzlich erbebte die Erde und die Jungfrau stieg unversehrt aus dem Fass. Als das Volk dieses Wunder sah, lobten viele den Christengott und bekehrten sich. Diese alle wurden in Christi Namen enthauptet. Da der Richter fürchtete, es würden sich noch mehr zu Christus bekennen, ließ er Margaretha auf den Richtplatz führen, damit sie durch das Schwert getötet werde. Sie kniete nieder und betete für die Verfolger. Dann bot sie ihrem Henker mutig ihren Nacken dar. Er schlug ihr mit einem Streich das Haupt ab und sie empfing die Märtyrerkrone.

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Dragon Tears

Dragon Tears;

I look at the world and see all that we have lost, and my heart cries out.
I see how shallow human beings have become, and my soul cries for
understanding.
What have we gained, what have we learned as we increase with 
power? We have a scarred, polluted earth, hellholes of concrete, water not fit to drink and air not fit to breath.
Our science, our techonology has come at a horrible price.
I think of the noble dragons, those who have fled this wolrd in fear of extiction. They were right to flee from earth.
I wish I could have gone with them.
Man has forgotten a different time, a time when magic beings walked the earth, and the forests were pristine.
Then the Dragons soared in the skies, the unicorns roamed the forests and fairies played in the flowers.
But the foolish humans fear what they do not understand.
We can never understand creatures of magic.
We hunted the dragon and the unicorn, drove them into hiding.
The magical creatures left our world for the magic places made just for them. Some lucky people have found their way into these amgic worlds, and they understood the gift they were given.
I have read the old fairytales and legends, seeking to know these creatures.
When the warriors destroyed the dragon, they knew our world was not safe for them.
When we lost these magic beings we lost a part of ourselves.
The world will never be the same again.
We know only that Dragons and unicorns exist in fairytales, but we do not know they once walked among us. Tears fall from my eyes when I weep for the friends I have never met.
I weep for the lost Dragons.
I weep for all that we have lost because of our foolishness.
If only the knights understood what they really were.
Some dragons are good, not the ferocious beasts of legend.
Dragons haunt my dreams.
I know they are still out there somewhere, in a world far away.
The loss of earth’s magic will destroy us.
Now we our left with nothing but techonlogy and a wasted earth.
Soon humanities own arrogance, our own greed will destroy us.
I ponder these things with a heavy heart.
I know the briefness of my own life, it will be extinguished like a candle snuffed out.
This old world will slowly crumble to beath.
I pray for God to save us, save some remnant of the human soul.
Soon there will be a new heaven and a new earth, and the Dragons will live in peace, and this earth will not be destroyed.

by Lady Seraphina

Dieses Gedicht wurde augestellt mit freundlicheGenehmigung von
http://www.dragonsight.net

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My dream

„My Dream“

i had a dream last night
i dream of a dragon
a dragon red like fire
a dragon pure and tender
in the dream the dragon flew
it’s tail whipping in the wind
it’s scales shimmering like the moon off the water
her beauty beyond compare
i had a dream where good existed
and the dragon was it’s keeper
she fought for passion with a vengence like fire

i had a dream last night
i dream of glory
the glory for one dragon
the only dragon left in existence
but not the only born form hope
in the dream the dragon flew
she caste happiness and purity
and cried for hatred and death
and she sang for innocence and love
i had a dream where beauty flourished
and man and beast could co-exist
where my happiness was for this dragon
and her beauty was cast on me

Copyright Kim Ward (11-15-98), All rights reserved

Dieses Gedicht wurde augestellt mit freundlicheGenehmigung von
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Der Gnom und die Eidechse

Adolf Böttger
1815 – 1870
Der Gnom und die Eidechse
Im Gestrüpp, wo dichtgeschart
Eriken und Farrenkräuter,
liegt der Gnom und streicht den Bart,
als ein Fürst der Bärenhäuter;
mausefallen ist sein Rock,
Weidenbast die Pluderhose,
ein Wachholderreis sein Stock,
und sein Dolch ein Dorn der Rose.

Horch, da rauscht es in dem Gras,
und es schwanken Halm und Farren,
leise schlüpft’s und gleißt wie Glas,
daß des Gnomen Glieder starren;
unter ziegelrotem Dach
eines mächtgen Fliegenschwammes
äugelt grün und zornig ach!
Eidechslein, das Kind des Schlammes.

Kaum nun springt der Gnom hervor,
schlängelt sich das Tier im Ringe,
schäumt und züngelt, daß empor
furchtsam fliehen die Schmetterlinge.
Hurtig zückt der Gnom den Speer
heißen Ingrimms auf den Drachen,
zischend spring das Blut empor
aus dem Salamanderrachen.

Jener trennnt den Kopf vom Rumpfe,
steckt ihn auf die Brombeerlanze
und im seligsten Triumphe
flicht er Eichlaub sich zum Kranze,
siegreich zieht er dann einher,
zeigt sich Vettern, Basen, Ohmen,
widerhallt im Land die Mär
stolz vom Ritter Görg der Gnomen.

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Hüter der Legenden (Karin Roth)

Als Kinder des Himmels
habe ich euch einst beschrieben
zurück ist nur
die Erinnerung geblieben

Wo ist der Hauch
eurer einstigen Eleganz
wo ist das Spiel
der Schuppenlichterglanz

Wo ist das Spiel
der Schwingen in der Luft
sind den alle Legenden
in der Vergangenheit verpufft

Wo ist der Frohsinn
das holprige Drachenlachen
war denn niemand da
um euren Seelen zu bewachen

Wo sind die Hüter
die eure Geschichten erzählen
habt ihr noch die Kraft
zwischen den Dimensionen zu wählen

Ihr wurdet wie Geister
taumelnd zwischen Raum und Zeit
wartet bis wieder
die Welt ist für euch bereit

So fange ich nun an
 zu träumen vom freien Flug der Drachen
auf das ein Mensch noch
wird eure Legendenwelt bewachen

Ich werde schützen
und hüten eure Sagen
damit die Winde
euer Geheimnis weit in die Welt tragen

So sehe ich mich
als Hüter eurer Legenden
werde mein bestes tun
um eure Botschaft auszusenden

© Aquamarin 3.09.2003

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Das Babysitter (Der Doktor)

Das Babysitter

Es
ist allgemein bekannt, dass transdimensionale Reisen ganz alltägliche Phänomene
sind.

Doch… woher ist es bekannt?
Wesen im gesamten Universum reisen nahezu täglich durch Zeit und Raum –
die meisten von ihnen sind natürlich nicht besonders glücklich darüber,
weil sie dann immer mit irgendwelchen Weltenrettungsaktionen beauftragt werden,
die zwar eh gut ausgehen, aber dennoch eine Menge unnötigen Stress bereiten
und größtenteils auch noch schlecht geschrieben sind.
Und das beantwortet auch gleich unsere Frage, woher denn das Wissen um transdimensionale
Reisen als alltägliches Phänomen stammt – wenn so viele Leute
Bücher und Romane über etwas wie transdimensionale Reisen schreiben,
dann muss doch an der Sache etwas dran sein, nicht wahr?

Fakt ist, dass nur ein Bruchteil der Autoren wirklich an das Phänomen der
alltäglichen transdimensionalen Reise glaubt.
Fakt ist, transdimensionale Reisen sind ein alltägliches Phänomen.
Man könnte nun fragen, was zuerst dagewesen sei – die transdimensionalen
Reisen oder die Geschichten über sie, aber das wäre dann doch zu sehr
an den Vorgänger dieser Geschichte angelehnt und sowieso eigentlich nur
vollkommen langweilig.

Die
Person, von der jetzt hier die Rede sein soll, kümmerte sich natürlich
ebenfalls nicht um solche Fragen.
Dennoch war sie sich nicht dessen bewusst, dass sie sich gerade auf einer transdimensionalen
Reise befand, denn diese beginnen meistens in einem Wald, in einem See oder
an irgendeiner anderen aus der Heimatwelt des Reisenden bekannten landschaftlichen
Gegend.
Als der anfangs erwähnte Herr durch den für ihn ganz normal erscheinenden
Wald wanderte, traf er sogar auf ihm bekannte Tiere, also Viehzeugs wie Rehkitze,
Hoppelhäschen und eine Horde ausgehungerter, blutrünstiger Wölfe.
Jene war auch der Grund, warum unser Reisender sein Gehtempo etwas beschleunigte
– ob nun Heimatwelt oder nicht, niemand landet gerne in den Mägen
von sieben ausgehungerten Wölfen.

Diese Geschichte soll natürlich nicht zu einem vorzeitigen Ende kommen,
von daher wurde unser Dimensionsreisender auch auf wundersame Weise im letzten
Moment gerettet. Der letzte Moment markierte die Stelle, an der der Fliehende
mitten auf einer Lichtung stolperte, sich flach auf den Boden legte und sich
in panischer Angst umdrehte, um seinem unausweichlichen Schicksal in die Augen,
beziehungsweise in die Mäuler zu schauen.
Ihm eröffnete sich das Bild des Wolfsrudels, wie es genau am Rande der
Lichtung zum Stehen kam, wütend über die anscheinend verloren gegangene
Mahlzeit enttäuschtes Geheul anstimmte und nicht minder enttäuscht
umdrehte, um abzuziehen.
Unser Protagonist konnte sein Glück natürlich nicht fassen und drehte
sich dann um, um sich über die Ursache dieser so überraschenden Wendung
seines kleinen Abenteuers zu erkundigen.

Hinter ihm auf der Lichtung stand eine Person, die in ihm erstmals Zweifel darüber
aufkommen ließen, sich noch auf der richtigen Welt zu befinden. Andererseits
gibt es selbst auf den am höchsten entwickelten Welten immer noch Leute,
die sich in lange, schwere, bunte Roben kleiden und als halbverrückte Einsiedler
mit langen Bärten in von hungrigen Wölfen verseuchten Wäldern
abseits der Zivilisation leben, um allen Vorbeikommenden doppeldeutige Sprüche
unterzujubeln, die eigentlich nur gut klingen, die Betroffenen jedoch meist
stundenlang über das eben Gesagte nachgrübeln lassen. Meistens finden
sie dann sogar einen Sinn in diesen Sprüchen, worauf die Einsiedler dann
immer sehr stolz sind.
Solch ein Exemplar der Rasse, die wir normalerweise als „Mensch“
bezeichnen, stand jedenfalls hinter unserem Reisenden und schaute ihn weise,
beziehungsweise halbverrückt an, das ist ja auch eine Sache des Standpunktes.

Unser Reisender kann natürlich auch sprechen, und da jetzt ein guter Zeitpunkt
war, um den ersten Dialog dieser Geschichte zu beginnen, sagte er:
„Wie haben sie… warum… ähm… danke!“
Auch der Einsiedler konnte anscheinend sprechen, und er erwiderte in derselben
Sprache und in sanftem, zumindest weise klingenden Tonfall schlicht:
„Folge mir!“
Der Reisende sah sich in seinen Handlungsmöglichkeiten daraufhin sehr beschränkt
und beschloss weiserweise, sich aufzurappeln und dem Einsiedler zu folgen.

„Wie haben sie das gemacht? Das mit den Wölfen…“, fragte
er.
„Das tut nichts zur Sache. Viel wichtiger ist doch die Frage: Warum bist
du hier? Und vor allem: Wo bist du?“
„Nun, die erste Frage ist einfach zu beantworten. Ich wollte eigentlich
nur kurz in den Wald gehen, um mal zu pinkeln. Wo ich jetzt bin, kann ich mir
ehrlich gesagt nicht vorstellen, aber ich wäre ihnen ganz dankbar, wenn
sie mich zur Straße zurückführen würden, damit ich mein
Auto suchen gehen kann.“
Der Einsiedler sah ihn mit einer Mischung aus milder Belustigung und einer Prise
Traurigkeit an.

„Ich fürchte, wir werden dein… ähm… Au-to hier in der Gegend
nicht finden. Ich fürchte außerdem, dass du dich gar nicht mehr auf
der Welt befindet, die du als deine Heimatwelt bezeichnet.“
„Einen Moment, was wollen sie damit sagen? Meinen sie etwa, dass mein
Auto hier gar nicht mehr in der Nähe ist?“
Der Alte nickte.
„Und sie wollen mir allen ernstes verklickern, dass ich mich auf einer
fremden Welt in einer fremden Dimension oder so befinde?“

Der Alte nickte.
„Und sie denken wirklich, dass ich ihnen diesen Schwachsinn abkaufe?“
Der Alte nickte.
Unser Reisender schüttelte ungläubig den Kopf und schaute sich den
Einsiedler noch mal von oben bis unten an. Dann kam er zu einem Entschluss und
sagte:
„Oh, kacke Mann!“

Dies
ist ein wunderbarer Zeitpunkt, um all die faszinierenden Phänomene einer
transdimensionalen Reise einmal kurz zusammenzufassen.
Zunächst ist es erstaunlich, dass die Welt, in die ein transdimensional
Reisender versetzt wird, immer dieselben Klimabedingungen vorweist wie die Heimatwelt
des Betroffenen. Bisher ist jedenfalls noch niemand bei solch einer Reise durch
beispielsweise akuten Mangel an Sauerstoff in der Atmosphäre umgekommen.
Ebenfalls auffällig ist das Existieren gewisser, anscheinend universell
gültiger Tier- und Pflanzenarten. So wird man in jedem Wald jeder Parallelwelt
Kiefern und Tannen sowie die bereits erwähnten Rehe, Hasen und natürlich
die ausgehungerten Wölfe antreffen… wenn man Pech hat.
Viel interessanter und vor allem viel erstaunlicher als diese beiden Tatsachen
ist jedoch die ebenfalls universelle Existenz einer Lebensform, die wir als
„Mensch“ bezeichnen. Die meisten Parallelwelten haben außerdem
noch dem Menschen sehr ähnliche Lebensformen vorzuweisen, die dann meistens
„Zwerge“ oder „Elfen“ genannt werden.

Am erstaunlichsten mag einem jedoch die Tatsache erscheinen, dass die sprachbegabten
Wesen dort, wohin man durch eine transdimensionale Reise hinversetzt wird, immer
die eigene Sprache sprechen!
Wissenschaftler einer hochentwickelten Welt versuchten einst, dieses Phänomen
zu erklären, scheiterten jedoch daran, einen Namen dafür zu finden
und gingen, für immer zerstritten, auseinander.
Ein Dimensionsreisender gelangte einmal aufgrund all dieser Tatsachen zu folgendem
Ergebnis:
Wenn die Umgebung, die Wesen, die Sprache und sonst auch alles andere dem Reisenden
bereits vertraut ist, so kann es sich nur um Einbildung handeln, um einen schlechten
Traum, um eine eingebildete Realität, die jedoch niemals stattgefunden
hat.

Das erklärte zwar nicht, was mit den Leuten geschah, die von ihren Reisen
nicht zurückkehrten (worüber es auch wieder Theorien wie „Der
Körper kann ohne den Schweiß nicht leben… nein, es war nicht der
Schweiß, Moment…“), in der Heimatwelt dieses Menschen wurde diese
Theorie dennoch zu einem gigantischen Erfolg, als der Reisende zusammen mit
seinem Bruder eine Dokumentation über diese Reise in die fremde Welt drehte,
die von den meisten Leuten, die sie sahen, jedoch für einen Unterhaltungsfilm
missverstanden wurde.

Nun,
dieser Reisende hat nichts mit unser momentanen Hauptfigur zu tun, zu der wir
nun nach diesem kleinen Exkurs wieder zurückkommen möchten.

Er war nun schon eine ganze Weile neben dem Einsiedler nebenher gelaufen und
stellte, halb ihm, halb sich selbst, folgende Fragen:
„Wie bin ich hier hergekommen?“
„Die Antwort wirst du bei Ihm erfahren.“
„Wie komme ich wieder zurück?“
„Die Antwort wirst du bei Ihm erfahren.“
„Warum gerade ich?“

„Die Antwort wirst du bei Ihm erfahren.“
„Wer ist dieser Ihm eigentlich?“
„Die Antwort wirst du bei Ihm erfahren.“
„Fischers Fritz fischt frische Fische!“
„Die Antwort wirst… bitte, was?“
„Wollte nur mal sehn, ob sie mir auch zuhören…“

Mit diesen Antworten musste sich unsere Hauptfigur zunächst mal zufrieden
stellen und nun der Dinge harren, die da noch kommen mochten. Es dauerte zum
Glück nicht lange, bis der Alte mit ihm vor einem großen Loch in
einer mitten im Wald liegenden Felswand ankam, welches so dunkel und finster
war, wie es eben nur große Höhleneingänge mitten im Wald sein
können. Von dem Eingang weg führte eine Art breiter Trampelpfad, der
darauf schließen ließ, dass öfter in diese Höhle hinein
und aus ihr hinaus gegangen wurde.
„Dort drinnen wird Er auf dich warten und dir deine Bestimmung in dieser
Welt mitteilen.“, sprach der Alte mit theatralisch ausgestrecktem Arm.

„Sie meinen, dort drinnen wird mir erzählt werden, dass ich so ein
seit langer Zeit erwarteter Mann-zwischen-den-Welten bin, der jetzt seine Bestimmung
ergreifen und gegen das Übel kämpfen soll, dass diese Welt befallen
hat und sie vermutlich vernichten wird, sollte ich nicht einschreiten? So was
in der Richtung?“
Der Alte sah ihn milde lächelnd an und sprach dann:
„Nun, vielleicht wird es nicht ganz so schlimm…“
Der Reisende drehte sich zu dem Höhleneingang um, atmete einmal tief ein
und aus und setzte sich dann mangels sinnvoller alternativer Möglichkeiten
in Bewegung, um diesen Er mal aufzusuchen.

Die dunkle Höhle zeichnete sich durch kühle Feuchtigkeit aus, die
normalerweise dunkle Höhlen auszeichnet, die sehr kühl und feucht
sind. Dennoch war sie nicht vollkommen finster – der Reisende konnte einen
Lichtschimmer am Ende des Ganges, in dem er sich gerade befand, ausmachen. Wie
er bald herausfinden sollte, stellte dieser Lichtschimmer den Fackelschein dar,
der eine Höhle von riesigen Ausmaßen gleichmäßig erhellte.
Und in dieser Höhle lag Er – ein Anblick, der unseren Reisenden verblüfft
stehen ließ, da es sich hierbei um etwas handelte, was längst nicht
auf allen Welten des interdimensionalen Reiseverkehrs vorzufinden ist. Er öffnete
die Augen und starrte den Reisenden mit einem Blick an, der wahrscheinlich Stahl
hätte zum Schmelzen bringen können – zum Glück war keiner
in der Nähe. Unser Protagonist machte sich lediglich in die Hosen.

Dann fing Er an zu sprechen. Es war laut. Sehr laut. Doch irgendwas, was das
folgende Klingeln in seinen Ohren nur schwach übertönte, sagte dem
Reisenden, dass Er es auch wesentlich lauter hätte sagen können.
Er sagte:
„Komm näher!“
Solch einer Stimme verweigert man keinen Gehorsam. Das begriffen die Beine unseres
Reisenden schneller als sein Kopf und setzten sich in Bewegung, um in geringerem,
aber dennoch nicht respektlosen Abstand vor Ihm stehen zu bleiben.

Dann fing Er erneut an zu sprechen:
„Lass mich raten: Du bist ein Reisender aus einer fremden Dimension von
einer anderen Welt. Du bist in dieser Welt gelandet und wurdest von einem Rudel
hungriger Wölfe durch den Wald verfolgt. Dann wurdest du von einem alten
Einsiedler gefunden, der dich zu mir geführt hat.“
Es sah so aus, als müsste unser Reisende trotz schmerzhaft pulsierender
Trommelfelle nun irgendwas sagen. Folgender Satz erschien ihm recht angemessen:
„Woher… könnt ihr all das wissen?“
Der Kopf von Ihm setzte sich in Bewegung, um kurz vor unserem Reisenden zum
Stillstand zu kommen, worauf dieser sehr erstaunt gewesen wäre, wie viel
Stoff sich noch in seiner Blase befand, wäre er nicht viel zu sehr damit
beschäftigt gewesen, seine Körperfunktionen am Laufen zu halten, damit
er nicht einfach vor Angst wegstarb.

Und Er sprach ein weiteres mal:
„Dieser Einsiedler hat sich zu mir geführt. Warum? Weil ich ihn dafür
bezahle!“

Kalessan
mochte transdimensional Reisende.
Sie schmeckten wie die Menschen seiner eigenen Welt und ihr Tod zog keinerlei
nervende Konsequenzen wie räuberische Racheritter mit sich. Außerdem
wurden dadurch die Dörfer seiner Umgebung ein wenig entlastet.
Nachdem er fertig war, erinnerte er sich daran, dass er den Alten wohl demnächst
für seine Dienste einmal mehr bezahlen musste. Vielleicht sollte er die
Wölfe für ihre gute Arbeit auch mal wieder belohnen…

Er beschloss, diese Angelegenheiten auf später zu verschieben und legte
sich wieder hin. Kurz bevor er einschlief, lobte er sich selbst einmal mehr
für die sehr gute Investition in das Dimensionsportal direkt im benachbarten
Wald.

Dies
ist im übrigen keine Geschichte über das transdimensionale Reisen.
Oh nein, es ist viel schlimmer!

Es
ist eine Eigenart der Menschen, selbst die positivste und friedlichste revolutionäre
wissenschaftliche oder soziologische These, Theorie, Erkenntnis oder Abhandlung
zu kriegerischen Zwecken zu missbrauchen. Seit jemandem mal ein Apfel auf den
Kopf fiel und der Betroffene sich dachte „Ui! Schwerkraft!“, fingen
Menschen sofort damit an, Menschen von Burgmauern aus Steine auf die Rübe
zu werfen (wobei erwähnt werden sollte, dass die Menschen, die sich der
jeweiligen Burgmauer näherten meistens ebenso wenig friedliche Absichten
im bald etwas flacher aussehenden Kopf hatten… mit einigen tragischen Ausnahmen
natürlich) – oder, noch schlimmer, goldene Münzen von hohen
Türmen, nur um zu sehen, was passiert…

Karlmax‘ revolutionäre These war von diesem Schicksal bisher verschont
geblieben – wobei sie den Frieden zwischen den Menschen ja nicht gerade
predigte… Vielleicht hing es damit zusammen, dass die Menschen es langweilig
fanden, sich an die Regeln einer bereits kriegerischen These zu halten –
wo blieb denn da der Spaß? So kam es, dass Karlmax durch seine Theorie
weltberühmt wurde und viele Tourneen veranstaltete, um Vorträge über
seine revolutionären, die Gesellschaft der Menschen verbessernden Gedanken
zu halten. Die Menschen hörten dabei immer interessiert zu, waren begeistert
und honorierten jeden von Karlmax‘ Auftritten mit donnerndem Applaus –
nur hatte anscheinend niemand so richtig Lust dazu, der erste zu sein, der diese
revolutionären Ideen auch umsetzte.

Um jene Ideen soll es in dieser Geschichte jedenfalls ebenfalls nicht gehen.

Karlmax
befand sich jedoch gerade kurz vor einer Tournee in entfernte Länder, um
viele, schon jetzt vollkommen ausverkaufte Vorträge zu halten. Dabei hatte
er jedoch zwei Probleme:
Seine Frau und seinen Sohn.
Rita, die Stählerne, wie sie sich selbst nannte, war die perfekte Ergänzung
zu Karlmax‘ Charakter: Impulsiv, aggressiv, stark, direkt und dickköpfig
dominierte sie ihren Mann vollständig, was diesem aber nicht viel ausmachte,
da er sich selbst nicht gerade zur Führungspersönlichkeit geboren
sah und beruhigt war, wenn es eine Instanz über ihm gab, die die ganze
Verantwortung trug und nicht ihn damit belastete.

Dies war jedoch noch nicht das Problem. Karlmax bestand nämlich darauf,
seine Frau Rita auf der Tournee bei sich zu haben – und das nur teilweise
aus Liebe zu seiner Gefährtin. Als persönliche Beschützerin machte
sie sich dank ihrer selbst gegenüber vielen Männern überlegenen
Muskelkraft nämlich gar nicht schlecht.
Nur leider bestand sie darauf, dass ihr gemeinsamer Sohn Ninnel nicht auf die
Reise mitkommen dürfe, wodurch sich das eigentliche und damit größte
Problem ergab:

Wohin mit dem Jungen?
Der achtjährige Ninnel war schon mehrfach durch sein… nun, rebellisches
Verhalten aufgefallen und gegenüber zahlreichen Verwandten durfte man seinen
Namen noch nicht mal erwähnen, wollte man nicht riskieren, sofort aus dem
Haus geworfen zu werden… womöglich noch aus einem Fenster im vierten
Stock…
„Was ist mit den Dusseleys?“, fragte Karlmax.
„Ich fürchte, die sind nach unserem Besuch letzten Sommer nicht mehr
so gut auf unseren Kleinen zu sprechen, Schatz. Außerdem ist der Angriff
durch diesen Assassinen kurz nach unserem Aufenthalt dort erfolgt, weißt
du noch?“

„Hast Recht, mein Haselschnäuzchen…“
„NENN mich nicht Haselschnäuzchen!“, giftete seine Frau ihn
an.
„Ähm… ja, Rita…“, Karlmax senkte demütig den Blick,
als ihm ein Einfall kam:
„Was ist mit Sally? Du kennst sie ja… ähm… ein bisschen… sie
könnte mit Ninnels… Eigenarten sicherlich fertig werden.“

Ritas Stimme schnitt so scharf durch die Luft, dass sich Karlmax damit seinen
Bart hätte abrasieren können:
„Ich lasse nicht zu, dass MEIN SOHN bei einer so unflätlichen Frau
einquartiert wird! Sie mag noch so nett sein, aber ihr Berufsstand übt
bloß einen schändlichen Einfluss auf unseren süßen Kleinen
aus!“
„Aber ich habe dich doch bei ihr kennen gelernt, Liebste!“

„Das ändert nichts daran, dass es ein für unseren Jungen schändliches
und unmoralisches Etablissement ist! Weitere Vorschläge?“
Karlmax wusste, dass die Diskussion um das Thema Sally beendet war und kramte
in seinem Gedächtnis weiter nach Möglichkeiten zur Unterbringung seines
Sohnes… jedoch gingen ihm so langsam die Ideen aus. Einen Namen hatte er noch:
„Was ist mit Tante Peggy? Hat sie unseren Kleinen schon mal kennen gelernt?
Bei ihr wäre es doch außerdem gar nicht so schlimm, wenn wir es uns
mit ihr verderben würden…“

„Peggy? Nein, die kommt nicht in Frage. Sie ist doch tagtäglich so
sehr mit dem Schmachten über diesen Schauspieler… wie hieß er noch
mal? Genau, dieser Schauspieler Droca…“ – *pling* – „Sie ist doch
so sehr mit ihm beschäftigt und deswegen immer so neben sich, dass unser
Kleiner bei ihr wahrscheinlich verwahrlosen und verhungern würde… Sag
mal, ist was mit dir?“
Karlmax starrte ins Leere. In seinem Kopf machte es immer *pling*, wenn sich
eine neue, bahnbrechende Idee anbahnte.
„Welchen Namen hast du gerade noch mal genannt?“

„Droca, der Schauspieler… Kennst du ihn nicht?“
Karlmax wusste zwar nicht, wo Droca lebte und wie er ihn erreichen konnte. Doch
dafür kannte er jemand anders… *pling*
„Hast du dieses Geräusch gerade auch gehört?“, fragte
Rita.
Eigentlich war der Gedanke vollkommen wahnsinnig. Er war sogar so wahnsinnig,
dass sich Karlmax fragen musste, ob er selbst nicht bereits wahnsinnig war,
wenn er auf solch wahnsinnige Gedanken kam. Konnte er seinen Sohn wirklich diesem
alten Freund anvertrauen? Wobei sich die Frage stellte, ob er noch sein Freund
war… beziehungsweise, ob er wirklich jemals wirklich sein Freund gewesen war…
Nun, eigentlich hatte er sich gegenüber Karlmax bei seinem Besuch immer
ganz nett benommen… aber würde das auch für seinen Sohn gelten?

Die Schwärze von Karlmax‘ Gedankenwelt wurde jäh von einem lautstarken
Rufen unterbrochen:
„Paaaapaaaaa, bin wieder Zuhaaaaauuuseeeee!“
Das Rufen ertönte direkt neben Karlmax Ohr, worauf dieser nicht vorbereitet
war, erschrocken umkippte und mit dem Hinterkopf schmerzhaft auf dem Boden aufschlug.
Sekunden später traf eine gigantische Faust auf seinen Unterleib und nagelte
ihn fest.
Als Karlmax wieder Luft bekam und er statt vollkommenster Schwärze wieder
zumindest verschwommene Bilder sehen konnte, eröffnete sich ihm das Bild
seines Sohnes Ninnel, wie dieser auf seinem Unterleib saß.

Während Karlmax nur schmerzhaft und leise aufstöhnen konnte, lächelte
Rita die beiden liebevoll an und sagte:
„Na, ich lasse euch beiden dann mal alleine und bereite das Abendbrot
vor – so lange dürft ihr dann noch miteinander spielen. Und Karli
– überlege dir dann bitte noch schleunigst eine Lösung für
unser kleines Problem, ja?“
Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging aus dem Raum hinaus in Richtung
Küche.

„Oh toll, Papa, wir spielen! Du bist das Pferd und ich bin der Reiter,
ja?“, rief der Junge überschwänglich in unerträglicher
Lautstärke.
Karlmax sah auf die Schuhe seines Sohnes – er hatte wieder die Stiefel
mit den echten Sporen angezogen…
„Ja, Ninnel!“, stöhnte er auf – Sohn hin oder her, dachte
er, dieser Junge sollte seine Eltern doch mal wieder schätzen lernen! Vielleicht
wäre die Methode ein wenig radikal und riskant, doch sicherlich nicht unwirksam…

Als er sich umgedreht hatte, rief sein Sohn „Hü-hott!“ und
trat mit den Sporen zu.
Mit einem gedämpften Schmerzensschrei trat Karlmax seinen allabendlichen
Leidensweg an und hielt sich nur mit dem Gedanken am Bewusstsein, wie er seinen
Plan seiner Frau verklickern sollte…

Zur
gleichen Zeit machten sich die berühmten Helden Rimorob, der Krieger, Fladnag,
der Magier, Oblib, der Halbling und Salogel, der Elf daran, ein Land von der
schrecklichen Kreatur zu befreien, die man nur den „roten Schrecken“
nannte. Dass es sich hierbei um eine sehr klassische Gruppe aus hochstufigen
Abenteurern handelte, konnte man daran erkennen, dass sie mehr Wert auf Stil
als auf Effektivität bei der Arbeit legten. So glänzte Rimorobs Rüstung
selbst bei absoluter Dunkelheit in einem funkelnden Licht, was einem eher sinnlosen
elfischen Zauber zu verdanken war, aber mehrere 1000 Orks beim Bergen jenes
Artefakts das Leben gekostet hatte. Und Salogel glich mehr einer wandelnden
Frisur als einem todesmutigen Helden, der mal eben nebenbei mit einem Langbogen
einer Fliege ein Auge ausschießt. Was Salogel an Haaren hinten hatte,
besaß Fladnag vorne am Kinn, hierbei sei jedoch erwähnt, dass es
sich um ein gewaltiges Haartransplantat handelte, da der Magier erst 32 Jahre
alt war. Oblib war leider zu klein für jegliche Art von Haaren an anderen
Stellen außer auf seinem Kopf und vor allem an seinen Füßen,
erwies sich im Kampf dennoch sehr nützlich darin, Gegnern in Stellen zu
beißen, wo es wirklich weh tat…

So exzentrisch sie auch erscheinen mögen, viele solcher Heldengruppen bringen
es merkwürdigerweise immer wieder zu großen Erfolgen, viel Geld und
einem Maß an Arroganz, das jeden Adligen als bescheiden und schüchtern
darstellt.
Und jene berühmte Runde war nun daran, ihren Ruhm und vor allem ihren Reichtum
beträchtlich zu vermehren.
„Eeeyy, du bist mir auf meine Haare getreten!“, beschwerte sich
Salogel.

„Und du mir auf meine – ausgleichende Gerechtigkeit!“, erwiderte
Fladnag, „Warum ist es hier auch so dunkel drinnen?“
„Ruhe!“, rief Rimorob dazwischen, „Wir müssten gleich
in der Haupthöhle sein! Bleibt dicht zusammen – hast du gehört,
Oblib?“

„Ja, Papa!“, kam die piepsige Antwort in spottendem Tonfall.
Rimorob blieb stehen.
„Das hier ist kein Zuckerschlecken, das ist vielleicht die größte
Herausforderung unserer Heldenkarriere, ich verlange also absolute Konzentration
von euch allen!“
„Hatten wir denn je eine richtige Herausforderung?“, tönte
es aus Salogels Richtung, „Von den Viechern haben wir doch auch schon
ein halbes Dutzend umgebracht.“

„Ja, aber der hier soll ein bisschen größer sein als die anderen…
zumindest hat das die Olle gesagt, die uns diesen Auftrag gegeben hat.“
Darauf entgegnete Oblib:
„He he, Frauen, die übertreiben es doch immer, wenn es um Männerangelegenheiten
wie das Bekämpfen von Dr…“
„Halt den Mund“
„Kommt es nur mir so vor, oder stinkt es hier wirklich ganz gewaltig?“,
fragte Fladnag.

„Scheint an diesem merkwürdigen Luftzug zu liegen…“
„Das hält ja kein Mensch aus!“
„Oder Elf…“, meldete sich Salogel zu Wort.
„Ja ja oder Elf…“
„Und was ist mit mir?“, fragte Oblib.

„Halt den Mund!“, entgegnete Fladnag und fügte hinzu:
„Hm, das scheint eine Tropfsteinhöhle zu sein, seht euch mal diese
ganzen Stalagmiten und Stalaktiten an!“
„Welche waren denn noch mal welche?“, fragte Oblib.
„Klappe! Hier scheint auch irgendwo die Quelle dieses Luftzugs zu sein…“
„Uääähhh, diesen Gestank ertrage ich nicht länger!“,
stöhnte Salogel herum.

„Aber warum haben diese Stalaktiten so eine seltsame Anordnung…? Die
Farbe scheint auch nicht zu stimmen, soweit man das in diesem diffusen Licht
sagen kann.“
Rimorob meldete sich zu Wort:
„Ist euch eigentlich schon aufgefallen, wie weich der Boden auf einmal
geworden ist?“
Die Gefährten sahen sich in dem diffusen Licht unsicher an. Der übel
riechende Luftzug umwehte sie in gleichmäßigen Abständen dröhnend
in dieser unheimlichen Stille.

„Lasst uns ein wenig mehr Licht riskieren!“, sprach Fladnag und
ließ den Kristall am Ende seines Zauberstabs erleuchten. Über den
folgenden, einmaligen Anblick verlor er nur ein Wort:
„Oh!“
Kalessan schluckte.

„Und
du bist dir sicher, dass dieser Herr… wie hieß er noch mal, Schatz?“

„Kalessan…“
„…dass dieser Kalessan unseren Liebling auch annehmen wird?“,
erkundigte sich Rita bei ihrem Mann und versuchte, das laute Quietschen der
Kutschenräder und das Hufgetrappel der Pferde zu übertönen.
„Nein, ich bin mir ganz und gar nicht sicher – aber er ist unsere
einzige Chance… Ninnel, hör bitte damit auf, mit deinem Messer die Kutsche
zu zerkratzen! Außerdem ist er der einzige, der es mit dem… impulsiven
Charakter unseres Sohnes aufnehmen kann.“

„Und warum wohnt er mitten im Wald?“
„Nun… er ist ein Einsiedler?“, entgegnete Karlmax vorsichtig.
„Ein Einsiedler? Unser Sohn soll bei einem Einsiedler
wohnen? Bist du denn von allen Sinnen?“
„Schatz, ich habe dir gesagt, er ist unsere einzige Chance. Wir können
jetzt nicht mehr zurück – wir haben eh schon Glück, dass seine
Behausung ungefähr auf dem Weg liegt. Und sieh es doch mal von der positiven
Seite: Unser Sohn lernt die Natur kennen, lernt, wie er alleine in der Wildnis
überleben kann und verbringt ein paar wildromantische Wochen – nicht
wahr, Ninnel?“

„Ich will nicht zu so einem doofen Einsiedler!“, sagte Ninnel und
begann wieder, mit seinem Messer obszöne Muster in das Holz der Kutsche
zu gravieren.
„Ninnel, ich habe gesagt, du sollst damit aufhören! Sag du doch auch
mal was, Rita!“, wandte sich Karlmax verzweifelt an seine Frau, als sein
Sohn keine Anstalten machte, den Befehl des Vaters zu befolgen.
„Schatz, hör bitte auf damit!“, sagte Rita, woraufhin Ninnel
sie kurz anglotzte, um dann das Messer in seine Tasche zu stecken und seinen
Vater durchdringend anzustarren.
Plötzlich kam die Kutsche abrupt zum Stehen und das andauernde Quietschen
und Hufgetrappel wurde durch lautes, panisches Wiehern ersetzt.

„Oh, ich fürchte, wir sind bald da!“, ließ sich Karlmax
vernehmen und stieg aus dem Gefährt aus.
Um ihn herum erstreckte sich der düstere, verlassene und erschreckend ruhige
Wald. Jedenfalls hatte Karlmax das Gefühl, dass er erschreckend ruhig werden
würde, wenn die Pferde mit ihrem Gewieher aufhörten.
„Die Pferde wolln nich weiter, Sir, weiß auch nich, warum.“,
sagte der Kutscher, ein dreckiger, abgetakelter Unhold mit grauenhaftem Akzent,
der für sämtliche Neudorfer, die beruflich in irgendeiner Form mit
Pferden zu tun hatten, absolut typisch war.

„Ähm, das geht schon in Ordnung, Herr Kutscher, wir gehen ab hier
zu Fuß weiter. Fahrt ihr doch einfach ein wenig zurück, bis die Pferde
sich wieder beruhigt haben und wartet dort auf uns. Sollten wir in… einer
Stunde noch nicht wieder zurück sein, dann fahrt einfach wieder zurück
nach Neudorf und behaltet das Geld – und, wenn ich euch einen Rat geben
darf, fahrt schnell!“, mit diesen Worten warf Karlmax dem Kutscher ein
Beutel mit Gold zu, was normalerweise ein todsicheres Mittel ist, um einen Neudorfer
Kutscher seltsame Befehle ohne Fragen ausführen zu lassen… normalerweise…
„Hoi… und warum so viel, Sir?“, erkundigte sich der Kutscher.
„Ähm… Gefahrenzulage!“

„Ah… Darf man auch erfahrn, warum so viel, Sir?“
Karlmax warf einen Blick auf seine Familie, die eben aus der Kutsche ausgestiegen
war und sagte:
„Nein! Deswegen ist es auch so viel.“
Das reichte dem Kutscher anscheinend, der mit einem Achselzucken die Kutsche
mit den scheuenden Pferden auf dem Waldweg (welcher übrigens merkwürdig
breit war und so aussah, als würde er regelmäßig benutzt werden)
wendete und den Weg zurückfuhr, den sie gekommen waren.

„Könntest du mir mal bitte erklären, was hier los ist?“,
giftete Rita ihren Mann mit in die Seiten gestemmten Armen an.
„Nein, kann ich nicht, aber eine andere Möglichkeit, Ninnel unterzubringen,
gibt es jetzt auch nicht mehr – oder willst du etwa doch, dass er uns
auf dieser interessanten Reise begleitet?“
Karlmax hoffte, dass seine Frau sich noch an den einen Auftritt von ihm erinnerte,
wo Ninnel die „Hoppe Hoppe Reiter mit Sporenstiefeln“-Nummer auf
der Bühne vor dem Publikum mit seinem Vater abgezogen hatte, ohne dass
sich Karlmax dagegen hätte wehren können..

Glücklicherweise war Rita jener Auftritt ebenso peinlich gewesen und noch
immer sehr gut in Erinnerung. Deswegen war nun einer der wenigen Momente gekommen,
in dem sie sich ihrem Mann unterordnete, wenn auch nicht ohne die Arme zu verschränken
und säuerlich vor sich hin zu grummeln.
Nach einigen Minuten Fußmarsch endete der Weg an jenem dunklen, finstren
Höhleneingang mitten im Wald, an den Karlmax nur zu gute Erinnerungen hatte.
Momentan fragte er sich, wie er es damals geschafft hatte, jene Höhle lebendig
zu verlassen und ob ihm das noch ein zweites Mal gelingen würde, von seiner
Familie ganz abgesehen…
„Eine HÖHLE? Eine HÖHLE! Unser Sohn kann nicht mal mehr in einem
richtigen Haus mit einem ordentlichen Bett schlafen? Bist du jetzt vollkommen
übergeschnappt, Karlmax?“, fuhr Rita auf.

„Schatz, er wird es überleben! Nicht wahr, Ninnel?“, entgegnete
Karlmax hilflos.
„Ich will nicht in diese doofe Höhle!“
„Da siehst du’s! Er will nicht da rein!“, sagte Rita.
„Er wollte auch nie zu den Dusseleys…“

„Aber die kannte ich wenigstens.“
„Nun, ICH kenne Kalessan da drinnen – oh bitte, Rita, kannst du
mir nicht ein einziges Mal vertrauen?“
Mittlerweile war Karlmax der Verzweiflung nahe und sich nicht mehr sicher, ob
er die Konfrontation mit Karlmax oder die mit seiner Frau mehr scheute.
„Ich will nicht in diese doofe Höhle!“
Rita schaute ihren Gatten an, zuckte kurz nervös mit den Augenlidern und
sagte dann:

„Halt den Mund und tu, was dein Vater dir sagt!“
Karlmax atmete erleichtert auf – er hatte sie!
„In Ordnung, ich gehe dann jetzt erst mal alleine da rein und rede mit
ihm – ihr wartet solange hier draußen!“
Er traf auf keinen Widerstand mehr und machte sich daran, die Höhle zu
betreten, als er sich wieder fragte, ob die Konfrontation mit Rita vielleicht
doch dem vorzuziehen war, was ihm nun bevorstand…

Die
paar Meter vom Höhleneingang zur Haupthalle überlegte Karlmax verzweifelt,
wie er die Konversation mit seinem „Freund“ denn beginnen sollte,
ohne dessen Launen gleich zum Opfer zu fallen.
„Mensch, Kalessan, lange nicht gesehen! Wie geht’s, wie steht’s?“
Nein…
„Hi Kal, alte Schuppe!“

Nein…
„Hallo Kalessan, ich wollte nur mal wieder bei dir vorbeischauen!“
Nein…
„Fischers Fritz fischt frische Fische!“
Nein… obwohl das Kalessan zunächst vielleicht verwirren und Karlmax mehr
Zeit geben könnte…

Als er die Höhle betrat und Kalessan erblickte, fiel ihm dann eine passende
Begrüßung ein:
„Bevor du einen Laut machst – versuche bitte so zu sprechen, dass
meine Trommelfelle nicht gleich platzen, ja?“
Der ihm gegenüber liegende alte, rote Drache schnaubte verächtlich.
Faul zusammengerollt lag er auf dem Boden seiner Höhle, welcher von alten
Rüstungsteilen, Knochen und kleinen, gelben Pfützen bedeckt war.

Seine Gestalt würden einige als „imposant“, andere als „majestätisch“,
die meisten jedoch nur als „beängstigend groß“ beschreiben,
wobei die Betonung sehr stark auf „beängstigend“ liegen würde.
Doch auch dies taten nur wenige – alle anderen beschrieben ihn als „AAAAAHHHHHH!“
und liefen vor ihm weg, griffen ihn an oder fielen tot um, was allerdings keinen
Unterschied machte, da eh alles auf dasselbe Ergebnis hinauskam…

Aufgrund der vielen verdächtig gelben Pfützen könnte man nun
vermuten, dass der Höhle ein gar grässlicher Gestank anhaftete. Doch
wenn man es schaffte, seinen Blick mal von dem riesigen, roten Besitzer jener
Hallen abzuwenden, fielen einem recht bald ein paar große Tannenbäume
auf, die von der Decke hingen. Beanspruchte man nun noch sein Riechorgan, so
konnte man feststellen, dass der Höhle ein stechend-harziger Nadelwaldgeruch
anhaftete, der dem Gestank von Verwesung und Exkrementen in der Nase fast keinen
Platz mehr ließ.
„Wer bist du, dass du mir Befehle erteilst, Wicht?“, meldete sich
der Drache nun mit einer Stimme zu Wort, die zwar nicht seiner vollen Lautstärke
entsprach, in den Ohren eines nicht-tauben Menschen aber immer noch ziemlich
schmerzte, „Und vor allem: Was duzt du mich?“

Karlmax rutschte das Herz fast in die Hose – nicht nur von der Lautstärke.
Wenn der Drache ihn nicht erkennen sollte, sah es, gelinde gesagt, schlecht
um ihn aus.
„Erkennt ihr mich denn nicht wieder, Kalessan? Ich bin es, Karlmax!“
Er grinste ihn nervös an. Der Drache starrte verächtlich zurück,
schmatzte dann kurz und sagte:
„Ach so, du… Du warst doch gerade erst hier!“

„Das war vor neun Jahren!“
„Sag‘ ich doch…“
„Neun Jahre sind für einen Menschen eine halbe Ewigkeit!“
Kalessan zog das draconische Ambivalent einer Augenbraue hoch und erwiderte:
„Na dann hast du ja noch ein paar Ewigkeiten zu leben, freu dich. Und
jetzt: Verpiss dich!“

Karlmax schluckte und riss sich zusammen. Wozu war er denn hergekommen, wenn
er genau wusste, was ihn erwarten würde?
Moment mal, er hatte keine Ahnung gehabt, was ihn erwarten würde…
Also half nur eines: Das Vorgehen nach dem „Augen zu und durch!“-Prinzip,
mit der Hoffnung, es möge schnell vorbei gehen – was auch immer dieses
Es sein möge…

„Tut mir leid, aber ich bin nicht zum Spaß hergekommen, oder weil
ich euch mal wieder sehen wollte. Ehrlich gesagt möchte ich euch um einen
kleinen Gefallen bitten!“
Kalessans Miene gefror.
Leute, die ihn umbringen wollten – okay!
Leute, die sein Gold stehlen wollten – okay!

Leute, die ihm Opfer darbrachten – okay!
Leute, die ihm die neuste Ausgabe von „Mord ist Sport“ lieferten
– okay, das alles konnte man essen!
Leute, die ihn um einen kleinen Gefallen baten – und dann auch noch Leute,
die er kannte und denen er etwas schuldig war… wie peinlich!

„So so, du bittest mich also um einen ‚kleinen Gefallen‘.
Und was bitteschön verleitet dich zu der Annahme, dass ich dir diesen ‚kleinen
Gefallen‘ auch erfülle und dich nicht einfach umbringe?“, fragte
er, indem er sich mit seinem massiven Kopf dem kleinen Menschen bedrohlich näherte.
Karlmax nahm allen seinen Mut zusammen, holte tief Luft und sagte mit der festesten
Stimme, die er aufbringen konnte:
„Ihr hattet mir vor neun Jahren gesagt, dass ihr mir noch etwas schuldig
wäret. Ich bin nun gekommen, um diese Schuld bei euch einzulösen!“

Soweit sich Karlmax erinnern konnte, hatte Kalessan ein recht ausgeprägtes
Ehrgefühl, und die Hilfestellung, die er ihm beim Retten seiner Magie und
seiner Existenzform als Drache damals geleistet hatte, war nicht gerade gering
gewesen.
Der Drache schien sich zu erinnern:
„Ach ja, dieser kleine, dunkle Fleck in meinem Leben… ich hatte gehofft,
dass du dieses Versprechen vergessen würdest oder zumindest vorher stirbst,
bevor du es einlösen konntest.“, er seufzte tief, „Also schön,
was willst du? Soll ich dir in irgendeinem dein Heimatland bedrohenden Krieg
helfen? Macht euch ein Kollege von mir zu schaffen? Soll ich deinen Leibwächter
spielen?“

„Ehrlich gesagt ist meine Bitte nicht ganz so… umständlich…“
„Oh, du bist knapp bei Kasse… na gut, wie viel brauchst du? Meine Zinssätze
sind für dich natürlich extra günstig…“
„Es geht auch nicht um Geld, mehr um… Betreuung.“, erwiderte Karlmax.
„Oh, ich darf dir irgendein wichtiges Artefakt bewachen? Na, zum Bewachen
sind wir Drachen ja noch gerade gut genug, nicht wahr?“, sprach Kalessan
sarkastisch weiter.

„Nein, es geht auch nicht um ein Artefakt, sondern… um meinen Sohn.“
„Ach so, dein Sohn… BITTE, WAS?“
„Esistnichtlange, wirklich! Nur ein paar Wochen, bis ich und meine Frau
wieder zurück sind, mehr verlange ich nicht.“
„VERLANGST du? Du VERLANGST von mir, dass ich den Kinderhüter für
so einen kleines, widerliches Menschenbalg spiele!?“, zischte Kalessan
hitzig, den Hals gebogen wie eine Schlange, die kurz vor dem Zustoßen
ist.

Karlmax war auf dem besten Weg, den Pfützen auf dem Boden eine weitere
hinzuzufügen.
„Dir ist wohl nicht bewusst, dass ihr Menschen auf meinem Speiseplan ganz
oben steht? Da kommt mir so ein kleiner Wurm, den ich nicht antasten darf, hier
drin nicht gerade gelegen!“, fuhr der aufgebrachte Drache fort.
„Nun, das wäre ein weiteres Problem… Solange der Kleine hier ist,
wäre ich euch auch sehr verbunden, wenn ihr diese… Eigenarten ein wenig
zurückschrauben und woanders ausleben könntet. Nur ein paar Wochen?“,
fügte Karlmax kleinlaut hinzu.

„Das ist ganz toll, wirklich. Kannst du dir wirklich nicht etwas anderes
einfallen lassen, um diese kleine Rechnung zwischen uns zu begleichen? Ich könnte
dir doch Geld geben, meinetwegen auch ohne Zinsen, damit kannst du dir einen,
quatsch, ein Dutzend Babysitter leisten!“
„Das geht nicht, dazu ist es zu spät! Ihr seid meine letzte Hoffnung,
den Jungen irgendwie unterzubringen, denn mitnehmen kann ich ihn auf keinen
Fall! Wie gesagt, es wäre nur für kurze Zeit… und wisst ihr was,
sobald ich ihn dann wieder abgeholt habe, werde ich euch nie wieder belästigen,
das verspreche ich euch! Eure Schuld bei mir ist damit beglichen, und ich werde
euch nie wieder behelligen. Dieser dunkle Fleck in eurem Leben wird praktisch
nie existiert haben!“
Karlmax kam der Verzweiflung nahe. Der Drache schien ihm gegenüber zwar
nicht mehr wirklich aggressiv eingestellt zu sein, dennoch war es seine letzte
Chance, den Jungen loszuwerden.
Kalessan dachte nach – und kam zu einem Entschluss:

„Nur ein paar Wochen?“
„Nur ein paar Wochen!“
„Ich sehe dich danach nie mehr wieder?“
„Nie wieder!“
Der große Drache seufzte erneut:
„Na schön, ich mache es… ein wenig Abwechslung kann hier drinnen
wohl nicht schaden… Also, was muss ich tun?“

Karlmax atmete auf – das war geschafft!
„Nun, ihr müsst vor allem für Essen, Trinken, für eine
Schlafstatt und eventuell auch für Kleidung sorgen.“
„Kleider, das sind diese Dinger, die immer zwischen den Zähnen hängen
bleiben!?“, erkundigte sich Kalessan grinsend.

Karlmax versuchte, ihn zu ignorieren:
„Ihr müsst ihn einfach nur ein bisschen beschäftigen. Er kann
recht anstrengend sein, aber ich bin mir sicher, dass ihr die nötige…
Autorität habt, um damit fertig zu werden.“
„Darauf kannst du zählen, das stimmt. Nun gut, genug geredet, jetzt
kannst du mir diesen kleinen Wurm auch endlich vorstellen und abzischen, damit
ich meinen Spaß mit ihm haben kann!“
Karlmax fand das gar nicht komisch.

„Ich finde das überhaupt nicht komisch, Kalessan. Bitte vermasselt
es nicht! Betrachtet es als… andersartige Herausforderung, wenn ihr wollt,
aber ich möchte meinen Jungen in ein paar Wochen in einem Stück zurück
haben, und zwar genau so, wie ich ihn euch übergebe. Denkt ihr wirklich,
dass ihr dieser Aufgabe gewachsen seid?“
„Die Aufgabe, der ich nicht gewachsen bin, muss erst noch gefunden werden,
Kleiner. Stellst du uns jetzt endlich mal einander vor?“, erwiderte der
Drache ungeduldig.
„Nun, da ist noch ein kleines Problem: Meine Frau weiß noch nicht,
dass ihr ein Drache seid, und… mir wäre es auch lieber, wenn sie es jetzt
noch nicht erfährt… Wenn ihr also mit herauskommen könntet und euch
vorher…“

Er ruderte mit den Armen, unfähig, sein Anliegen auszusprechen. Kalessan
verstand ihn auch so:
„Du weißt, was du da verlangst?“
Karlmax nickte nervös.
„Du weißt, dass ich mich seit dieser letzten Geschichte nicht mehr
verwandelt habe?“
„Ich… kann es mir denken… aber wie groß ist wohl die Wahrscheinlichkeit,
dass irgendein wahnsinniger Magier jetzt gleich vorbeikommt und euch erneut
eure Magie erneut stiehlt? Ha ha?“

Der Drache seufzte:
„Nein, du hast wahrscheinlich Recht… warum mache ich das alles bloß?“
Karlmax hatte ziemliches Glück, dass Kalessan diesen Gedanken nicht weiter
verfolgte. Ansonsten wäre der Drache wahrscheinlich darauf gekommen, dass
er das alles wirklich gar nicht machen müsse, hätte ihn und seine
Familie auf der Stelle umgebracht und sich den ganzen Ärger erspart. Der
Drache wusste, dass er mit seinen Gedankengängen dort herauskommen würde
und verfolgte sie auch Karlmax zuliebe absichtlich nicht weiter, sondern verwandelte
sich einmal mehr in den über zwei Meter großen Hünen in roter
Robe, der sein menschliches Erscheinungsbild war.

„Zufrieden?“, fragte Kalessan lakonisch.
„Ihr habt keine Ahnung, wie dankbar ich euch für das bin, was ihr
hier tut!“
„Ach komm, spar dir den Mist!“
Karlmax atmete erneut erleichtert auf. Der Rest sollte ja jetzt ein Kinderspiel
sein.

Draußen
warteten eine entnervte Ehefrau mit in die Seiten gestemmten Armen sowie ein
lautstark quengelnder Junge auf ihn – die Reihe an stressigen bis lebensgefährlichen
Situationen schien also zunächst doch noch kein Ende zu haben.

„Du hast dir ja ganz schön viel Zeit gelassen, mein Lieber. Ich bin
hier mit dem Jungen fast wahnsinnig geworden.“ – Warum „fast“?,
dachte sich Karlmax angesichts der Schärfe ihrer Stimme. – „Und
was war das für ein lautes Gebrüll, das da aus der Höhle kam?
Ich wäre dir beinahe nachgegangen, wenn da drinnen nicht alles so schmutzig
wäre und so schrecklich stinken würde!“

Karlmax drehte sich erschrocken um, doch Kalessan schien nicht beleidigt, sondern
eher belustigt, wie er es immer war, wenn Menschen mit ihm umsprangen wie mit
einem… Menschen.
„Ähm, Schatz – das ist Kalessan, er wird die nächsten
Wochen auf unseren Sohn aufpassen. Kalessan, meine Frau Rita, mein Sohn Ninnel.“
Verblüfft beobachtete er, wie Kalessan seine Hand ausstreckte, um sie Rita
zu geben. Beide Parteien schienen von dem überaus heftigen Händedruck
ihres Gegenübers ziemlich überrascht und konnten sich anscheinend
nur mit Mühe zurückhalten, keinen plötzlichen Schmerzenslaut
auszustoßen.

„Bin erfreut.“, presste Kalessan hervor und begann, Karlmax‘
Frau abfällig-interessiert (oder auch interessiert-abfällig) von oben
bis unten zu mustern.
„Ebenfalls. Ihr seid also dieser ominöse Kalessan. Wisst ihr denn
überhaupt, wie man mit Kindern umgeht?“, fragte Rita in bemüht
freundlichem Tonfall.
„Hätte mich euer Mann sonst vorgeschlagen?“, entgegnete der
Drache.

„Also habt ihr schon einmal mit Kindern gearbeitet? Oder hattet ihr selbst
einmal eine Familie?“
„Äh, Rita, wir müssen jetzt schnell gehen, der Kutscher wartet
nicht mehr lange auf uns!“, rief Karlmax hastig dazwischen, der das Thema
von Kalessans Familie nun als allerletztes angesprochen haben wollte.
„Aber Schatz, ich möchte schließlich ein wenig über den
Mann erfahren, dem ich meinen Sohn über die nächsten Wochen anvertraue.“
„Ja genau! Ich könnte euch alle ja noch schnell zum Essen einladen
und wir besprechen die ganze Angelegenheit!“, bestätigte Kalessan
mit einem sadistischen Grinsen in Karlmax‘ Richtung.

„NEIN!“, rief Karlmax, lauter, als er eigentlich gewollt hatte,
was eine dieser kurzen, peinlichen Stillen zur Folge hatte.
Mit gesenkter Stimme fuhr er fort:
„Wir haben nicht mehr viel Zeit, wir müssen schnell zurück,
Schatz. Bitte vertrau mir in dieser Angelegenheit einfach – ich vertraue
ihm ja auch.“, sagte er mit einem ebenso vielsagenden Blick auf den grinsenden
Drachen.
„Nun gut Ninnel, wir lassen dich jetzt ein paar Wochen mit Onkel Kalessan
hier alleine. Er wird in dieser Zeit deine Familie für dich sein, also
benimm dich!“, und mit leisem Tonfall fügte er dann hinzu:

„Es ist zu deinem eigenen Besten!“
Rita gab zu Karlmax‘ Erleichterung klein bei und verabschiedete sich ebenfalls
von ihrem Sohn mit den üblichen Ratschlägen immer brav zu sein, dem
netten Herrn doch keinen Ärger zu machen und sich vor dem Essen immer die
Hände zu waschen.
An Kalessan gerichtet sagte sie dann noch:
„Dass ihr mir ja gut auf meinen Sohn aufpasst, und dass ihm auch ja nichts
passiert, versteht ihr? Ich kann zu einer wilden Bestie werden, wenn meinem
kleinen Ninnel etwas zustößt!“

Kalessan beugte sich leicht vor und erwiderte:
„Ich doch auch, meine Liebe…“
Karlmax entschied sich, dass es wirklich an der Zeit war, nun zu gehen, nahm
seine Frau mit sanfter Gewalt beiseite, verabschiedete sich noch mal von seinem
Sohn und richtete sich noch ein letztes Mal an den Drachen:
„Ihr wisst, was ihr zu tun habt?“
Kalessan nickte.
„Dann auf bald! Und… vielen Dank nochmals!“

Der Drache winkte lächelnd ab, was Karlmax jedoch nicht unbedingt beruhigte.
Dennoch verließ er mit seiner Frau nahezu fluchtartig das Geschehen.
Auf dem Weg zur Kutsche fiel ihm ein, was er mit Rita nun während der Abwesenheit
seines Sohnes ebenfalls etwas… ausgiebiger betreiben konnte und lächelte
glücklich – schon bei Sally war Rita wirklich nicht schlecht gewesen…

Für
Kalessan ging das ganze ein klein bisschen zu schnell. Auf einmal stand er alleine
vor seiner Höhle, zusammen mit einem kleinen, ihm völlig unbekannten
Menschenbengel, der ihn mit großen Augen nichtssagend anstarrte. Schlimmer
noch, er musste sich jetzt persönlich um dieses Ding kümmern… nicht
morgen, nicht später, nicht nachher, sondern jetzt, gleich, sofort! Na
toll…

„Komm mit rein!“, sagte er. Auf dem Weg in seine Heimstätte
würde ihm schon einfallen, wie er mit dieser Situation fertig werden sollte.
Er lief ein paar Meter, blieb dann stehen und drehte sich noch mal um –
der Junge hatte sich nicht vom Fleck bewegt und starrte ihn weiterhin durchdringend
an. Das konnte ja sogar ihm fast unangenehm werden…
„Was ist, bist du taubstumm oder so?“
Der Junge – Ninnel hieß er, richtig – schüttelte den
Kopf.

„Bist du vielleicht nur stumm?“
Er schüttelte den Kopf erneut.
„Und was ist dann dein Problem?“
„Meine Mama hat gesagt, ich darf nicht mit Fremden mitgehen.“
„Bitte, mir soll es nur Recht sein!“, mit diesen Worten drehte Kalessan
sich um und betrat seine Höhle. In seinem Hauptwohnraum angekommen, lehnte
er sich lässig an die Wand und wartete auf den Jungen, der ihm ja nun jeden
Moment hinterherkommen müsste.

Währenddessen blieb Ninnel draußen stehen und beobachtete zunächst
die Umgebung der Höhle, ohne sich dabei auch nur einen Millimeter zu rühren.
Nachdem er mit seiner Beobachtung fertig war, entschied er sich dazu, abzuwarten,
was denn als nächstes passieren würde. Er wartete ungefähr eine
halbe Stunde, dann stürmte ein wütender, roter Hüne aus der Höhle,
packte ihn am Kragen und schleifte ihn in sein Heim. Ninnel grinste stumm in
sich hinein.
Als Kalessan ihn, in seiner Höhle angekommen, an der Gurgel hochhob, grinste
er nur noch breiter.

„Jetzt hör mir mal zu, du Wurm! Solange du bei mir bist, wirst du
tun, was ich dir sage, nicht das, was deine werte Mutter dir irgendwann mal
gesagt hat – denn sie ist nicht hier, um dich zu beschützen, und
anscheinend soll ich diese Aufgabe übernehmen. Aber ich habe nicht die
geringste Lust, auf so ein kleines Menschlein aufzupassen, das mir keinen Respekt
zollt!“
Dass dem Jungen die Luftzufuhr abgeschnitten war, tat seinem Grinsen anscheinend
keinen Abbruch. Kalessan ließ ihn hinunter.
„Wenn du das noch mal machst, sage ich es meiner Mutter und die macht
dich dann zur Schnecke!“, sagte Ninnel mit einer für das eben Erlebte
nahezu unnatürlichen Ruhe.

„Und ich mache sie zu meinem Frühstück, sollte sie es versuchen.
Nur, weil ich deinem Vater was schuldig bin, heißt das nicht, dass ich
mir von ihm oder seinen Verwandten alles gefallen lassen muss! Hör also
gefälligst auf, mich zu duzen und zoll mir den Respekt, der mir gebührt!“
Ninnel fing wieder an, fies zu grinsen und brach daraufhin in folgenden Singsang
aus:
„Dududu duDu duDu duDudeldiDU, DU DU DU DU DU, dudeldudelDUdudu.“
Kalessan konnte sich nicht mehr daran erinnern, dass ihn je jemand offener und
vor allem sorgloser als jetzt verspottet hatte, was natürlich hauptsächlich
an seiner momentanen, weit weniger eindrucksvollen Gestalt lag.

„…Dududu, DuduDUdududu…“
Es reichte – jetzt kam die Zeit, um Eindruck zu schinden. Kalessan leitete
die Verwandlung ein und begann, zu wachsen und sich zu verändern.
„Dududu, dududu… dududu… «
Er wuchs und wuchs und wuchs und wuchs…
„Dudu… dudu… du…“

…und wuchs und wuchs und wuchs und wuchs…
„Du… du…“
…und wuchs, bis schließlich nicht mehr Onkel Kalessan, der Zwei-Meter-Mann,
sondern Kalessan der Fünfzig-Meter-Drache, die Höhle ausfüllte.
„…du… du?“
Kalessan beugte seinen massiven Schädel hinunter und brachte ihn kurz vor
dem kleinen Menschenjungen zum Verharren.

„Na, was sagst du jetzt, Winzling?“, brachte er leise, aber bedrohlich
hervor.
Ninnel zögerte kurz und sah ihn weiterhin ausdruckslos an. Dann sagte er:
„Du bist hässlich und du stinkst!“

Ausatmen!
Drachen können zu einigen der gefährlichsten Wesen der gesamten Welt
heranwachsen. Kalessan ist alt und sein persönlicher Gefährlichkeitsgrad
darf aufgrund seines Temperaments noch potenziert werden. Damit überholt
er sogar die drei schrecklichen Furien Alexzstrzuszszuszia, Chmlech’krach!clochchmchmrn
und Karl-Heinz, die vor allem wegen ihrer schrecklichen Namen und ihrer Angewohnheit,
sich nur mit vollem Namen anreden zu lassen, gefürchtet werden. Bei letzterer
streitet man übrigens noch um ihr Geschlecht – natürlich nur
in ihrer Abwesenheit.

Und ausatmen!
Ein Wesen wie Kalessan zu reizen ist also sehr sehr dumm.
Kalessan war sich dessen vollkommen bewusst, weswegen er, teilweise um sich
selbst zu beruhigen, diese Kreatur vor ihm einfach nur als „bemitleidenswert
dumm“ abtat und sich einredete, dass es doch eine viel größere
Bösartigkeit wäre, sie in diesem Zustand vollkommenster Dummheit weiterhin
existieren zu lassen, anstatt sie von ihrem Leiden zu erlösen.
Und wieder ausatmen!

„Na, haben wir uns langsam an diesen ‚Gestank‘ gewöhnt?“,
sagte er, bevor das groteske Pendel wieder zu ihm zurück schwang und er
es erneut mit einem kräftigen Hauch wieder in die andere Richtung pustete.
Ninnel hing kopfüber an einer langen Kette von einer der geruchsintensiven
Tannen in Kalessans Höhle und pendelte, vom Atem des Drachen angetrieben,
nun schon seit einiger Zeit immer hin und her.
„Ich erzähle meiner Mama davon!“, sagte er.

„Ach, und was will deine Mama gegen einen ausgewachsenen Drachen wie mich
ausrichten? Mir im Hals stecken bleiben?“
Überraschenderweise fand Ninnel darauf keine Antwort.
Mit einer Klaue brachte Kalessan das Ninnel-Pendel zum Anhalten und funkelte
den Jungen mit seinen gelb glühenden Augen an.
„Wir werden diese kleine Prozedur ab jetzt immer dann durchführen,
wenn du dich nicht benimmst, klar?“
Ninnel nickte.

„Und wenn du deiner Mutter oder deinem Vater davon erzählst, dann
werde ich sie hier auch aufhängen – das willst du doch nicht, oder?“
Ninnel schüttelte den Kopf.
„Gut, also wenn ich dich jetzt runterlasse, wirst du dich dann benehmen
und deine Beleidigungen zurücknehmen?“, fragte der Drache ihn mit
schiefgelegtem Kopf.
„Ja.“

Kalessan berührte die Kette kurz, welche mit einem leisen Klicken aufsprang.
Ninnel setzte er auf dem Boden vor sich ab und starrte ihn forschend an.
„Na… ich höre?“
Der durch Kalessans Prozedur sichtlich grün angelaufene Junge schaute ihn
trotzig an, sagte dann aber mit gesenktem Blick:
„Tutmirleid…“
Kalessan knurrte kurz, gab sich aber mit der Antwort zufrieden… mehr durfte
man von diesem Balg wohl nicht erwarten.

Dieser sich von seiner kleinen Folter offenbar sehr schnell erholende Balg sprach
ihn jedoch erneut an:
„Ich hab‘ Hunger!“
Faszinierend, wie viel Suizidpotential diesem Jungen anhaftete – jener
Satz erinnerte Kalessan nämlich just an seine eigenen, aufgrund dieses
in Griffweite liegenden, kleinen Snacks selber wieder erwachten Hungergefühle.
Zum Glück mochte der Drache Herausforderungen – als gefährlichstes
Wesen der Welt hat man nicht mehr viele. So galt es, die eigene Selbstbeherrschung
stärker sein zu lassen als Ninnels Eigenschaft, sich in ungeahnte Gefahrensituationen
zu bringen.

Nur fiel Kalessan erst jetzt auf, was für ein Problem die Nahrungsbeschaffung
für das Kind sein würde. Die örtliche Fauna packt nämlich
schneller die Koffer als man „Blaubeerpfannkuchen“ sagen kann, wenn
sich ein Wesen wie Kalessan in der Nähe einnistet und zum Beeren pflücken
und Brot backen sowie zum Einfach-in-die-nächste-Stadt-gehen-und-etwas-kaufen
war der Drache zu stolz.
Somit blieb nur das einzige Nahrungsmittel übrig, das dumm genug war, angesichts
der Präsenz des Drachen nicht zu fliehen.

Das einzige Nahrungsmittel, von dem Kalessan ganz genau wusste, wo er es finden
und einfach bekommen könnte.
Das einzige Nahrungsmittel, das Kalessan auch auf sehr schmackhafte Art und
Weise zubereiten konnte.
Und das war nun mal…

„Was
ist denn das?“, fragte Ninnel, als er das von Kalessan einige Zeit später
zubereitete Gericht sah. Es handelte sich um einen großen, sehr dunkelbraunen
bzw. bereits schwarz verkohlten, unförmigen Fleischklumpen, dessen Zubereitung
darin bestand, dass es auf dem Blatt einer großen, grünen Pflanze
lag. Man beachte, wie das Attribut „schmackhaft“ von Spezies zu
Spezies vollkommen unterschiedlich interpretiert wird.

„Ist doch egal, wovon das stammt. Das ist Fleisch, das ist nahrhaft, das
ist gesund – also iss!“, erwiderte der sich momentan in seiner menschlichen
Gestalt befindliche Kalessan.
„Das da sieht aber aus wie eine Hand!“, zeigte Ninnel auf ein aus
der Masse herausragendes Fleischstück.
„Ähm… da spielt dir deine Phantasie wohl einen Streich… du hast
doch sicherlich Hunger? Also iss endlich!“
Der leichte Anflug von Panik in Kalessans Stimme war sicherlich auch nur ein
Streich von Ninnels Phantasie…

„Aber an der Hand steckt noch ein Ring dran!“
Kalessan erlebte das faszinierende, menschliche Gefühl eines spontanen
Schweißausbruchs, als er näher hinsah und das glänzende Stück
Metall entdeckte, das auf einem der kleinen Auswüchse des Fleischklumpens
steckte.
Blitzschnell nahm er den Ring und brach dabei das Stückchen Fleisch, das
einem menschlichen Finger wirklich gar nicht mal so unähnlich war, ab.

Mit den Worten „Das ist gar kein Ring, sondern ein… ähm… ein
Stück Fett!“ steckte er ihn sich in den Mund und kaute darauf herum
– für einen Drachen in Menschengestalt ist das gar nicht mal so schwer,
da seine natürliche Kraft sich auf andere Erscheinungsformen seiner Wahl
überträgt. Bei einem Amok laufenden Drachen in Gestalt eines süßen
Kätzchens kann das schon mal ganz witzige bzw. blutige Ergebnisse haben,
was jedoch eine Episode seines Lebens ist, die Kalessan nicht gerne erwähnt
haben will. Für einen Drachen ist es jedenfalls ungefähr so anstrengend
einen soliden Metallgegenstand zu kauen, wie für einen Menschen eine Walnuss
mit Schale zu essen… man verzichtet also lieber darauf.

„Hmmm… lecker!“, würgte der Drache hervor und schluckte den
Ring hinunter. Leider hatte er ihn noch nicht auf eine für die Speiseröhre
seiner menschlichen Form akkurate Größe zurechtgekaut, weswegen ihm
das Metallstück auch wortwörtlich im Halse stecken blieb. Für
ein Wesen, das einen ganzen Ritter inklusive Rüstung, Pferd, Lanze und
allem Zubehör (wenn vorhanden also inklusive Knappen) schon mal im Stück
verschluckt eine entsprechend peinliche Situation. So taumelte Kalessan also
hustend und würgend durch die Pfützen seiner Höhle, schaffte
es dann irgendwie, seinen Hals zu befreien und das stark verformte Metallstück
wieder auszuspeien. Das laute *pling*, das ertönte, als der ehemalige Ring
auf dem Boden aufschlug, verhallte peinlich im Raum. Kalessan sah Ninnel erschöpft
von der Seite an.

Der Kommentar des Jungen zu der Situation war:
„Ich esse kein Fleisch!“
Über diesen Satz vergaß Kalessan sogar das Erschöpftsein und
starrte den Jungen ungläubig an.
„Du willst mir nicht wirklich erzählen, dass du einer von diesen…
wie hießen sie noch mal… Vegetierenden bist!?“

Ninnel nickte.
„Das soll also heißen, dass ich diesen schönen Braten hier
vollkommen umsonst getö… gefangen und zubereitet habe und jetzt noch
mal losziehen darf, um dir… Beeren oder… Brot oder so ein Zeug zu besorgen!?“,
fragte der Drache mit mühsam unterdrückter Wut in der Stimme.
„Ich mag auch Kartoffeln!“, sagte Ninnel fröhlich grinsend.

Kalessan erkannte, dass er um einen Einkauf in der nächstgelegenen Stadt
mit zugehöriger Beratung wohl nicht herumkommen würde – doch
man kannte ihn in dieser Gegend und wusste genau, was für eine Kreatur
er war, was wohl zu einer weiteren für ihn entsprechend peinlichen Situation
führen würde.
Nun war der Moment gekommen, an dem sich Kalessan ernsthaft fragte, warum er
sich überhaupt die Mühe machte. Warum er diesen kleinen Winzling nicht
einfach umbrachte und auffraß, wie er es mit so vielen vorher schon getan
hatte. Und warum er seine Eltern nicht auch gleich beseitigte. Moralische Probleme
sollte es ihm aufgrund seiner ethischen Einstellung gegenüber der Menschheit
doch eigentlich nicht bereiten!?

War es die offene Schuld gegenüber Karlmax, der ihm schließlich mehrfach
das Leben gerettet hatte?
War es die Herausforderung, einmal Selbstbeherrschung und auch Verzichten unter
Extrembedingungen zu üben?
Oder hatte ihm die Jahrtausende währende Einsamkeit und der Hass ganzer
Völker gegen seine Person doch mehr zugesetzt, als er eigentlich wahrhaben
wollte?
Eine genaue Antwort wusste er nicht – am Ende stand nur die Entscheidung:

„Ach, verdammt, na gut!“

Eine
noch so unangenehme Aufgabe kann erträglich werden, wenn man sie richtig
angeht. Um also vegetarische Nahrungsmittel herbeizuschaffen, von denen er keine
Ahnung hatte, stattete er der größten Stadt innerhalb seines Reviers
einen Besuch ab und forderte bei einer schnell organisierten öffentlichen
Kundgebung ein Opfer der Bevölkerung in Form von Lebensmitteln, welches
ihm fortan wöchentlich in seine Höhle gebracht werden solle, zahlbar
mit Abschließen jener Kundgebung.
Kalessan hatte die menschliche Bevölkerung in seiner Umgebung schon oft
in Abständen von ein paar menschlichen Generationen zu kleinen und großen
Tributen aufgefordert. Zu weit trieb er es dabei jedoch nie, da es doch sehr
unpraktisch sein kann, wenn einem das letzte verbleibende Nahrungsmittel einfach
in Scharen wegläuft und man mit einer insgesamt eher ärmlichen bis
nicht vorhandenen Tierwelt in der nächsten Umgebung zurückgelassen
wird.

Menschen lassen sich jedenfalls nicht lange bitten, wenn ein roter Drache auf
ihrem Marktplatz landet und ihnen Forderungen unterbreitet – seien sie
noch so seltsam und enthielten Dinge wie „vegetierende Lebensmittel“…
Kurze Zeit später flog Kalessan mit mehreren großen Behältern
voller Getränke und dieser Lebensmittel, die Menschen so gerne aßen,
ein wenig stolz auf sich, weil er diese prekäre Situation so clever gelöst
hatte, zurück zu seiner Höhle im Wald.

Ein wenig verwundert darüber, dass Ninnel sich immer noch darin aufhielt
(heimlich hatte er ja doch gehofft, dass der kleine Quälgeist von selbst
in den Wald laufen und von Kalessans Wolfshorde oder, besser noch, seinem alten
Gehilfen, gefressen werden würde), präsentierte er dem Jungen die
Lebensmittel, die dieser zu Kalessans noch größerer Verwunderung
annahm und sogar aß, was aus der Sicht des Drachen durchaus als eine Verbesserung
der Lage angesehen werden durfte.
Jedoch waren anscheinend noch längst nicht alle Bedürfnisse des kleinen
Menschen als abgehakt zu betrachten. Über das eine wird weder in der Literatur
noch in den Medien der unseren Welt gerne gesprochen, die gesamte Problematik
dieses Bedürfnisses sei jedoch mit Ninnels Satz „Ich muss mal Pipi!“
und dem Antwortsatz von Kalessan „Du musst mal was?“ zumindest
einmal angeschnitten. Zusammenfassend sei berichtet, dass jene Situation auch
die Sätze „Ich muss mal groß!“ und „Kannst du mir
mal abwischen?“ beinhaltete, aber das gehört im Detail nun wirklich
nicht hierher. Man sollte meinen, dass dies der ohnehin schon angeschlagenen
Psyche Kalessans den Rest geben müsse – doch ganz im Gegenteil, der
Drache fand es eher interessant, dieses Grundbedürfnis des menschlichen
Körpers näher zu beobachten, was ausnahmsweise mal Ninnel unangenehm
war.

Das Interesse für menschlichen Stoffwechsel lässt sich am besten erklären,
wenn man im Gegensatz dazu den eines Drachen mal näher betrachtet. Drachen
können einen ungeheuer hohen Anteil der Nahrung, die sie aufnehmen, auch
wirklich in Energie umsetzen – der geringe Prozentsatz an biologischem
Abfall, der beim Verdauungsprozess übrig bleibt, wird über periphere
Organe der Haut ausgeschieden, was jetzt natürlich höchstens für
einen Biologen von Interesse sein und von diesem wahrscheinlich auch noch aufs
schärfste wissenschaftlich zerpflückt werden dürfte. Dieser außergewöhnliche
Metabolismus des Drachen soll jedenfalls so stark sein, dass er es ihnen ermöglicht,
sogar Edelsteine zu schlucken und zu verdauen. Jeder Drache, der das einmal
ausprobierte, merkte jedoch, dass diese Behauptung nur zu 50 % wahr ist. Er
konnte den Stein schlucken und wurde nicht mal mehr zwingend krank, wiederholte
diese Tat jedoch nicht wieder – probieren Sie doch mal, einen 40karätigen
Edelstein auszuschwitzen!

Um auf menschliche Bedürfnisse zurück zu kommen – eines der
für Kalessan vielleicht angenehmsten stand noch offen. Und auf dieses war
er indirekt sogar vorbereitet…
Es äußerte sich in einem ausgedehnten Gähnen von Ninnel, einhergehend
mit der Frage:
„Wo soll ich denn schlafen, Onkel Kalessan?“

„Nenn mich nicht Onkel!“, zischte der Drache zurück, bewegte
sich aber gleichzeitig in die hinteren Bereiche seiner Höhle – möglichst
weit weg von diesem kleinen Etwas, das die Frechheit besaß, ihn „Onkel“
zu nennen, während der Rest der Menschheit noch nicht mal mehr mit einem
„durchlauchtigste Hochwürden“ durchkam – und in Richtung
seiner persönlichen Schatzkammer.

Wie bei Drachen nun mal üblich hatte auch Kalessan im Laufe seines langen
Lebens eine beachtliche Sammlung an Kostbarkeiten und Schätzen zusammengetragen.
Er war von seinen Reichtümern nicht ganz so besessen wie sein mehr oder
weniger verhasster Kollege Smahug, es reichte ihm also, sich lediglich ein paar
Stunden täglich an dem reinen Schein und dem süßen Klang des
Goldes zu ergötzen. In seiner Sammlung befand sich jedoch bereits ein mehrere
Jahrhunderte altes, rustikales Himmelbett +3, welches nahezu ausschließlich
aus Gold und Edelsteinen zu bestehen schien, dessen Vorhänge aus Seide
und dessen Decke aus Samt gemacht war.
Das Bett hatte er von einem Herrscher namens Futsch XIII. entwendet, der es
anscheinend sehr lustig gefunden hatte, Kalessan mit einer ganzen Armee anzugreifen.
Nicht mehr sehr lustig fand er später, sein ganzes Reich in Flammen zu
sehen und letztendlich Bekanntschaft mit dem Drachen selbst, beziehungsweise
mit seinem Verdauungssystem zu schließen. Kalessan erfuhr an Ort und Stelle,
dass Futsch XIII. aufgrund ernsthafter Schlafstörungen das gesamte Vermögen
seiner Ländereien für die Anfertigung dieses speziellen Bettes ausgegeben
hatte, was ihn angeblich wieder in Ruhe schlafen ließ. Dies erklärte
auch die vollkommene Abwesenheit jeglicher sonstigen Wertgegenstände auf
der Burg des Regenten, den Angriff seiner Armee auf Kalessan und dessen Reichtümer
sowie die militärische Stärke jener Armee, bestehend aus zehn invaliden
Greisen, die Futsch XIII. nur noch aus Loyalität zu dessen Vater dienten,
welcher sich übrigens aus Scham über seinen eigenen Sohn selbst das
Leben genommen hatte.

Das Bett war jedenfalls der einzige Gegenstand von Wert, den Kalessan hätte
mitnehmen können, was er letztendlich dann auch getan hatte. Ninnel würde
sehr bequem schlafen können.
Die Vorstellung, dass der Junge inmitten seiner Reichtümer schlafen würde,
behagte Kalessan jedoch nicht so recht, daher blieb ihm wohl oder übel
nichts anderes übrig, als den Jungen mit ihm zusammen in seiner Hauptwohnhöhle
schlafen zu lassen. In seiner menschlichen Gestalt brachte er das Bett in die
große Höhle zurück.

Ninnel beobachtete Kalessan, als dieser das zu seiner momentanen Größe
überproportional riesige, funkelnde Etwas an Bett hinter sich her schleifte
und bekam handtellergroße Augen.
„Oah, ist das etwa mein Bett?“
Sofort, als das Bett an Ort und Stelle – nämlich in der dunkelsten
Ecke der Höhle, genau gegenüber zu der, wo Kalessan selbst immer schlief
– platziert war, sprang Ninnel auf die Matratze und hüpfte fröhlich
auf und ab, was von einem stetig lauter werdenden Quietschen der bereits etwas
rustikaleren Federn begleitet wurde.

Mit Entsetzen beobachtete der Drache, wie sein schönes Bett langsam in
Grund und Boden gehüpft wurde. Schnelle Maßnahmen mussten ergriffen
werden:
„Wenn du dieses Bett kaputt machst… dann erzähle ich das deiner
Mutter!“
Das Quietschen verstoppte abrupt. Kalessan machte anscheinend ernsthafte Fortschritte
in der Kontrolle dieses kleinen Quälgeists. Die Gelegenheit nutzte er aus:
„Und jetzt leg dich sofort hin und schlaf!“

Tatsächlich verkroch sich Ninnel auch schon unter der Samtbettdecke.
Doch gerade als Kalessan sich umdrehte und zu seiner eigenen Schlafstätte
gehen wollte, ertönte es hinter ihm:
„Erzählst du mir noch eine Gute-Nacht-Geschichte?“
„Eine was?“
„Eine Geschichte! Ansonsten kann ich immer so schlecht einschlafen.“

„Du willst eine langweilige Geschichte hören, von der du einschläfst?“,
fragte der Drache ungläubig.
„Nein, einfach nur eine Geschichte… bitte!“, fügte der kleine
Junge mit Rehäuglein hinzu.
Drachen sind gute Geschichtenerzähler, und Kalessan machte da keine Ausnahme.
Also ließ er sich nicht mehr lange bitten, setzte sich auf die Ecke vom
Bett, die am weitesten von Ninnels Kopf entfernt war und begann seine Geschichte,
die ihm für diesen Anlass angemessen erschien:

„Es
war einmal ein kleiner, roter Drache. Der konnte nicht verstehen, warum seine
Brüder und Schwestern, seine Eltern, ja seine ganze Familie immer so gemein
zu den Menschen war. Seine Verwandten sagten nur immer:
‚Von den Menschen halte dich fern, sie sind gemein und bösartig und
möchten uns alle umbringen!‘
Doch der kleine Drache konnte das nicht verstehen. Deswegen hatte er auch keine
Freunde unter den anderen Drachen und sie lachten ihn immer aus, wenn er bei
ihnen mitspielen wollte.
‚Du kannst ja noch nicht mal Feuer speien!‘, riefen sie.
Also beschloss der kleine Drache eines Tages, in die Welt hinaus zu ziehen und
sich selbst Freunde zu suchen. Er kam in einen Wald und in diesem Wald traf
er auf den Hasen. Der kleine Drache fragte den Hasen:

‚Möchtest du mein Freund sein?‘
Doch der Hase antwortete nur:
‚Ich, dein Freund? Was hätte ich von einer Freundschaft mit dir?
Du bist doch viel zu groß, um in meinen kleinen Bau zu passen und ich
habe keine Flügel, um dich in deiner Höhle in den Bergen zu besuchen
– nein danke!‘
Und der Hase verschwand wieder in seinem Bau und kam nicht mehr hinaus.

Da wanderte der kleine Drache weiter und traf auf den Fuchs:
‚Fuchs, möchtest du mein Freund sein?‘
‚Ich, dein Freund? Warum sollte ich dein Freund werden wollen? Du bist
ein Geschöpf der Lüfte und ich lebe am Boden. So groß wie du
bist, würdest du mich hier im Wald auch nur beim Jagen behindern. Geh weg,
ich brauche keinen Freund wie dich!‘
Der kleine Drache lief weiter durch den Wald und traf auf den alten Bären.

‚Bär, willst du vielleicht mein Freund werden?‘
‚Ach, junger Drache, meine Knochen sind schon so alt und müde, ich
mache es wohl nicht mehr lange. Außerdem beginnt jetzt bald der Winter
und ich werde mich in meine Höhle zum Winterschlaf zurückziehen. Und
in diese kleine Höhle passt du nie im Leben rein!‘
Da war der kleine Drache sehr traurig, und er ließ sich auf einer Lichtung
nieder und weinte gar bitterlich. Da kamen auf einmal aus dem Wald seltsame
Gestalten. Sie hatten weder Fell noch Schuppen, sondern nur komische, bunte
Leiber und rosa Köpfe mit kleinen Haarbüscheln darauf.

‚Das müssen Menschen sein!‘, dachte sich der kleine Drache.
Die Menschen umkreisten ihn und sahen ihn komisch an, da fragte sie der kleine
Drache:
‚Hallo, ihr Menschen! Wollt ihr meine Freunde sein?‘
Einer der Menschen hatte einen kurzen, glänzend silbernen Stab dabei. Mit
diesem Stab piekte er den kleinen Drachen in die Seite.
Der kleine Drache verspürte auf einmal einen heftigen Schmerz, und als
er sich umdrehte, floss dunkles, rotes Blut aus einer Wunde an seiner Seite.

Da wurde der kleine Drache sehr böse, er nahm den Menschen der ihn gepiekt
hatte und riss ihn in zwei Teile, sodass das Blut zu allen Seiten wegspritzte.
Auf einmal zogen die anderen Menschen auch alle silberne, glänzende Stäbe
und begannen, auf den kleinen Drachen loszugehen.
Da wurde der kleine Drache noch viel wütender, denn er hatte den Menschen
ja gar nichts getan. Also schnellte sein Kopf vor und biss dem nächst besten
Menschen in den Oberkörper, nahm ihn hoch und schüttelte ihn solange,
bis sein blutiger Unterleib abriss und weggeschleudert wurde. Angefacht durch
den Geschmack des Blutes, hieb er mit seinen scharfen Krallen nach den kleinen
Kreaturen links und rechts von ihm, und immer, wenn er sie traf, ertönte
ein matschiges Geräusch, und die Körper der kleinen Menschen wurden
zerfetzt.

Nach kurzer Zeit war der kleine Drache von entstellten, menschlichen Körperteilen
umgeben und von seinen scharfen Klauen und spitzen Fängen tropfte rotes
Blut. Gerade zerquetschte der kleine Drache einen weiteren Menschen auf dem
blutgetränkten Boden, als die letzte der komischen, kleinen Kreaturen sich
umdrehte, um zu fliehen.
Da nahm der kleine Drache all seine Kraft zusammen und spie eine blaue Stichflamme,
die den Menschen in seinen eigenen Körpersäften langsam kochte.
Der kleine Drache war sehr stolz auf sich und wollte seine neu entdeckte Kraft
sofort ausprobieren. Er breitete seine Flügel aus und hob ab.
Schon bald entdeckte er aus der Luft eine Ansammlung von komischen Holzgebilden,
die oben mit Stroh bedeckt waren. Überall um sie herum wuselten die kleinen
Kreaturen, die man Menschen nannte. Das war genau das, wonach er gesucht hatte!

Der kleine Drache landete mitten zwischen den Holzdingern und setzte einige
von ihnen mit einem mächtigen Feuerstrahl sofort in Brand. Das machte den
kleinen Drachen unglaublich stolz – endlich hatte er etwas gefunden, womit
er spielen konnte!
Die Menschen versuchten natürlich sofort allesamt zu fliehen… doch sie
würden meinem Zorn niemals entkommen!
Ich spie Feuerwelle um Feuerwelle, und diese miesen, erbärmlichen Kreaturen
vergingen allesamt in dem Flammenmeer, das ich entfachte. Oh, ich hatte Spaß
daran, zuzusehen, wie ganze Familien umkamen, wie sie bei lebendigem Leibe verbrannten
und wie sich mir einige verzweifelte Menschen mit ihren kleinen Werkzeugen entgegenstellten,
nur um von mir zerfetzt zu werden…

Und dann war da dieser kleine Junge, der mich einfach nur anstarrte und sich
kein bisschen rührte. Er starrte mich sogar immer noch an, rührte
sich nicht und sagte kein Wort, als ich ihn aufnahm und dann langsam…“

Drachen
sind zwar sehr gute Geschichtenerzähler, aber wahnsinnig schlechte Pädagogen,
zumindest nach menschlichen Maßstäben.
Denn auf einmal erreichten die Worte, die Kalessan aussprach, auch den mitdenkenden
Teil seines Gehirns, und ihm wurde bewusst, was er da eigentlich redete.
Schockiert wagte der Drache einen Blick in Ninnels Richtung, doch der kleine
Junge war mit einem friedlichen Lächeln auf dem Gesicht eingeschlafen.

Es hätte auch eine von Schrecken verzerrte Grimasse sein können –
Kalessan hatte noch so seine Probleme mit dem Deuten menschlicher Gesichtsausdrücke…

Am
nächsten Morgen wachte Kalessan benommen und mit knurrendem Magen auf.
Der Drache war niemals gerne über einen längeren Zeitraum hungrig
und machte sich auch sofort auf die Suche nach etwas Essbarem. Seltsamerweise
wurde er noch in seiner Wohnhöhle fündig. Geistesabwesend steckte
er sich den kleinen Leckerbissen in sein Maul und lutschte darauf herum, sich
darüber wundernd, da er seine Nahrungsmittel doch sonst immer nur frisch
bezog und nie einlagerte. Da ertönten mit einem Mal die Alarmglocken der
Erkenntnis in Kalessans Kopf und der Drache spie sein Beinahe-Frühstück
schleunigst in seine Pranke, bevor es sich der vernünftigere Teil seines
Gehirns anders überlegte.

Triefend vor draconischem Speichel saß Ninnel in Kalessans Hand und sah
den Drachen vorwurfsvoll an.
„Erzähl mir nicht, dass dein Mund nicht stinkt!“
„Ähm…“
„Wolltest du mich gerade wirklich auffressen?“
„Ähm… nein!“, suchte Kalessan fieberhaft nach einer Ausrede
für seine morgendlichen Anlaufschwierigkeiten, „Ich wollte… dich
nur waschen! Wir Drachen reinigen uns so, verstehst du?“

Ninnels Gesichtsausdruck sagte selbst Kalessan, dass er schon über eine
normale Wäsche nicht sehr erfreut gewesen wäre.
„Ihr fresst euch gegenseitig auf, oder wascht ihr euch wirklich so?“,
fragte der Junge.
„Habe ich dich aufgefressen?“
Ninnel überlegte kurz:

„Nun… nein?“
„Also habe ich dich gewaschen, siehst du!“
„Ich fühl mich aber gar nicht sauber!“
„Halt den Mund!“, entgegnete der Drache und setzte Ninnel wieder
auf den Boden seiner Höhle, um sich Gedanken darüber zu machen, wo
er jetzt etwas zu Essen herbekommen könnte, ohne den Jungen zur Lösung
dieses Problems verwenden zu müssen. Einige Sekunden lang herrschte Stille,
bis Ninnel das Schweigen unterbrach:

„Du, Onkel Kalessan?“
„Ja?“, antwortete der Drache entnervt.
„Das war eine schöne Geschichte gestern Abend!“
„Halt den… oh… danke!“, sagte Kalessan, sichtlich überrascht.
„Warst du das in der Geschichte?“

Der Drache fuhr zusammen und giftete den Jungen an:
„Wie weit hast du mitgehört?“
Ninnel zuckte mit den Schultern.
Kalessan schnaubte, drehte sich von dem Kind weg und hielt es für besser,
dessen Frage nicht zu beantworten, als schon die nächste kam:
„Du, Onkel Kalessan?“

„Ja?“
„Meine Kleider sind ganz nass, ich brauche neue!“
Der Drache stöhnte auf. Wer hatte denn schon mal davon gehört, dass
einem roten Drachen statt Jungfrauen zusätzlich zu vegetarischen Nahrungsmitteln
sogar noch Kleider als Opfergaben dargebracht wurden? Er beschloss, wieder auf
jene guten, alten Methoden zurückzugreifen, wenn er die ganze Sache hier
hinter sich gebracht hatte – es galt, einen Ruf zu wahren!
Wenigstens musste er beim Besorgen von Kleidung und Nahrungsmitteln nicht mit
diesem Quälgeist zusammen sein…

Als
die folgenden Tage vergingen, pendelte sich eine gewisse Form der Beziehung
zwischen Kalessan und Ninnel ein, die am ehesten mit der Beziehung zwischen
Haustier und Herrchen zu vergleichen ist. Leider konnten sich beide Parteien
nicht darauf einigen, welcher von ihnen denn nun das Haustier sei.
Kalessan entdeckte, dass Ninnel durchaus zu ertragen war, wenn der Drache ihm
Geschichten erzählte. Und ein Wesen, das schon mehrere Millennien auf dem
Buckel hat, kann so einiges an Geschichten erzählen, wobei Kalessan jedoch
darauf achtete, nicht mehr allzu persönlich in seinen Ausführungen
zu werden und wichtige Details über seine Rasse und sein Leben wohlweislich
vorzuenthalten.
Ninnel wurde einigermaßen ruhig gehalten, sein Nachschub an Versorgungsmitteln
und Kleidung war gesichert und Kalessan begann, ein Interesse an dem Jungen
zu entwickeln, das immerhin dem eines Insektenforschers gegenüber einer
Zecke gleicht, die sich an seinem Körper festgesaugt hat.
Es war eigentlich ein Zustand, der in dieser Form hätte beibehalten werden
können, hätten sich nicht die Ereignisse der zweiten Woche auf einmal
überschlagen…

Kalessans
Geruchsinn und Gehör hatten ihm schon einige Zeit vorher die folgende Begegnung
angekündigt, und normalerweise war er ein wenig Unterhaltung dieser Art
nicht abgeneigt, dennoch hätte er es in diesen paar Wochen lieber vorgezogen,
eine derartige Begegnung zu vermeiden. Sie wurde eingeleitet mit den Worten:
„A-HA, übles Echsenmonster, euer letztes Stündlein geschlagen.
Flehet um Gnade, und ich verspreche euch, bei meiner Ehre, dass ich es schnell
machen werde!“
„Och nö, einer von denen!“, dachte sich Kalessan und nahm sich
den Drachentöter mal näher unter die Lupe. Wie zu erwarten war, trug
er eine blendend strahlende und aufpolierte Ritterrüstung, die in goldenen
Farben leuchtete und einen gleichfarbigen Helm, dessen Visier momentan hochgeklappt
war und ein babypopoglattes Gesicht mit kantig geschnittenen Zügen offenbarte.
Die Berufung des Drachentöters wurde noch von seiner langen Lanze sowie
seinem Schild, auf dem ein Drache in einem durchgestrichenen, roten Kreis abgebildet
war, unterstützt.

Das Pferd, auf dem er saß, stand offensichtlich unter Drogen – ansonsten
hätten auch keine 10 Pferde es in Kalessans Höhle bekommen, was ja
sowieso schon ein Widerspruch in sich ist. Auf der anderen Seite würde
ein unter Drogen stehendes Pferd dem Ritter wenig Nutzen im Kampf sein, es musste
sich also um ein ausgebildetes, erfahrenes Tier handeln, dessen Angstschweiß
Kalessan nichtsdestotrotz lieblich duftend in die Nase stieg – wer konnte
es dem armen Tier verübeln? Ein Reittier verrät häufig eine Menge
über seinen Reiter – bei jenem Ritter und seinem Ross handelte es
sich also um ein eingespieltes, mit Drachen erfahrenes Team, was somit ein wenig
vorsichtiger zu behandeln war als der ganze restliche Heldenschund.

Kalessan fand, dass es an der Zeit war, etwas zu sagen:
„Oh, bitte nicht heute, könnten wir dieses Treffen nicht ein wenig
verschieben? Seht ihr denn nicht, dass ich gerade damit beschäftigt bin,
dem Kleinen hier eine Geschichte zu erzählen?“
Ninnel winkte dem Ritter grinsend zu. Dessen Augen weiteten sich vor Schrecken.
„Ihr habt einen kleinen Jungen entführt? Ihr garstiges Monster, dafür
werdet ihr noch heute in der Hölle schmoren! Seid unbesorgt, kleiner Junge,
ich werde euch aus den Klauen dieses Drachen befreien!“

„Wollt ihr mal wissen, wie oft ich diesen Satz in genau demselben Wortlaut
in meinem Leben schon gehört habe?“, erwiderte Kalessan, „Genau
164mal, diese Begegnung hier mitgerechnet. Und genauso viele kleine Jungen wurden
nicht aus meinen Klauen befreit, also, ihr dürft euch jetzt entfernen
– heute ist euer Glückstag!“
„Faule Reden von gespaltenen Zungen! Ihr könnt mich mit eurer Prahlerei
nicht ängstigen! Denn sehet: die Anti-Drachenlanze – sie hat noch
jedem eurer Rasse, der sich mir in den Weg gestellt hat, den Garaus gemacht!
Außerdem bin ich in meinem Auftrag nicht alleine: Mein Gott Helmchen ist
mit mir, er wird mich in diesem Kampf beschützen!“

„Boah, ein Kampf – wirst du gegen den Mann da kämpfen, Onkel
Kalessan?“, rief Ninnel freudig aus.
„Halt du dich da raus, Junge! Hört mal, Ritter, ich will keinen Ärger
vor dem Kleinen hier. Also, wer hat euch angeheuert und wie hoch ist seine Bezahlung?
Ich zahle euch das Doppelte!“, brachte Kalessan mühsam hervor, mit
dem Hintergedanken, später von Karlmax das Dreifache zurück zu verlangen.
„Ihr könnt das schmutzige Geld aus eurem Hort behalten, Drache, ich
will es nicht! Ich arbeite für die Ehre, für Helmchen und momentan
für die liebreizende Lady Syrop, die euren Kopf verlangt hat!“

Kalessan seufzte – diese Konfrontation war also nur auf eine Art und Weise
zu lösen. Den Namen Syrop musste er sich wohl mal merken. Ein Exempel zu
statuieren würde sicherlich eine spaßige Aufgabe werden. Momentan
erinnerte er sich jedoch an Karlmax‘ Bitte, seinen Sohn mit allzu schrecklichen
Gewaltdarstellungen zu verschonen und wandte sich an den Jungen:
„Pass auf, wir spielen mit diesem Herren hier jetzt mal eine Runde Verstecken,
ja? Du drehst dich gleich um und zählst laut bis… 48, dann darfst du
den Ritter in dieser Höhle suchen gehen. Aber du darfst dich kein einziges
Mal vorher umdrehen, egal was du von uns beiden hören solltest, ansonsten
ist das ganze Spiel verdorben! Verstanden?“
Ninnel nickte aufgeregt.

Dann sprach Kalessan erneut zum Ritter:
„In Ordnung Ritter, wir beide sind bereit, es kann losgehen! Und im Übrigen
werdet ihr nach näherer Untersuchung feststellen können, dass meine
Zunge entgegen aller öffentlichen Vorstellungen nicht gespalten
ist.“
Damit nickte er Ninnel zu, der sich umdrehte, die Augen zuhielt und mit dem
Zählen begann:

„1…“
Gleichzeitig war der Kampfschrei des Ritters sowie das Wiehern seines Pferdes
und lautes Hufgetrappel zu hören, dann das mächtige Rauschen eines
großen, sich schnell bewegenden Körpers, das Splittern von Holz,
ein kurzes „BUH!“ von einer tiefen, machtvollen Stimme, das erneute,
diesmal von Angst erfüllte Aufwiehern des Pferdes, ein dumpfer Aufprall,
sich rasch entfernendes Hufgetrappel.
„Meine Lanze! Mein Pferd!“

„20…“
„Na wartet – sehet: das Anti-Drachenschwert!“
„24…“
Das Geräusch schabenden Metalls, Fußgetrappel, von scharfen Gegenständen
durchschnittene Luft, das Bewegen des großen Körpers, das Stöhnen
und die Rufe des Ritters, der Aufprall von Metall auf einen anderen, harten
Körper.

„Aber das Schwert… warum… warum wirkt es nicht?“
„37…“
Die blitzartige Bewegung einer großen Masse, ein kurzes *klong*, ein Aufstöhnen
des Ritters, das lange Schliddern eines metallischen Gegenstands auf dem Boden.
„Nein, nicht auch noch mein Schwert!“
„43…“

Das kurze, unangenehme Geräusch von spitzen Gegenständen auf glatter
Metalloberfläche, ein erneuter, panischer Aufschrei des Ritters.
„45…“
Ein dumpfes Grollen, das Geräusch von etwas sehr großem, sich
öffnendem
.

„46…“
„Nein, bitte, tut das n…“
Die Stimme des Ritters wurde gedämpft.
„47…“
*GLUCK*
„48… ICH KOMME!“

Ninnel machte die Augen auf und drehte sich um. In der Höhle stand Kalessan,
als ob nichts geschehen wäre und sah ihn nervös-freundlich an. Der
Junge begann, die Höhle nach dem Ritter zu durchsuchen. Es dauerte allerdings
nicht lange, bis er bemerkte, dass es in Kalessans Wohnraum keinerlei Nischen
und überhaupt jegliche Art von Versteck gab, außer vielleicht unter
Ninnels Bett, aber dort lag der Ritter auch nicht.
„Hat er sich vielleicht in deiner Schatzkammer versteckt?“
„Ähm… nein!“
„Und ist er vielleicht nach draußen gegangen?“

„Nein!“
Ninnel sah enttäuscht aus.
„Dann weiß ich auch nicht, wo er ist – kannst du mir nicht
einen Tipp geben? Bittebittebitte!“
„Na gut, ähm… ich habe… ihn weggezaubert, du kannst ihn gar nicht
finden! War ein kleiner, fieser Scherz von mir, haha.“, sagte Kalessan.

Der Junge machte sofort große Augen.
„Boah, du hast ihn echt weggezaubert? An einen anderen Ort?“
„Ähm… in gewisser Weise, ja…“
„Kannst du mich auch mal wegzaubern? Bittebittebitte, Onkel Kalessan!“
„Das würde ich liebend gerne machen, aber ich fürchte, deine
Eltern hätten etwas dagegen.“

Der Drache hasste es, wenn Ninnel mit seinen großen, flehenden Augen ihn
so bittend anstarrte, gerade so als ob es ihm gefallen würde, das Schicksal
jenes Ritters zu teilen… dass er die gleiche Blutgruppe wie sein Vater hatte,
machte es für Kalessan auch nicht einfacher.
„Kannst du dann den Ritter wieder herholen, ich will noch mal Verstecken
spielen, diesmal aber ohne Wegzaubern!“
„Ähm… ich fürchte, dieser Ritter ist jetzt leider zu beschäftigt,
um noch mit dir spielen zu können, tut mir leid.“, sagte Kalessan
und rülpste laut und voluminös.

Das Kind setzte einen entrüsteten Gesichtsausdruck auf:
„Meine Mama hat gesagt, das gehört sich nicht!“
Der Drache zog eine Augenbraue hoch:
„Pah, das ist mal wieder typisch für eure Spezies, nur aus Höflichkeitsgründen
ganz normale Körperfunktionen zu unterdrücken – wenn du so etwas
unterdrückst, dann verleugnest du dich selbst, Kleiner!“

Er traf auf zwei große Abgründe der Verständnislosigkeit in
Form von Ninnels Augen.
„Und wo ist das Pferd von dem Ritter?“, wechselte der Junge schnell
wieder das Thema.
Kalessan dachte an sein privates Wolfsrudel im nahe liegenden Wald, das mittlerweile
ziemlich ausgehungert sein dürfte.
„Auch weggezaubert.“

„Och menno, das ist doof, keiner will mit mir spielen!“, entgegnete
Ninnel enttäuscht und trat einen kleinen Stein auf dem Boden weg. Sein
Blick hellte sich jedoch sofort auf, als der Stein beim Aufprall ein kleines
*klonk* von sich gab und er das Schwert des Ritters in der Höhle liegen
sah. Sofort rannte er hin, hob die Waffe unter Aufbietung aller seiner Kräfte
auf und richtete sie auf Kalessans Brust.
„Ha HA, sieh mal, ich bin ein gefährlicher Drachentöter!“,
rief er freudig aus.
Kalessan verdrehte die Augen.
„Führ mich nicht in Versuchung, dich doch noch wegzuzaubern, ja?“

„Hä?“
„Gib mir einfach die Waffe, jemand wie du sollte nicht mit so etwas herumspielen.“,
seufzte der Drache und nahm Ninnel das Schwert weg, was dieser mit einem beleidigt-enttäuschten
Blick quittierte. Glücklicherweise wusste er es besser, als jetzt mit einem
großen Heul- und Schreikrampf anzufangen. Stattdessen fragte er:
„Kannst du mir vielleicht beibringen, wie man mit einem Schwert kämpft?“
„Ich könnte es vielleicht, aber ich würde es selbst dann nicht
tun, wenn ich die Erlaubnis von deinem Vater hätte. Denn wie du siehst,
bin ich ein großer, Furcht einflößender Drache und habe nicht
die allergeringste Lust, noch so einen Möchtegern-Drachentöter heranzuzüchten,
der nach meinem Blut lechzt und nach dem Kampf mit mir eh nur winselnd und ängstlich
am Boden kriecht.“

Ninnel reckte trotzig das Kinn in die Höhe.
„Ich werde mal Drachentöter, wenn ich groß bin – dann
musst du vor mir Angst haben und mir gehorchen und vor mir auf dem Boden kriechen!
Dann kann ich machen, was ich will. Und dann habe ich ein eigenes Schwert!“
Kalessan hatte schon befürchtet, dass er so etwas sagen würde.

„Meinetwegen. Wenn du mal groß bist und das hier immer noch nicht
verdaut haben solltest – ich warte auf dich! Für heute gibt es jedenfalls
keine Geschichten mehr – du kannst ja mal darüber nachdenken, wie
wichtig es wirklich für dich ist, ein Drachentöter zu werden!“
Mit diesen Worten wendete er sich von dem Kind ab, legte die Klinge zu den Aberhunderten
anderer Anti-Drachenschwerter in seiner Schatzkammer und versiegelte den Raum
wieder.
Ninnel würde heute unausstehlich werden…

Ein
jeder kennt diese Tage, an denen einem hintereinander nur grauenhafte Dinge
passieren und man sich so vorkommt, als ob ein riesengroßer Hammer der
Negativität einen langsam und Stück für Stück in die Wand
der vollkommenen Verzweiflung nageln würde. Kurzum, es scheint so, als
hätten sich sämtliche Götter gegen einen verschworen.
Kalessan kannte die Götter… mit einigen von ihnen traf er sich sogar
mehr oder weniger regelmäßig zu einem kleinen Plausch. Ihnen schob
er also nicht die Schuld in die Schuhe für einen dieser Tage, der in diesem
Fall schon mit einem besonders miesen Traum begann:

Ein alter Mann saß inmitten von zwei Dutzend schreienden Kindern und lächelte
sie an, während sie fröhlich kreischten und in die Hände klatschten.
„Oh bitte, erzähle uns noch eine Geschichte!“
„Ja, erzähl uns noch eine Geschichte!“

„Oh ja, bittebittebitte!“, tönte es von allen Seiten her.
Der alte Mann lachte laut auf und strahlte die Kinder ringsum nur noch freundlicher
grinsend an.
„Aber natürlich, ihr kleinen Racker. Also, passt auf: Es war einmal
ein kleiner, roter Drache…“
Die Kinder unterbrachen ihn im Chor:
„Die Geschichte, wie du von den Menschen grundlos angegriffen wurdest
und ihr Dorf vernichtet hast, kennen wir aber schon!“

„Genau, erzähl lieber noch mal die Geschichte, wie die Menschen deine
Partnerin und alle deine Jungen umgebracht haben!“
„Ja, genau! Bitte, Onkel Kalessan!“
„Ja, bitte, Onkel Kalessan!“
Onkel Kalessan…
Onkel Kalessan…
Kalessan…

„Onkel
Kalessan?“
Der Drache schreckte hoch. Die zwei Dutzend Kinder verschmolzen zu einem einzigen,
das direkt vor Kalessans Schnauze stand.
„Wasch?“, murmelte der Drache, vom alleinigen Anblick des Quälgeistes
schon vollkommen entnervt.
„Du hattest einen Albtraum und warst sehr laut.“, sagte Ninnel,
der anscheinend ebenfalls unfreiwillig geweckt wurde und noch seinen ihm viel
zu großen, anscheinend sündhaft teuren Schlafanzug trug, den Kalessan
als „Geschenk“ aus einer der umliegenden Städte erhalten hatte.

„Oh… Habe ich irgendwas verdächtiges gesagt, wovon du nichts erfahren
solltest?“
„Nein, du hast mich nur geweckt.“, erwiderte der Junge vorwurfsvoll.
„Na dann ist ja alles in Ordnung.“, entgegnete Kalessan und gähnte
herzhaft.
Ninnel hielt sich die Nase zu und starrte in den Schlund seines Aufpassers.
„Du hast da lauter Stofffetzen zwischen den Zähnen!“

Kalessan schloss seine Kiefer hastig.
„Oh… ähm… wo kommen die denn her?“
So langsam hatte der Drache es satt, seine Vorlieben für fleischliche Genüsse
vor dem Jungen geheim zu halten.
„Hast du etwa einen Menschen aufgefressen?“
„JA, DAS HABE ICH!“

So, jetzt war es raus… eine ehrliche Frage, eine ehrliche Antwort… da konnte
er genauso gut weitermachen:
„Ich habe schon hunderte Menschen gefressen, ach was, tausende, sogar
so kleine Grünschnäbel wie dich – und ich habe dabei nicht mal
mehr mit der Wimper gezuckt, sondern genossen, wie sie geschrieen und gebettelt
und gezappelt haben und wie ihre Knochen zwischen meinen Zähnen knackten.
Ich mag den Geschmack ihres Fleisches, ihres Blutes und ihre kleinen unbehaarten
Körper, die einem nicht so schwer im Magen liegen wie das ganze andere
Gewusel auf diesem verdammten Planeten. Na, wirst du nun winselnd auf dem Boden
kriechen, weil du jetzt weißt, dass ich ein übler, gewalttätiger
Menschenfresser bin?“
„Kommt drauf an: Wirst du mich jetzt auch fressen?“

„So sehr ich deine kriecherische Rasse und vor allem anderen dich
verachte – nein! Ich habe deinem Vater etwas versprochen und ziehe das
jetzt auch durch.“
„Na dann ist ja alles in Ordnung!“, erwiderte Ninnel fröhlich
und löste seinerseits fast einen Schockzustand bei Kalessan aus.
„Was soll das heißen… ich habe dir gerade eröffnet, dass
ich schon unzählige Menschen umgebracht habe und du hast immer noch keine
Angst vor mir?“

„Nun, von irgendwas musst du ja leben… außerdem hast du gerade
auch gesagt, dass du mich nicht fressen wirst, warum sollte ich also Angst haben?“
Weil ich dich auf hunderte andere Arten umbringen könnte!, dachte
sich der Drache, sprach diesen Gedanken aber nicht laut aus, sondern starrte
nur verblüfft auf den kleinen Jungen, der sich unbesorgt von ihm abwandte
und mit anderen Dingen beschäftigte.
Dies war wohl die berühmte Unbeschwertheit eines Kleinkindes…
Wäre die Welt doch nur so simpel!

Nun, anscheinend würde sich der Drache in seinen Eigenarten jetzt doch
nicht so drastisch zurückhalten müssen, wie er es die ganze zurück
liegende Zeit zu Ninnels Anwesenheit in seiner Behausung getan hatte… es sah
so aus, als würde der folgende Tag doch gar nicht so schlecht werden.
Doch wie schön wäre das gewesen…

Die
seltsamsten Ereignisketten werden manchmal durch die unpassensten Sätze
begonnen. In diesem Fall lautete der Satz: „Lieferung für Kalessan!“

Dies war zunächst nicht verwunderlich, da an jenem unheilvollen Tag genau
eine Woche vergangen war, seitdem der Drache auch Doofdorf, eine weitere Siedlung
in seiner Umgebung, freundlich dazu gebeten hatte, ihm wöchentlich Opfergaben
zu bringen. So viel Freundlichkeit kann kein Dorf widerstehen, von daher kam
die Lieferung der verlangten Nahrungsmittel auch äußerst rechtzeitig.
„Stellt das Zeug einfach irgendwo hier hin, meidet dabei die Pfützen
und haut dann wieder ab, ja?“
Kalessan sah sich die beiden Herren, die die bunt geschmückten Körbe
voll vegetierender Nahrungsmittel mitbrachten, genau an. Normalerweise wurde
diese Aufgabe von unbeliebten, dreckigen und vor allem entbehrlichen Dorftrotteln
erledigt, diese beiden schienen jedoch recht kräftig zu sein. Außerdem
hatten sie beide exakt die gleiche, uniformähnliche Kleidung an, auf die
groß die Buchstaben „LL“ aufgestickt waren. Kalessan ging
im Kopf schnell alle bekannten Wappen von Rittern und Drachentötern durch
und untersuchte die Menschen auf Anzeichen von alten Drachentötertricks.
Als er nicht fündig wurde, fragte er nach:

„Wofür steht das ‚LL‘ auf eurer Kleidung?“
„Wat? Oh, dat steht für ‚Lennys Lieferungen‘, Zustelldienst
alla ersta Jüte, zu Diensten!“
„Oh toll, freut mich… ihr dürft euch dann jetzt verpissen!“
„Eenen Moment noch, Meesta, wat solln wa’n mit der Jungfroo da machn?“,
erkundigte sich der Zusteller.

Erst jetzt bemerkte Kalessan die an einen Holzpfahl gefesselte Frau, die von
einem dritten Zusteller auf einem kleinen, rollbaren Gefährt herein geschoben
wurde. Angesichts des offensichtlichen Alters der Frau von über 50 Jahren
hätte die Bezeichnung Jungfrau jedoch unzutreffender nicht sein
können.
„Was soll das werden, ich habe gar keine Jungfrau bestellt. Und schon
gar nicht so eine alte Schrulle wie die da!“, empörte sich Kalessan
bei dem obersten Zusteller.
„Hey, das habe ich gehört, Schätzchen!“, rief die Jungfrau
aus.

„Ick hab ooch nur meene Anweisungen, weeste, und ick wees ooch nich, wat
ick mit so ner alten Schraube anfangen soll. Also, wohin mit dem Teil?“
Kalessan hatte absolut keine Lust, sich jetzt mit einem derartig grauenhaften
Akzent weiterhin auseinanderzusetzen und entgegnete:
„Na gut, na gut, stellt sie da drüben ab.“
Der Zusteller tat, wie ihm geheißen ward. Damit war anscheinend schon
alles in der Höhle abgeliefert, was die drei Herren dabei hatten. Dennoch
schienen sie noch nicht zu beabsichtigen, Kalessans Behausung zu verlassen.
„Jut, dat macht dann Eensfuffzich Bearbeitungsjebühr biddesehr.“,
ließ sich der oberste Zusteller vernehmen.

„Bitte, was?“
„Na, wir machen unsre Arbeit ja ooch nich umsonst, wa?“
„Ja toll, aber von mir werdet ihr kein Geld bekommen, also haut ab!“,
giftete Kalessan die Menschen an.
„Was wollen die Männer da von dir?“, fragte der anscheinend
gerade erneut aus seinem Bett gekrochene Ninnel.
„Gar nichts wollen die. Gar nichts bekommen die!“

„Jetz hör mal zu, Meesta, so wie ick det sehe, is dat hier ne bereits
bezahlte Nachnahmebestellung, in der aber noch nich die Bearbeitungsjebühr
für unser Unternehmen enthalten war, und ick werd diese Höhle hier
nich verlassen, bis ick die ausjezahlt bekommen hab, klar? Wennde willst, kannste
det Finanzielle ja jerne mit den Absendan rejeln, ick will jetz jedenfall meen
Jeld habn!“
„Sag mal, ist dir eigentlich klar, was du hier vor dir hast und mit wem
du so unverfroren sprichst?“, zischte der Drache.
„Du kannst mir natürlich jerne drohen, aber ick sach dir, mit den
Jewerkschaften willste dir ooch nich anlejen! Und vor dem Kleenen da willste
uns doch sicherlich nüscht antun, nich oder?“
„Ha, jetzt hat er dich aber dran bekommen, Schätzchen!“, warf
die Jungfrau ein.

„Du da drüben hältst mal brav die Klappe, ja?“
Eine Stimme ertönte:
„A-HA, übles Echsenmonster, so habe ich euch doch noch gefunden.
Nun hat euer letztes Stündlein geschlagen!“
Oh nein!, dachte sich Kalessan, als der dazu passende Ritter, der ein
Zwilling zu dem letzten Eindringling hätte sein können, seine Höhle
betrat.

„Und was muss ich da sehen! Ihr schändliches Untier haltet eine holde…
Jungfrau?… ähm… gefangen und dazu noch… drei Lieferanten von ‚Lennys
Lieferungen’…?“
„Oh, schau mal, Onkel Kalessan, noch ein Ritter zum Webzaubern!“,
rief Ninnel freudig aus.
Der Drachentöter keuchte, schien aber angesichts dieser wirklichen Greueltat
seine Fassung wieder zu gewinnen:
„Ihr habt einen kleinen Jungen entführt? Ihr garstiges Monster, dafür
werdet ihr noch heute in der Hölle schmoren! Seid unbesorgt, kleiner Junge,
ich werde euch aus den Klauen dieses Drachen befreien!“

„165…“, dachte sich der Drache.
„Die edle Lady Syrop hat also richtig daran getan, mich mit dieser Aufgabe
zu betreuen!“
„Wer zur Hölle ist diese Lady Syrop eigentlich?“, unterbrach
Kalessan den Drachentöter verwirrt.
„Das tut jetzt nichts zur Sache, ihr solltet nur ihren Namen wissen, bevor
ich euch umbringe!“
„Ey, aber erst will ick meen Jeld haben, damit dat klar is, ja?“

Ein weiterer Mensch betrat die Höhle:
„Boah, ein Drache!“
Der Kleidung nach zu urteilen, schien es sich um einen jungen Mann aus einer
anderen Dimension zu handeln – ganz genau das, was Kalessan jetzt noch
brauchte!
„Wow, ein Drache wird mich auf meine Weltenrettermission schicken, das
ist ja so cool!“
„Aber ich war zuerst da, Fremder aus einer anderen Dimension, von daher
werde ich ihn umbringen, bevor er euch auf so eine unheilige Mission schicken
kann!“, erwiderte der Drachentöter.

„Und was soll ich dann hier?“, fragte der Reisende.
„Hey, ich habe meine besten Kleider extra für diesen Anlass angezogen,
und ich bin nicht einfach nur zum Spaß hierher gekommen!“, rief
die Jungfrau dazwischen, deren Kleidung sich bei genauerem Betrachten als bemerkenswert
schäbig entpuppte.
„Jenau, und wat is dann mit meenem Jeld, wie soll ick dat dann bitte bekommen?“
„Ja, und was ist mit meinem Geld?“, erkundigte sich die
nächste Gestalt, die die Höhle betrat und sich als der alte Angestellte
aus Kalessans Wald entpuppte, der offensichtlich sein Gehalt einfordern wollte.

Kalessans Augen zuckten nervös von einem Menschen dieser kleinen Ansammlung
in seiner Höhle zum anderen – sein rechtes Augenlid begann, unkontrolliert
zu zittern.
„Oh, ihr seid doch der alte Mann, der mich hier hereingeschickt hat!“,
sagte der transdimensional Reisende zum Alten.
„Hmja, ich sehe schon, der Drache hatte anscheinend noch keine Möglichkeit,
sich mit euch zu… beschäftigen… nun, sieht so aus, als müsste
er mir zuerst meine Bezahlung geben, ansonsten geschieht hier gar nichts!“,
gab dieser zurück.

„Oh, er bezahlt euch dafür, dass ihr Leute zu ihm schickt? Warum
denn?“
„Ähm… vergesst es!“
„Du, Onkel Kalessan, was wollen die denn alle hier?“
Kalessans linkes Augenlid begann nun ebenfalls zu zucken.
„Kommen wir jetzt langsam mal voran? Ich habe heute noch zwei Duelle zu
bestreiten und eine bösartige Räuberbande auszulöschen, mein
Terminkalender lässt keinen Platz für Verspätungen!“, machte
sich der Ritter lautstark kund.

„Und wir ham heute ooch noch die eene oder andre Lieferung zu machen,
näch?“
„Ich werde langsam steif an diesem ollen Pfahl hier!“
„Ich kann es kaum erwarten, diese Welt vor dem Bösen zu retten!“
„Und ich kann es kaum erwarten, endlich mal wieder meine wohlverdiente
Bezahlung zu bekommen!“
„Du, Onkel Kalessan, ich habe Hunger!“

Alle Blicke richteten sich erwartungsvoll auf den Drachen, dessen ganzer Kopf
nun sichtbar vibrierte.
Kalessans Ausbruch traf sie schnell, hart und vor allem unerwartet.

In
einem Ausbruch verzweifelter Gutmütigkeit zahlte er den Alten und die Lieferanten
aus, vereinbarte einen neuen Termin mit dem Drachentöter
(„Und was ist, wenn ihr eure Gefangenen in diesem Zeitraum umbringt? Das
kann ich nicht zulassen!“
„Aber dann fällt eure Rache doch nur umso schrecklicher aus, nicht
wahr?“

„Oh ja – also wagt es nicht, Echse!“)
und schickte den Fremden aus der anderen Dimension auf eine Reise. Doch diesmal
war es ausnahmsweise nicht die Reise in Kalessans Magen, sondern wirklich in
einen anderen Teil des Kontinents:
„Also passt auf, ihr nehmt diesen Brief hier und übergebt ihm einem
anderen Vertreter meiner Art namens Morkulebus dem Schwarzen. Ihr findet ihn
in den finsteren Sümpfen des Schwarzen Todes.“
„Boah, das hört sich voll cool an! Und was muss ich dann machen?“

„Morkulebus wird wissen, was mit euch zu tun ist – nur dürft
ihr diese wichtige Botschaft niemals verlieren und niemand außer Morkulebus
darf sie lesen, nicht einmal ihr selbst!“
„Aha, und wo sind diese finsteren Sümpfe des Schwarzen Todes?“,
fragte der Reisende.
„Ähm… das herauszufinden ist Bestandteil deiner gefahrvollen Reise.
Ich kann dir nur die Tür zeigen, hindurchgehen musst du selbst –
sie ist da drüben, und jetzt hau ab!“, fuhr Kalessan ihn mit den
letzten Worten an.

Der Fremde ließ sich ein letztes „Cool!“ vernehmen, packte
den Brief stolz in seine Hosentasche und machte sich frohen Gemüts auf
seine gefahrvolle Reise in die finsteren Sümpfe des Schwarzen Todes.
Den Großteil der ungewollten Besucher war Kalessan damit los. So blieb
nur noch eine Person übrig:
„Finde ich ja ganz toll, wie du die alle abgewimmelt hast, Schätzchen.
Kannst du dich jetzt vielleicht auch mal um mich kümmern, ist nicht gerade
sehr angenehm, wenn man so lange auf seinen Tod warten muss.“, sagte die
Jungfrau mit ihrer heiseren, rauchigen Stimme.

„Oh, wirst du sie jetzt fressen, Kalessan?“
„Sei ruhig, Ninnel! Und du da kannst mir nicht wirklich verklickern, dass
du noch eine Jungfrau bist.“, richtete sich der Drache an die immer noch
an ihren Holzpfahl angebundene, angebliche Jungfrau.
„Bin noch so frisch wie am ersten Tag, Schätzchen. Rein und unversehrt,
zart und schmackhaft.“
„Deine Opferbereitschaft ist wirklich hinreißend. Du hast nicht
zufällig sämtliche Taschen mit Kalk vollgestopft, der sich in meinem
Magen ausdehnen und mich verrecken lassen sollen?“

„Ähm… nein?“, antwortete die sichtlich überraschte und
nun nicht mehr ganz so selbstbewusste Jungfrau.
„Erstens habe ich schon bessere Lügner gesehen, zweitens stinkst
du überall nach dem Zeug und drittens funktioniert es sowieso nicht. Außerdem
hätte ich dich eh nicht gefressen, mit diesem Quälgeist in meiner
Nähe…“
„Och, warum denn Kalessan – ich will sehen, wie du sie frisst! Och
bitte, mir zuliebe!“, bettelte Ninnel lautstark.

„Danke für deine Unterstützung, Kleiner!“, entgegnete
die Jungfrau säuerlich.
„Ich sagte, dass du den Mund halten sollst, Winzling!“, brauste
Kalessan auf, der den Stress von vorhin anscheinend noch nicht ganz verarbeitet
hatte.
„Ich will das jetzt aber sehen! Ich will, ich will, ichwillichwillichwill…“
„Wenn du nicht sofort ruhig bist, dann setzt es was, Kleiner!“,
knurrte der Drache drohend.

„Ichwillichwillichwillichwillichwill…“
Einer von Kalessans Nervensträngen riss innerlich mit einem lauten Knall.

Der Drache schlug zu.
Der Junge war still.
„Na endlich ist Ruhe!“, sagte Kalessan, der sich wieder der Jungfrau
zuwandte, welche schockiert auf den Jungen starrte.

„Wie… wie konntet ihr nur?“
„Manchmal muss man halt harte Maßnahmen ergreifen, wenn man seinen
Willen durchsetzen will… Schätzchen!“, fügte der Drache in
spottendem Tonfall hinzu.
„Aber… aber er war doch noch ein kleines Kind!“
„Ja, und jetzt gibt er endlich Ruhe!“
Weil ihr ihn enthauptet habt!

Kalessan sah Ninnel an. Der ungewöhnlich schlaffe Körper des Jungen,
eine sich ausbreitende, rote Pfütze und nicht zuletzt der mehrere Meter
entfernt liegende Kopf des Kindes, welcher noch immer eine sehr erwartungsvolle
„Ichwill…“-Miene trug, sprachen nicht gerade für Kalessans
Unschuld.
Menschen umbringen war ja normalerweise schön und gut, doch diesmal empfand
er an seiner Tat keine Freude, vielmehr drängte sich ihm die nagende Erkenntnis
auf, dass er für diesen Mord ernsthafte Konsequenzen würde tragen
müssen.

In einer fließenden Kette aus Gedanken wanderten seine Gefühle von
Erschrockenheit über Zufriedenheit, Scham, schlechtes Gewissen und Verzweiflung
bis hin zu dem letztendlich grausamsten Gefühl, bei einer eigentlich simplen
Aufgabe vollkommen versagt zu haben. Die meisten dieser Gefühle hatte er
seit langer Zeit nicht mehr empfunden, und schon gar nicht aufgrund eines Menschen,
den er im Grunde genauso sehr wie jeden anderen, wenn nicht sogar noch mehr,
verachtete – zumindest versuchte er, sich das einzureden.
Während Kalessan jenen Gedanken nachhegte, scheute sich die Jungfrau nicht,
ihn mit den derbsten Ausdrücken zu bekreischen, die sie in ihrem längeren
Leben selbst als Jungfrau bereits aufschnappen konnte. Irgendwann zwischen den
„Mistkerlen“, „kaltblütigen Bastarden“ und „Turnbeutelvergessern“
wurde es auch dem erschrockenen Drachen zu bunt:

„Kannst du auch mal deine verdammte Klappe halten!?“, schrie er.
Die erzeugten Schallwellen alleine reichten bereits aus, um die Jungfrau vor
Schmerzen aufkreischen zu lassen. Fortan hing sie wimmernd an ihrem Pfahl. Eine
Beschimpfung fügte sie den ganzen „Kindermördern“ und
„seelenlosen Monstren“ jedoch noch leise hinzu:
„Ihr seid schlimmer als der schrecklichste Dämon der Hölle!“

*pling*
Versagen hatte Kalessan als Möglichkeit bei allen seinen Handlungen schon
immer ausgeschlossen. Und auch jetzt war nicht der Zeitpunkt gekommen, dies
wieder als Option hinzuzufügen.
Der Drache verwandelte sich, lief in seine Schatzkammer und durchwühlte
sämtliche Truhen und Ansammlungen von Schätzen, die er dort vorfand,
bis er alle Utensilien beisammen hatte, die er benötigen würde. Er
lief zurück in seine Wohnhöhle und zeichnete mit schwarzer Kreide
sorgfältig die erforderlichen Symbole auf eine Stelle des Bodens, die noch
nicht vollgeblutet oder -gepinkelt worden war. Danach stellte er die Kerzen
an den entsprechenden Stellen auf und zündete sie mit der Berührung
eines Fingers an. Schließlich wischte er, um den Vorbereitungen den letzten
Schliff zu geben, eine Ecke des großen Drudenfußes, den er gemalt
hatte, weg. Die Jungfrau beobachtete ihn hasserfüllt und fing wieder an
zu kreischen:

„Was wollt ihr da machen? Schwarze Magie? Eure Hexerei wird die Seele
dieses armen Jungen auch nicht wieder zurück bringen, nur seine seelenlose
Hülle, ihr grausames Stück Sch…“
„HALT den Mund und sei still. Ich kann seine Seele vielleicht nicht zurück
bringen, aber ich kenne jemanden, der das kann. Und ich warne dich, sag jetzt
ja kein Wort – und wenn, dann sprich nur in der Weise wie ich es tun werde,
denn er hat so seine Eigenheiten und ist momentan ziemlich schlecht gelaunt.
Es hat irgendwas mit der… ’neuen Rechtschreibung‘ oder so zu tun,
die ihm ziemlich zu schaffen macht. Wenn dir deine Seele also lieb ist, dann
wirst du ruhig bleiben, denn ich kann dir sonst auch nicht weiter helfen! Ganz
davon abgesehen, dass ich das überhaupt nicht will…“
In der Hoffnung, das Richtige zu tun, wendete sich Kalessan von der nun ruhigen
Jungfrau ab und begann mit der Beschwörung seines „alten Bekannten“.
Blitz, Donner, Nebel, ein großer, schwarzer Pudel und eine gewaltige lyrische
Veränderung kündeten die Ankunft des Herren der Unterwelt an…

MEFISTOFELES
tritt, indem der Nebel fällt, aus dem Pentagramm hervor:
Wozu der Lärm? Was steht dem Herrn zu Diensten?
KALESSAN:
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst

Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;

Mein Pathos brächte dich gewiss zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
MEFISTOFELES:
Hört auf mit diesem Redeschwall
Und sagt mir lieber, alter Freund

Warum ihr mich mit einem mal
Zu euch bestellt in dieser Stund!
Ihr wisst wie ich beschäftigt bin
Drum nennt schnell den verqueren Sinn
Von diesem Anruf – sprechet rasch!

KALESSAN:
Eure Reime sind heut ziemlich lasch…
MEFISTOFELES:
Wer bist du, dass du mich hier tadelst?
KALESSAN:
Nur der, den du mit Freundschaft adelst.

Doch sag: Kennst du den Faust?
MEFISTOFELES:
                                            Den
Doktor? Diesen Wicht?
KALESSAN:
Oh, nein, den Faust, den mein‘ ich nicht!

Der Karlmax ist’s!
MEFISTOFELES:
                        Ach
der, was ist mit dem?
KALESSAN:
Fürwahr! er diente mir auf gar besondre Weise.

Und ist nun grad auf einer großen Reise.
Ihm treibt die Gärung in die Ferne.
Er ist sich seiner Tollheit halb bewusst;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,

Und alle Näh und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.
MEFISTOFELES:
Nun kommt zur Sache!
KALESSAN:
Sein Sohn ist’s, der mein Herz bewegt.

Verzweiflung die sich in mir regt,
Denn tot ist er, durch meine Hand
Starb er, sein Körper liegt dort noch
Doch in mir hab ich anerkannt
Dass sein Tod wie ein großes Loch

In meinem Herzen ist,
Das schnell zu füllen ich gedenke
Indem ich neues Leben schenke.
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Nekromantie!

Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Denn Leben schenken kann ich nicht,
Nicht mal mehr diesem kleinen Wicht.

Drum eurer Hilfe ich bedarf
Wo ich als Freund stets redlich, brav
Die Seelen der durch mich Gefallnen
In euer Reich, die Hölle, schickte.
Eure Hilfe, die ich brauch

Um ihm zu geben Lebenshauch.
Lange Rede, kurzer Sinn
Woran ich interessiert nun bin
Ist, was ihr zu dem Vorschlag meint.
MEFISTOFELES:
Ich bin der Geist, der stets verneint!

Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, dass es zugrunde geht;
Drum besser wär’s, dass nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,

Mein eigentliches Element.
Nun frag ich dich: was ist der Grund
Weswegen ich zu dieser Stund
Den Bengel soll ins Leben rufen
Ich Teufel mit den Pferdehufen?
Doch die Seelen vieler Toter

Gelangten nur durch euch
Mein lieber Roter
Schnell und häufig in mein Reich
Fürwahr!
Drum sei mein‘ einzige Bedingung

Mit der die Seel des Jungen ich errette:
Ein andre Seele, rein und jung
Die ich denn statt des Kindes gerne hätte.
KALESSAN auf die Jungfrau zeigend:
Nehmt diese dort!

JUNGFRAU:
                         Wen – mich?
KALESSAN:
Nun seid jetzt still!
Denn eure Seele ist’s, die dieser Teufel gerne will.

MEFISTOFELES:
Schön ist sie nicht, das ist wohl wahr
Doch innen ist sie rein und klar –
Ich nehme sie!
JUNGFRAU:

                    Er will mich!
KALESSAN:
Und der Junge soll leben!
JUNGFRAU:
Zu Hilf! Ich glaub ich muss mich übergeben!

MEFISTOFELES:
Komm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich.
JUNGFRAU:
So irgendjemand! Rette mich!
Ihr Götter! Ihr heiligen Scharen,
Lagert euch umher, mich zu bewahren!

Kalessan! Mir graut’s vor dir.
MEFISTOFELES:
Sie ist gerichtet!
KALESSAN:
                       Er gerettet!
MEFISTOFELES zur Jungfrau:

                                        Her zu mir!
Verschwindet mit der Jungfrau.
STIMME DER JUNGFRAU von innen, verhallend:
Kalessan! DU AR…!

Normalität
kehrte wieder ein. Kalessan sah sich wieder dazu in der Lage, in normalen Sätzen
zu denken. Sein Blick fiel auf Ninnel, der auf dem Boden lag, als wäre
nichts geschehen. Keine große Blutlache und kein abgetrennter Kopf sprachen
mehr für die begangene Untat.

Ninnel öffnete die Augen sah den Drachen an wie jemand, der gerade am Steuer
in Sekundenschlaf gefallen ist und sich jetzt wundert, dass sein Auto an einem
Baum klebt. Der Junge rappelte sich auf und sah sich um. Dann fragte er:
„Hast du die Jungfrau jetzt aufgefressen?“
„Ähm… ja!“, antwortete der Drache, verwirrt über die
Frage.
„Och menno, ich wollte doch zugucken!“

Entweder
war es von Mefistofeles beabsichtigt gewesen oder Kalessan hatte den menschlichen
Verdrängungsmechanismus katastrophal unterschätzt. Jedenfalls hatte
Ninnel keine Erinnerung mehr an seinen eigenen Tod, geschweige denn die Zeit
danach. Woran er allerdings noch perfekte Erinnerungen zu haben schien, waren
die Minuten kurz vor Kalessans kleinem Ausrutscher. Da der Drache laut eigenen
Aussagen die Jungfrau nach Ninnels Bitten doch noch verspeist hatte, war die
logische Schlussfolgerung des Jungen gewesen, dass er den Drachen doch nur intensiv
nerven müsse, um seinen eigenen Willen durchsetzen zu können.

Kalessan auf der anderen Seite fasste das Kind fortan nur noch mit Samthandschuhen
an und behandelte es wie ein gesprungenes, rohes Ei. Kurzum: jegliche Art der
Kontrolle, die Kalessan über Ninnel in den letzten Wochen gewonnen hatte,
wurde durch diesen verhängnisvollen Tag zerstört.
Ninnel konnte somit machen, was er wollte und Kalessans Nerven lagen blank.
Die Demütigungen, die ihm der Junge in den folgenden Tagen zufügte,
übertrafen beinahe das Gefühl des Versagens, dass der Drache nach
Ninnels Tod empfunden hatte. Doch es waren nun schon einige Wochen verstrichen
und ein Ende dieser schwarzen Tage war in Sicht.
Kalessan sah ein Licht am Ende des Tunnels.
Es entpuppte sich als ein Güterzug.

Da
Kalessan gerade auf dem Rücken lag, machte Ninnel sich einen Spaß
daraus, auf seinem Unterleib auf und ab zu hüpfen. Dies machte dem Drachen,
dem nicht einmal ernsthafte Schwerthiebe an dieser Stelle wirklich etwas anhaben
konnten, rein physisch nichts aus. Dennoch spürte er jeden Hüpfer,
als würde die Faust eines Gottes unablässig auf ihn einprügeln.
„Wenn du weitermachst, erzähl ich das deiner Mutter!“, sagte
er, doch es half nichts.
„Na und?“, antwortete das Kind und machte fröhlich weiter.

Kalessan richtete sich auf und bellte in bedrohlichem Tonfall:
„Wenn du nicht sofort aufhörst, werde ich dich fressen!“
Dies bewirkte, dass Ninnel zumindest ein paar Sekunden aufhörte, bis er
schließlich „Nein, wirst du nicht.“ sagte und einfach weitermachte.
Auf der einen Seite wirkte da die folgende Erscheinung fast erlösend, doch
Kalessan hatte sich bereits damit abgefunden, dass jeder Eindringling wirklich
nur im allerersten Moment eine willkommene Abwechslung darstellte.

„Ähm… Herr… Herr Kalessan?“, ertönte eine fiepsige
Stimme, die Ninnel dazu veranlasste, mit seinem Gehopse aufzuhören und
Kalessan, in die entsprechende Richtung zu sehen.
Ein kleines Wesen mit Augenbrauen, die Finanzminister aller Welten vor Neid
erblassen lassen würden, mit einer Nase, die vom Gurkentisch des nächst
besten Gemüsehändlers geklaut zu sein schien, mit Ohren, die es wahrscheinlich
zum Segelfliegen benutzte und Augen, die größer waren als die von
Spezies, die mehrere Kilometer tief unter der Erde leben, war zunächst
mal sein Gesicht eine absolute Katastrophe. Das Wesen war zudem vier Fuß
groß, hatte eine kränklich-braune Hautfarbe, eine ranzige Tunika
um den Leib gebunden und war so potthässlich, dass jedes Krebsgeschwür
demgegenüber einen Schönheitswettbewerb gewinnen könnte.

Kalessan kannte dieses Wesen nur zu gut – es handelte sich um Deppy, den
persönlichen Hauswürger von Smahug. Würger hießen diese
Wesen, weil dies die erste Reaktion sehr treffend umschrieb, die man beim Kontakt
mit ihnen hatte.
„Bitte, Deppy, sage mir nicht, dass ich das tun soll, was ich jetzt denke,
das könnte böse Folgen für dich haben!“, knurrte Kalessan
und unterdrückte den Würgereiz.

Ninnel schien angesichts dieser Erscheinung zwischen Interesse und Abscheu sehr
hin- und her gerissen… wenigstens hielt er die Klappe.
„Aber Meister hat mir gesagen tut, ich sollen euch sagen tun machen!“
– Hatte ich schon erwähnt, dass die Grammatik der Würger ebenfalls
zum Kotzen ist? – „Meister Smahug hat gesagt gemacht, dass ich machen
sollen tun machen muss, dass…“
„SAG es nicht, Deppy, ich warne dich!“
„Aber dann muss armes Deppy sich wieder selbst machen foltern tun, macht
armes Deppy keinen Spaß, nichts nein.“

„Das ist doch nichts im Gegensatz zu dem, was ich dir antun könnte…“,
drohte der Drache.
„Oh, ihr sein nie nicht nett zu nettes Deppy, Deppy machen tun tut nur
seine Aufgabe erfüllen machen. ‚Deppy machen gehen ganz brav zu Herr
Kalessan!‘, sagen Meister Smahug, ‚Und machen sagen Herr Kalessan,
dass sofort kommen er machen tun soll, jetzt gleich, weil wichtiges Treffen
sein tut auf dem Berg und…'“
Seinen Satz sollte er nie fertig sprechen, da er in einem Feuerstrahl aus Kalessans
Maul verglühte.

Eine mehrere Sekunden lange Stille entstand, bis sich Ninnel dazu durchringen
konnte, als erster wieder etwas zu sagen:
„Danke… aber musstest du es gleich umbringen?“
Der Drache schnaubte:
„Würger kann man nicht umbringen, das ist ja das Brutale an diesen
Mistkerlen. Der kehrt jetzt zu seinem Herrn zurück und nimmt erneut diese
widerwärtige Gestalt an. Dagegen bist selbst du eine Schönheit.“
„Und was wollte er von dir?“

„Nichts gutes…“
Smahug hatte also eine Versammlung einberufen.
Kalessan hasste diese Versammlungen! Die anderen neun Drachenarten verhielten
sich auf diesen Treffen immer wie die letzten Idioten, führten kindische
Debatten aus und verhielten sich generell nicht so, wie es wahre Drachen –
Drachen wie Kalessan – tun sollten. Lediglich Morkulebus war ähnlicher
Auffassung und daher noch das von Kalessan am meisten respektierte Mitglied,
wenn er sich auch aus der Sicht des roten Drachen zu passiv verhielt.
Schlimmer als das Verhalten der Drachen bei jenen Treffen waren jedoch die Anlässe,
aus denen Smahug, der Oberhaupt des Rates, sie einberief. Erst beim letzten
Mal hatte er den gesamten Rat beinahe in sein Verderben geführt, was zu
Kalessans Bekanntschaft mit Karlmax und letztendlich auch zur momentanen Misere
des roten Drachen geführt hatte.

Doch wenn man wie Kalessan ältestes Exemplar der eigenen Spezies war, konnte
man sich vor diesen Versammlungen leider nicht drücken, wollte man seine
Position und damit ein ernsthaftes Mitspracherecht bei den Entscheidungen über
die Geschicke der Welt, zu denen es auch ab und an kam, nicht riskieren.
Von ihm wurde nun erwartet, dass er sich sofort auf den Weg machte, um an der
Versammlung teilzunehmen. Ninnel konnte er natürlich nicht in seiner Höhle
lassen. Wer wusste schon, wie viele Ritter – möglichst noch Getreue
dieser ominösen Lady Syrop – sich noch auf den Weg zu Kalessans Höhle
machten und den Jungen dann mitnahmen.

Kalessans Optionen waren also nicht sehr zahlreich – auch wenn er es hasste,
den Jungen in die Geheimnisse des Drachenvolkes einzuweihen und, was noch schlimmer
war, ihn mit dem peinlichen Auftreten seiner Artgenossen konfrontieren zu müssen.
„Was wollte er denn nun genau?“, unterbrach Ninnel Kalessans Gedankengänge.
„Er hat eine Versammlung einberufen, zu der ich gehen muss. Sieht so aus,
als müsstest du mich begleiten…“
„Oh toll, dann darf ich endlich mit dir fliegen?“

So sehr Kalessan versucht hatte dies zu vermeiden, diesmal hieß die Antwort
wohl oder übel:
„Ja…“
Ninnel klatschte freudig erregt in die Hände und bedrängte den Drachen,
sogleich loszufliegen. Seufzend begann dieser mit den Vorbereitungen, nur damit
dieses elende Gequengel endlich aufhören würde.

Währenddessen
war ein junger Mann aus einer fremden Dimension damit beschäftigt, die
finsteren Sümpfe des Schwarzen Todes zu finden, was sich als nicht besonders
einfach herausstellen sollte.

Viele Wochen lang zog er alleine durch die Dörfer und Wälder, doch
keiner schien den richtigen Weg zu wissen, und böse Menschen hatten die
Hinweisschilder umgedreht oder mit obszönen Zeichnungen unleserlich gemacht.
Die Wälder waren auch nicht ungefährlich, denn überall streunten
gefährliche, wilde Tiere umher. Der Mann aus der fremden Dimension sorgte
sich aber nicht darum, denn schließlich war er ja auserwählt, diese
Welt zu retten, deswegen konnte ihm natürlich nichts passieren. Eine große
Anzahl von Zufällen, namentlich zwei Wölfe, die sich im Streit um
ihn als Beute selbst zerfleischten, ein Bär, der kurz vor seinem Angriff
unglücklich stolperte und sich an einem Baum das Genick brach und ein Löwe,
der sich gerade auf den Reisenden stürzen wollte, dem dann aber einfiel,
dass es im Wald gar keine Löwen gab, worauf er in einer Rauchwolke verpuffte,
sorgten dann auch wunderbarerweise dafür, dass ihm tatsächlich nichts
passierte.

Einmal stieß der Reisende sogar auf eine Räuberbande, die ihn freundlich
umzingelte. Diese Räuber entpuppten sich jedoch als hinterhältige
Versicherungsvertreter, worauf selbst der Mann aus der fremden Dimension schleunigst
die Flucht ergriff.
Schließlich kam er in eine weitere kleine Stadt und traf dort endlich
auf einen Menschen, der den Weg in die finsteren Sümpfe des Schwarzen Todes
zu kennen schien. Es handelte sich um einen seltsamen, kleinen Kerl in einer
knallbunten, ledrigen Rüstung, die aus so vielen Einzelteilen bestand,
dass die gesamte Konstruktion bei der geringsten Bewegung hin und her wackelte.
Am Bauch war offenbar eine Klappe, die man beliebig öffnen und schließen
konnte. Die Klinge seines Schwertes wies eine leichte Kurve auf und schien die
gesamte Biographie seines Besitzers zu erzählen, so vollgekritzelt mit
fremdartigen Schriftzeichen wie sie war.

„Und du weißt, wo es zu den finsteren Sümpfen des Schwarzen
Todes geht?“, fragte der Reisende den Krieger.
„Ja, Nagersacki wissen wo ihr finden finstere Sümpfe, hai!“
„Wo?“
„Was?“

„Häh?“
„Nein – hai!“, sagte der Krieger nochmals.
„Ach so… kannst du mich dort hinführen?“
„Warum sollte Nagersacki das tun? Wo ist die Ehre darin, fragt er den
Fremden.“

„Die Ehre?“, erkundigte sich der Fremde verwirrt.
„Nagersacki kämpfen nur für die Ehre. Wenn Ehre von Nagersacki
verletzt, Nagersacki bringen sich selbst um mit Kike-Riki!“
Nagersackie öffnete demonstrativ die Klappe an seiner Rüstung und
zeigte dem Fremden seinen nackten Bauch.
„Sag mal, was genau bist du eigentlich?“

"Nagersacki sein ehrenhafter Sauriam!", antwortete der Krieger mit
stolzgeschwellter Brust.
"Ich dachte, die Saurier wären alle ausgestorben!?“
"Wenn alle ausgestorben, warum stehen Nagersacki jetzt vor euch?"
„Verstehe… Meinst du, das es ehrenvoll wäre, wenn du mir bei der
Rettung der Welt hilfst?“
„Rettung der Welt? Ist große Ehre für Nagersacki! Es wird mir
Freude sein, den Fremden zu begleiten und ehrenhaft zu sterben, hai!“

„Wo?“
„Was?“
„Ach, vergiss es…“

Es
war ein wahrhaft trauriger Punkt erreicht, wenn Kalessan nun schon selbst beim
Fliegen keine Privatsphäre mehr hatte. Wenigstens hatte er Ninnel so stark
in alle möglichen warm haltenden Kleidungsstücke verschnürt,
dass dieser zwar noch atmen, aber keinen artikulierten Laut mehr hervorbringen
konnte. Dass er ihn fest an seine Brust gepresst hielt, tat sein übriges,
um ihn wenigstens den ganzen Flug über still und warm zu halten. Auf Kalessans
Rücken hätte sich der Junge bei den ganzen Stacheln und Zacken die
dort waren nur irgendwann selbst aufgespießt, auch wenn der Drache diesen
Gedanken mittlerweile mit ungeahnter Genugtuung verfolgte.

Zum Versammlungsort war es ein halber Tag Flugzeit von Kalessans Behausung aus.
Den Großteil der Zeit verbrachte der Drache damit, sich besonders blutige
Todesarten für Ninnel auszudenken, ansonsten fragte er sich, was Smahug
wohl zu der Einberufung eines Treffens hätte bewegen können.
Wahrscheinlich wollte er ihnen mal wieder einen neuen Ring in Drachengröße
präsentieren, den Generationen tüchtiger Zwerge in Jahrhunderte langer
Feinarbeit geschmiedet hatten. Oder ein wahnsinniger Mensch hatte mal wieder
eine todbringende Maschine erfunden, die die Sonne in die Luft sprengen würde,
wenn ihm nicht die Weltherrschaft zugesprochen würde.
Kalessan wusste nicht, was davon er mehr verachtete.

Er wusste ebenfalls nicht, dass er bei seinem Flug sehr aufmerksam beobachtet
wurde.
Als er am Versammlungsort ankam, einer konzentrischen Ansammlung von Felsplateaus
hoch in den Bergen, die vor langer Zeit genauso gut von Drachen- wie von Götter-
oder Zufallshand hätte geschaffen worden sein können, waren alle anderen
neun Mitglieder des Rates bereits anwesend.
Kalessan kreiste einmal über der Runde, die in den Farben Gold, Silber,
Bronze, Kupfer, Messing, Grün, Schwarz, Blau und Weiß leuchtete,
landete und mischte der Farbpalette einen aggressiven, roten Ton hinzu.
Die anderen Drachen waren sehr erstaunt, als sie ihn kommen sahen – normalerweise
erschien er immer erst ein oder zwei Tage später als angekündigt war.

„Oh, der werte Kalessan beehrt unsere illustre Runde ausnahmsweise einmal
pünktlich. Gute Vorsätze fürs neue Jahrhundert stehen aber erst
in ein paar Jahren an, mein bester!“, spöttelte Smahug, der Älteste
der Runde.
„Deine dämlichen Bemerkungen kannst du dir sonstwo hin stecken! Sag
mir lieber, was so überaus wichtig war, damit ich mich hierher quälen
musste, die letzten Male hat es nur Unglück gebracht.“, kam die gefauchte
Antwort von Kalessan, der gerade auf seinem Plateau Platz genommen hatte.

„Oh, ich sehe, bei deinen Manieren hat sich wenig geändert… und
wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du dir keinen Proviant zu den Treffen
mitnehmen sollst?“, merkte der goldene Drache an, als Kalessan das dicke
Ninnel-Bündel ablud, welches sich in der fremdartigen Runde neugierig umsah.
„Und dann auch noch ein Kind!“, fuhr er kopfschüttelnd fort,
„Dann friss es wenigstens gleich, damit wir das hinter uns haben!“
„So sehr es mich anwidert das zu sagen, aber dieses Kind wird nicht gefressen.
Ich habe schon zu viel deswegen durchgemacht.“
„Oh, Kalessan nimmt sich eines Menschenjungen an? Das kann einem ja fast
Angst machen!“, kam der gehässige Kommentar von Droca, dem Kupferdrachen.
Droca glich seinem benachbarten Bronzedrachen, Neidhöcker, wie ein Ei dem
anderen und war nur deswegen als er selbst zu identifizieren, weil er ein großes
Schild um den langen Hals trug, auf dem in großen, gut lesbaren Buchstaben
sein Name stand. Neidhöcker trug ein ähnliches Schild, nur dass auf
diesem sein eigener Name zu lesen war.

„Wenigstens brauche ich nicht mehrere Millennien, um mir eine Methode
auszudenken, mit der man mich einwandfrei identifizieren kann!“, entgegnete
der rote Drache, worauf Droca beschämt den Blick abwendete.
„Wer ist das überhaupt, dass du dich plötzlich mit Menschen
abgibst?“, kam eine weitere Frage von Adorelon, dem Silberdrachen.
„Dies ist Ninnel, Karlmax‘ Sohn!“, sagte Kalessan und versuchte,
wenigstens ein bisschen feierlich zu klingen, erntete aber lediglich verständnislose
Blicke.

„Wessen Sohn?“
„Ihr erinnert euch doch hoffentlich? Männlicher Mensch, viele Haare
im Gesicht, rettete alle unsere Existenzen…“
„Nein!“
„Nein!“
„Nein?“
„Nein!“

„Nein!“
„Thric!“
„Nein!“
„Nein!“
„Ja… Moment, nein, doch nicht!“
„Dann weiß ich nicht, was peinlicher ist – dass ich mir als
einziger in der Runde den Namen eines speziellen Menschen behalten konnte oder
dass ihr alle den Namen dieses Menschen vergessen konntet, der euch alles bewahrt
hat, was euch teuer war.“, brauste Kalessan auf.

„Habe ich irgendwas nicht mitbekommen? Woher der plötzliche Seitenwechsel,
Kalessan?“, fragte ihn Tjamat, der blaue Drache, der gerade mit einer
überdimensionierten Nagelfeile seine Krallen schönte.
„Oh, du meinst den Menschen in dieser Saurudalf-Angelegenheit, nicht wahr?“,
merkte Droca an, „Von dem habe ich noch öfters gehört, der ist
jetzt ein berühmter Theoretiker geworden oder so, hat großen Erfolg,
zieht durch die Lande, gibt Vorlesungen undsoweiter – in meinen Augen
ist unsere Schuld an diesen Menschen bezahlt.“

Die anderen Drachen stimmten dem kollektiv zu.
„Dann habe ich in den letzten Wochen anscheinend die Schuld von uns allen
zusammen bezahlt.“, antwortete Kalessan mit einem düsteren Blick
auf Ninnel, der gerade einen Stein über den Rand vom Plateau des roten
Drachen fallen ließ, um zu hören, wie tief der Abgrund darunter sei.
„Und jetzt erzählt ihr mir besser, warum ich mit diesem Balg überhaupt
herkommen musste – und lasst es bitte einen guten Grund sein, denn ich
bin zu fertig mit den Nerven, um irgendeine idiotische Begründung für
diese Zusammenkunft akzeptieren zu können!“

Kalessans letztes Fünkchen Hoffnung verschwand, als alle anderen Drachen
auf einmal reges Interesse an Steinen, Wolken und intensiver Krallenmaniküre
zeigten.
Smahug räusperte sich kurz und sagte dann:
„Nuntja, ähm, weißt du, der Grund für dieses Treffen ist…
wie soll ich es sagen, also es ist so… ähm… unsere liebe Schneeweißchen
hier…“, er deutete auf die weiße Drachin, die sich konsequent
weigerte, auch nur ein Wort in der allgemeinen Sprache zu sprechen, „…nun,
sie hat doch morgen ihren 2000. Geburtstag und da wollten wir eine kleine…
Feier veranstalten… hast du meinen Hauswürger etwa nicht aussprechen
lassen?“

Aus dem Tal dröhnte das donnernde Echo einer Steinlawine hinauf, die durch
Ninnels Steinwurf ausgelöst worden war.
Sie setzte sich in Kalessans Kopf in Form einer Lawine aus Wut fort.
Er brüllte laut auf, so laut, dass es selbst den restlichen Drachen in
den Ohren schmerzte, und schlug mit der geballten Faust auf den Felsboden seines

Plateaus.
Kalessans Schrei und das kleine Beben von seinem Schlag reichten aus, um Ninnel
über den Rand der Klippe, an der er sich immer noch aufhielt, auf einen
tiefen, tödlichen Fall zu schicken.

Kalessan und die anderen Drachen bemerkten es nicht.
Aufmerksame Augen beobachteten – und reagierten.
Der rote Drache tobte.
Die restlichen neun Mitglieder des Rates waren schon so einiges an Wutausbrüchen
gewohnt, die Kalessan angesichts ihm weniger wichtig erscheinenden Themen der
Versammlung losgelassen hatte, aber dies übertraf alles vorher dagewesene.
Wochenlang aufgestaute Wut entlud sich in unartikuliertem, lautem Gebrüll
und zahlreichen Gewalttaten gegenüber dem Felsen, auf dem der rote Drache
saß. Früher hatte er wenigstens noch den Anstand gehabt, ihnen einzeln
Beleidigungen zuzuschreien. Hätte ihn diesmal nicht ein letzter Funken
Vernunft davon abgehalten, er hätte sich wahrscheinlich auf Smahug gestürzt
und versucht, ihn umzubringen.

So dauerte es auch mehrere Minuten, bis er sich wieder beruhigt hatte und auf
dem großen Felsplateau nichts mehr außer der rauschende Wind zu
hören war.
Die restlichen Drachen des Rates kauerten sich alle eingeschüchert auf
ihren Plätzen zusammen und wagten es nicht, einen Laut zu machen, der die
Aufmerksamkeit Kalessans auf sie ziehen könnte.
Smahug erholte sich als erster:
„Bist du jetzt fertig, Kalessan? Gut, dein Mensch ist nämlich verschwunden.
Zufrieden?“

Kalessans wahnsinniger Blick klärte sich ein wenig auf, als er sich auf
seinem Plateau umsah und bemerkte, dass Ninnel tatsächlich verschwunden
war. Er warf einen Blick über die Felskante und suchte den Felsboden weit
unter sich nach dem Jungen ab, aber da war nichts. Der Drache wandte sich wieder
Smahug zu:
„Na und? Dann ist er endlich tot, und ich habe versagt. Es ist mir egal!
Und weißt du, was mir noch egal ist? Diese Versammlung hier! Wir sollten
die Welt regieren, und was machen wir stattdessen? Wir feiern Geburtstage, suchen
nach deinen Schätzen und legen uns mit mickrigen Magiern an. Wann haben
wir für diese Welt in letzter Zeit wirklich etwas wichtiges getan? Nichts!
Und dann sind wir sogar noch zu arrogant, um eine gute Tat anzuerkennen, die
mal jemand für uns tut. In dieser Hinsicht habe ich in den letzten Wochen
mehr im Namen dieses Rates getan als wir alle zusammen in den letzten acht Jahren.
Ich habe jemandem gezeigt, dass mir das, was er für mich getan hat, nicht
scheißegal war. Ja, es war ein Mensch. Ja, ich habe dabei gelitten, und
ja, ich habe versagt. Das beweist mir nur, wie inkompetent diese gesamte Versammlung
hier ist – darum sollte mir mein Versagen wohl doch nicht so egal sein…“

„Versagen wobei, Onkel Kalessan?“, ertönte eine leise Stimme
über dem Rauschen des Windes.
Kalessan dreht sich um.
„Oh, Scheiße!“
Ninnel war offensichtlich am Leben. Die Tatsache, dass er sich in den Klauen
eines fremden, roten Drachen befand, ließ jedoch nicht dafür sprechen,
dass es noch lange so bleiben würde.

Gemessen an Kalessan war dieser Drache gerade mal halb so groß, aber immer
noch groß genug, um bei den meisten Menschen ernsthafte Blasenschwäche
zu bewirken. Weitaus eindrucksvoller als seine Größe war jedoch sein
Blick. So ein Blick ließ nur auf einen Verstand hinter diesen Augen schließen,
der vollkommen wahnsinnig und zu allem bereit war, dabei noch einen extremen
Hang zum Sadismus hatte, jedoch alle Handlungen mit kalter Berechnung durchführen
konnte. Kalessan hatte in seinen besseren Tagen auch nicht anders ausgesehen…
Er erholte sich von daher von diesem Anblick daher als erster.
„Wer bist du?“, fragte er.

„Oh, wir sind wohl ein ganz stürmischer, nicht wahr?“, sagte
der Drache, der nach dessen Stimme zu urteilen unmissverständlich weiblich
war und fügte dem bedrohlichen Blick ein ähnlich schockierendes Lächeln
mit spöttischem Unterton hinzu, während er mit heftigen, schweren
Flügelschlägen versuchte, einigermaßen seine Höhe zu halten.
„Ist euch eigentlich klar, dass jedem Drachen, der unaufgefordert diese
Versammlung besucht, die Todesstrafe droht?“, schaltete sich nun Smahug
an die Drachin gewandt ein.

Diese riss ihren Blick von Kalessan los und funkelte den Vorstand des Rates
an:
„Natürlich ist mir das klar – nur frage ich mich, warum das
ganze? Damit wir anderen Drachen nicht herausbekommen, dass ihr nur Geburtstagspartys
feiert und Nichtigkeiten besprecht, anstatt die Welt zu beherrschen? Eine hervorragende
Begründung, wirklich!“
Die Stimme der Drachin troff vor Hohn und ließ Smahug sichtbar zusammenzucken.
Sie blickte sich in der Runde um:
„Oh, ihr seid wirklich ein wahrer Haufen von Herrschern: verfressen, fett,
herrschsüchtig, faul, arrogant und zu nichts nutze!“

Ihr Blick kam zu Kalessan zurück.
„Was ist mit dir? Du scheinst ähnlicher Meinung zu sein…“
„Gib mir den Jungen zurück und nenn mir deinen Namen!“, bellte
er.
Die Drachin sah Ninnel kurz an, der die gesamte Szenerie mit anscheinend sehr
großem Interesse verfolgt hatte und seinen Blick kontinuierlich von Drache
zu Drache wandern ließ, um auch ja nichts zu verpassen.

„Dir scheint dieser Junge ja sehr viel zu bedeuten… wenn das so ist,
dann komm doch und hol ihn dir!“, antwortete die rote Drachin lachend,
drehte ab und begann, auf der nächst besten Luftströmung davon zu
fliegen.
Smahug war außer sich:
„Das… das… das ist ein Skandal! Das ist mir vorher noch nie untergekommen.
Selbst ihr roten Drachen wisst, dass diese Versammlung für euch untersagt
ist!“
„Ich wusste doch, dass ich hier nie erwünscht war…“, antwortete
Kalessan abfällig.

„Du weißt genau, was ich damit gemeint habe. Dieser Verstoß
muss geahndet werden! Dem Gesetz muss Folge getragen werden! Sie wird die Konsequenzen
für diese Untat tragen müssen! Kalessan, da sie Mitglied deiner Rasse
ist, wirst du das Urteil an ihr vollstrecken!“
„Du meinst sie umbringen?“
„Ganz genau!“, Smahugs Stimme überschlug sich, „Ich befehle
es dir!“

Die folgende Stille hätte kein Friedhof besser hinzaubern können.
Als Kalessan das nächste Mal sprach, war seine Stimme leise und zischend:
„Du befiehlst mir gar nichts mehr, Smahug! Diese Zeiten sind vorbei. Ich
werde diese Drachin verfolgen und töten – weil sie mich herausgefordert
hat. Und wenn ich sie umbringe, dann wird das mein letzter Dienst für diesen
Rat gewesen sein.“
Er drehte sich um und breitete seine Flügel aus.

„Du kannst nicht austreten!“, brüllte Smahug ihn an.
„Dann halte mich auf!“, entgegnete der rote Drache, stieß
sich ab und flog der Drachin hinterher, die ihn so frech herausgefordert hatte.
Schneeweißchen murmelte etwas auf Draconisch, das ungefähr mit „Wirklich,
ein schöner Geburtstag!“ übersetzt werden konnte.

Mit
Nagersacki unterwegs zu sein, erwies sich für den Fremden aus einer anderen
Welt als an sich schon sehr schwere Aufgabe, da man sehr aufpassen musste, die
Ehre dieses Kriegers nicht zu verletzen. Einmal hatte sich ein Vogel direkt
über Nagersackis Kopf erleichtert, und nachdem der Krieger sich nicht dazu
in der Lage sah, das Tier deswegen zu einem fairen Kampf zu stellen, hatte der
Reisende seine Liebe Mühe, den Sauriam davon abzuhalten, sich selbst das
Schwert in seine Bauchklappe zu rammen.
Nichtsdestotrotz führte ihn Nagersacki in ein Gelände, das zumindest
schon mal die Bezeichnung „finsterer Sumpf“ verdient hatte.
„Sag mal, Nagersacki, warum heißen die finsteren Sümpfe des
Schwarzen Todes eigentlich so?“, erkundigte sich der Fremde.

„Nun, sie sehr finster seien…“
„Und weiter?“
„‚Schwarzer Tod‘, so wird genannt Drache, der lebt in Sumpf.
Seien kein netter Zeitgenosse, ha ha!“, erklärte Nagersacki.
„Oh, genau zu dem möchte ich aber.“
„Ihr wollen den Schwarzen Tod umbringen? Das werden ein wahrhaft guuuter
Kampf!“

„Ich will ihn eigentlich nicht umbringen, vielmehr… mit ihm reden!“
Der Fremde achtete darauf, nicht zu viele Details über seinen geheimen
Auftrag und vor allem über die Schriftrolle mit der wichtigen Nachricht
zu preiszugeben – man wusste nie, wem man trauen konnte, dazu hatte er
schon zu viele Bücher gelesen.
„Oh… darf Nagersacki ihn umbringen, nachdem ihr geredet habt?“,
fragte der Krieger hoffnungsvoll.
„Nein!“

„Oh bitte, nur ein bisschen!“
„Nein, und es bleibt dabei!“
Der Reisende hoffte stark, dass er den Sauriam nicht zu sehr in seiner Ehre
verletzt hatte, ansonsten würde dieser Streit noch viel heftigere Ausmaße
annehmen. Der Krieger beschränkte sich jedoch darauf, lautstark zu schmollen
und etwas in seiner eigenen, zwitschernden Sprache zu murmeln.
Die beiden setzten ihre Reise durch den immer finsterer und sumpfiger werdenden
finsteren Sumpf in verdrossenem Schweigen fort. Obwohl es eigentlich ein heller
Tag sein sollte, war der Himmel düster und dem Sumpf hing eine niederdrückende
Stimmung an. Dies lag vor allem an der Vegetation, beziehungsweise den sogenannten
Gruselbäumen. Diese haben eine sehr bizarre, gekrümmte Form mit vielen
gezackten Ästen und Auswüchsen, die jeden phantasievollen Verstand
geradezu dazu auffordern, sie für gefährliche Monster oder ausgestreckte
Klauen zu halten. Diese spezielle Baumart wächst besonders inmitten von
dunklen Wäldern und Sümpfen. Aufgrund ihrer die Atmosphäre steigernde
Wirkung wird sie gerne von bösen Herrschern und Kreaturen an diesen ihren
Heimstätten importiert und verdrängt schnell sämtliche Restvegetation,
die andere Farben außer grau, schwarz und braun aufweist. Alle anderen
Pflanzen bleiben seltsamerweise unangetastet…

Die unheimliche Wirkung des Sumpfes ließ auch das Gemüt des Reisenden
nicht ganz unangetastet. Er war sich zwar immer noch sicher, dass ihm als Weltenretter
nichts passieren konnte, dennoch hoffte er, dass er den Drachen bald finden
würde, damit er schnell aus diesem Sumpf heraus kommen und die Welt retten
könnte.
Nagersacki bedeutete ihm plötzlich, stehen zu bleiben und sah sich aufmerksam
um.
„Es sehr ruhig geworden ist. Kein gutes Zeichen sein.“
Dies wurde darin bestätigt, dass aus den Schatten der Gruselbäume
um ihnen herum auf einmal drei schreckliche Kreaturen auftauchten und sie umzingelten.
Es handelte sich um hoch gewachsene, bucklige Humanoide mit entstellten Gesichtern.
Sie hatten lange, rübenartige Nasen, zahnlose Höhlen als Münder,
das Kinn von jedem von ihnen war mehrere Zentimeter lang und sie waren überall
von pulsierenden Warzen entstellt. Sogar einige der Warzen hatten Warzen und
aus ihnen wuchsen lange, dünne Haare, die wahrscheinlich keine noch so
scharfe Gartenschere hätte durchschneiden können.

Nagersacki zögerte nicht lange, zog sein langes Schwert, stieß einen
hochfrequenten Kampfschrei aus und stürmte auf die nächst beste der
drei Kreaturen zu. Diese wich ihm mühelos aus und stellte ihm ein Bein.
Nagersacki hatte nicht genug Zeit, um zu reagieren, stolperte und legte sich
der Länge nach hin. Leider hielt er dabei sein Schwert so ungünstig,
dass er es sich dabei selbst in den Bauch rammte. Am Boden liegend sah er noch
einmal zu dem Reisenden hoch und sagte:
„Es ist vollbracht.“
Dann hauchte er seinen Lebensatem aus.

Was für ein oberpeinlicher Schlusssatz!, dachten sich alle Anwesenden.
Die drei Kreaturen schlossen nun ihren Kreis um den einsamen Reisenden, der
heftig zu zittern begann und sich nun doch schon seinem Ende nahe wähnte.
Eine letzte Frage wollte er ihnen jedoch noch stellen:
„Werwerwer seid ihr?“
Sie kreischten laut auf, was anscheinend ihre Art war, zu lachen. Danach antworteten
sie im Chor:
„Wir sind die drei schrecklichen Furien!“

„Ich bin Alexzstrzuszszuszia!“, schrie die eine, und der Reisende
begann noch heftiger zu zittern.
„Mein Name ist Chmlech’krach!clochchmchmrn!“, kreischte die
zweite Furie, und der Reisende begann qualvoll zu wimmern.
Dann stellte sich die dritte vor:
„Und ich heiße…“
Als die Furie ihren Namen genannt hatte, tönten die Schreie des Reisenden
laut und gellend, aber ungehört durch den finsteren Sumpf.

Die
Drachin zu verfolgen, war für Kalessan wahrlich kein Zuckerschlecken, da
diese sich als äußerst flink entpuppte und den größeren
Drachen in relativ kurzer Zeit abgehängt hatte.
Kalessan musste ab und an sogar auf die Hilfe von Menschen am Boden zurückgreifen:
„Ist hier ein roter Drache vorüber geflogen?“
Der Blick des von ihm angesprochenen Bauern machte ihm klar, dass es momentan
nur einen einzigen Drachen in seinem Universum gab. Seine Selbsterhaltungstriebe
brachten ihn jedoch zumindest so weit, den Arm unter wildem Zittern in die entsprechende
Richtung auszustrecken.

Kalessan flog los und brachte ihn nicht um – sogar dazu war er zu wütend.
Nach etlichen Stunden des Folgens von Spuren in der Luft und Hinweisen vom Boden
fand er die Höhle, die den Geruch jener fremden Drachin trug, am Rand einer
kleinen Gebirgskette. Er zwängte sich durch den für ihn viel zu kleinen
Durchgang und kam alsbald in den Hauptraum der Behausung der fremden Drachin.
Diese erwartete ihn bereits entspannt auf dem Boden liegend und zufrieden grinsend.
Über ihr baumelte ein überdimensionierter Vogelkäfig, in dem
Ninnel hockte und Kalessan ebenfalls fröhlich grinsend zuwinkte.
„Hast ja ziemlich lange gebraucht, mein Bester – mit diesem Quälgeist
hätte ich es wohl auch kaum länger ausgehalten…“, gurrte die
rote Drachin, stand auf und stupste den Käfig kurz an, worauf Ninnel wild
hin und hergeschleudert wurde.

„Hör mal zu: Ich bin momentan ziemlich stinkig – was stressige
Situationen betrifft, was andere Drachen betrifft und vor allem was
diesen Jungen dort betrifft. Der Rat hat mich beauftragt, dich wegen deines
Verstoßes gegen unser Gesetz zu töten, aber darauf habe ich jetzt
ehrlich gesagt keine Lust. Aus diesem Verein bin ich draußen. Wenn du
mir den Jungen also jetzt gibst und dich dann nie wieder blicken lässt,
bin ich bereit, dich am Leben zu lassen.“
Die gefährliche Ruhe von Kalessans Tonfall hätte selbst einige der
älteren Mitglieder im Drachenrat verschreckt, doch diese viel kleinere
Drachin lachte nur und legte den Kopf schief.

„Dir liegt wirklich viel an diesem kleinen Bengel, nicht wahr? Ich frage
mich, was an ihm so besonders ist…“
„Das geht dich nichts an! Und jetzt rück ihn raus, das ist meine
letzte Warnung!“, grollte Kalessan und nahm einen noch bedrohlicheren
Tonfall an, wenn das überhaupt möglich war.
„Tut mir leid, aber ich habe ihn nicht entführt, um ihn dir dann
einfach wieder zurückzugeben…“
„Und was willst du dann?“

Die Augen der Drachin verengten sich zu kleinen Schlitzen, und sie zischte:
„Ich will kämpfen!“
Kalessan lachte auf:
„Pah! Wie alt bist du eigentlich?“
„Man fragt eine Lady nicht nach ihrem Alter, aber schön: 500 Jahre…“

„Noch völlig grün hinter den Ohren… Du denkst doch nicht wirklich,
dass du auch nur den Hauch einer Chance hast!? Was könnte wohl der Grund
sein, dass du dein Leben so vorzeitig beenden willst?“
„Das wirst du noch früh genug sehen – na, was ist?“,
fauchte die Drachin und machte herausfordernde Gesten.
Kalessans Miene gefror.
„Du meinst es ernst, hm? … Nun gut, wie willst du es austragen?“

„Luftkampf. Kein Feuer, keine Magie – nur Geschick und Stärke!“
„Entweder du bist verdammt gut für dein Alter, oder du bist vollkommen
wahnsinnig.“, schnaubte Kalessan.
„Vielleicht bin ich ja beides – wollen wir jetzt endlich anfangen?“
Eine aufgeregte Kinderstimme mischte sich ein:

„Oh toll, ihr werdet gegeneinander kämpfen! Darf ich zusehen? Bittebittebitte!“
„Halt die Klappe!“, brüllten Kalessan und die Drachin gleichzeitig,
worauf Ninnel Ruhe gab.

Wenige
Minuten später umkreisten sich die beiden Drachen über den Bergen.
Der Himmel hatte sich im Laufe des Tages zugezogen, und die Wolken hingen dicht,
grau und tief über der Landschaft.

„Ich gebe zu, ich bin ein wenig beeindruckt von deinem Mut… oder von
deiner Dummheit.“, sagte Kalessan.
„Oh, du wirst noch viel beeindruckter sein, glaube mir!“
„Und du willst das wirklich?“, fragte Kalessan die fremde Drachin,
immer noch zweifelnd.
Diese ignorierte ihn.
„Bist du bereit?“, fragte sie.

„Bereit, wenn du es bist.“, antwortete Kalessan, aber noch während
er sprach, hatte sich die Drachin aufgeschwungen und war in den Wolken verschwunden.
Also wird gespielt…, dachte sich der ältere Drache und folgte
ihr in die dichte Wolkendecke.
Kalessan hatte in seinem Leben schon viele Luftkämpfe mit anderen Drachen
ausgetragen und wusste nur zu gut, dass das Antreten gegen einen älteren,
stärkeren und erfahreneren Gegner ein böses Ende haben konnte. Wenn
man die Wettersituation als Vorteil im Kampf richtig ausnutzte, konnte man auch
einen stärkeren Gegner leicht bezwingen. Doch auch Kalessan wusste um den
Vorteil von Wolken und Überraschungsangriffen. Leider hatte es nun schon
seit geraumer Zeit niemand mehr gewagt, ihn herauszufordern, weswegen er ein
wenig aus der Übung war und den ersten Angriff zu spät kommen sah.

Er drehte schnell ab, und die junge Drachin stürzte an ihm vorbei, jedoch
konnte sie ihm ihre Klauen einmal über die Seite ziehen und ließ
ein paar nicht sehr tiefe, aber dennoch spürbare Striemen zurück.
Danach war sie wieder außer Sichtweite.
Oh, diese Drachin hat ja richtig Schneid!, dachte sich Kalessan und
flog aufwärts, um in höheren Luftschichten aus der Wolkendecke auszubrechen.
So langsam regte sich in ihm wieder die alte Kampfeslust, und er begann, seine
alten Taktiken anzuwenden. Über den Wolken kreiste er und behielt die Schatten
unter sich wachsam nach der geringsten Bewegung im Auge, ohne dabei die restliche
Umgebung außer Acht zu lassen.

Da! Unten wirbelten die Wolken leicht auseinander, als ob sich etwas großes
darin bewegen würde. Er legte die Flügel an und begann einen lautlosen
Sturzflug auf das Bewegungsmuster zu, durchbrach die Wolkendecke und konnte
die junge Drachin sehen, wie sie, ihn nicht bemerkend, aufmerksam die Wolken
unter sich absuchte.
Schade, es war sehr kurz mit dir, aber angenehm!, dachte sich Kalessan
und streckte seine Klauen aus, um die kleinere Drachin in der Luft zu zerreißen.
Den Bruchteil einer Sekunde bevor er auf sie auftraf, drehte sie sich auf einmal
blitzartig um ihre Achse und wirbelte zur Seite, sodass Kalessan sie knapp verfehlte.
Dabei gelang es ihr, in die empfindliche, bereits von Narben durchsäte
Flügelmembran des älteren Drachen zu beißen. Dadurch war sie
jedoch kurz in Reichweite von Kalessan, der jetzt seinerseits die Gelegenheit
nutzte, sich geschickt in der Luft drehte und ihr eine Klaue in den Hals rammte.
Die Drachin löste sich von ihm und brüllte auf, jedoch klang es mehr
wie ein lustvolles Stöhnen als ein Schmerzensschrei. Danach verschwand
sie wieder in den Wolken.

Kalessan verfluchte sich selbst, dass er auf diese Falle hereingefallen war.
Er hatte diese junge Drachin anscheinend gewaltig unterschätzt. Aber man
wird nicht so alt, wenn man nicht aus seinen Fehlern lernt…
Er durchbrach erneut die Wolkendecke auf der oberen Seite. In einiger Entfernung
flog seine Gegnerin – auch sie hatte ihn entdeckt und flog direkt auf
ihn zu. Ein paar Hundert Meter bevor sie aufeinander prallten, tauchte sie in
die Wolken ab. Doch diesen Trick kannte Kalessan. Als er hinter sich das Rauschen
hörte, drehte er sich blitzartig um und entblößte seine Fänge.
Die Drachin, die von unten aus den Wolken hervor kam, einen halben Looping flog,
um sich dann von oben überraschend auf ihren Gegner stürzen zu können,
hatte nicht erwartet, direkt in die Klauen ihres Feindes zu fallen. Die beiden
Kämpfer verkeilten sich kurz ineinander und versuchten, während des
freien Falls dem Gegner die Flügel so zu beschädigen, dass dieser
nicht mehr fliegen und am Boden zerschellen würde. Beide zogen sich schwere
Wunden zu, bevor sie sich voneinander trennten und wieder in den Wolken verschwanden.

Kalessan hatte mehrere tiefe Kratzer an seiner Unterseite und einige Bisswunden
am Hals davongetragen, seiner Gegnerin aber dafür ein paar Risse in der
linken Flügelmembran und eine tiefe Verletzung am Hinterbein beigebracht.
Doch für ihr Alter war dieses junge Ding erstaunlich erfahren im Kampf.
Kalessan hatte schon wesentlich älteren Drachen gegenüber gestanden,
die sich ungeschickter angestellt hatten und nicht so lange durchhielten wie
diese Drachin. Wirklich schade, dass er sie würde umbringen müssen…
Der Kampf tobte noch über eine Stunde lang, und Kalessan musste feststellen,
dass er zwar wesentlich stärker als sein junges Gegenüber war, jedoch
bei weitem nicht mehr so agil und schnell. Sein hohes Alter mochte ihm zwar
mehr Erfahrung und ausgeklügeltere Kampftaktiken beigebracht haben, doch
diese waren im Laufe der Jahre so weit eingestaubt, dass er in der jungen Drachin
einen nahezu ebenbürtigen Gegner hatte.

Die Schlacht hätte noch viel länger dauern können, doch Kalessan
deutete der Drachin bei einer günstigen Gelegenheit eine kurze Auszeit
an. Kurze Zeit später umkreisten sich die beiden wieder unter der Wolkendecke.
„Was ist, machst du etwa schon schlapp?“, bellte seine junge Gegnerin
mit einem teuflischen Grinsen im Gesicht, obwohl sie aus mehreren Wunden heftig
blutete.
„Ich gebe zu, ich bin wahrlich beeindruckt von deinen Fähigkeiten.
So einen guten Kampf hatte ich schon lange nicht mehr. Bevor wir weitermachen
möchte ich zumindest noch deinen Namen erfahren!“

„Lady Syrop, zu euren Diensten!“, sprach die Drachin und verneigte
sich spöttisch in der Luft vor ihrem Gegner.
„Syrop? DU hast all diese Drachentöter zu mir geschickt?“
Die junge Drachin lachte lauthals über die Kalessan offen ins Gesicht geschriebene
Verblüffung:
„Ja, das war ich. Da du noch am Leben bist, scheinen sie ihre Aufgabe
nicht sehr gut erfüllt zu haben…“

„Aber wozu? Ich habe dich vorher noch nie gesehen. Was habe ich dir getan?“
„Nun, gar nichts!“
„Und was willst du dann?“, fragte der ältere Drache, dessen
Verwunderung immer größer wurde.
„Was ich will? Aufmerksamkeit! Und die bekäme ich wohl kaum, wenn
ich junges Ding mal eben bei dir angeklopft hätte, nicht wahr?“

„Aufmerksamkeit? Das ist alles? Warum das?“
„Wenn du das bis jetzt noch nicht herausgefunden hast, dann können
wir diese Angelegenheit genauso gut beilegen, mein Liebster…“, antwortete
Syrop spöttisch.
Doch Kalessan hatte schon begriffen. Er war überrascht über die Vorgehensweise
der jungen Drachin, und er war noch viel mehr überrascht über den
Erfolg, den sie damit hatte. Doch es passte alles zusammen. Kalessan konnte
nicht umhin, sich selbst den Erfolg ihres Anliegens einzugestehen – nun
galt es, entsprechend zu reagieren.

„Dir ist klar, was du da willst?“, sagte er.
„Ja!“
„Dir ist außerdem klar, dass ich das schon seit einer Ewigkeit nicht
mehr getan habe?“
„Allerdings!“
„Dann lass es uns beenden!“

Syrop nickte zufrieden. Sie beide begannen, sich immer weiter in die Höhe
zu schrauben und dabei stetig einander zu umkreisen. Höher und höher
flogen sie, durch die Wolken hindurch und noch viel weiter, bis in obere Schichten,
wo die Luft schon sehr dünn war, sich dabei immer umkreisend, wie in einem
grotesken Tanz der Sonne entgegen.
Dort oben trennten sie sich dann voneinander und flogen auseinander, um sich
dann in angemessenem Abstand voneinander gegenüber zu positionieren und
ein paar Sekunden mit heftigen Flügelschlägen in der dünnen Luft
zu verharren.
„Bist du bereit dafür?“, fragte Kalessan die jüngere Drachin,
die vor Erschöpfung zitternd sich mühsam ihm gegenüber in der
Luft hielt, aber immer noch die Kraft hatte, keck zu antworten:

„Bist du es denn?“
Kalessan brüllte auf und warf sich vorwärts. Mit kräftigen Flügelschlägen
steuerte er auf sein Gegenüber zu. Syrop tat es ihm gleich, schrie auf
und brauste ebenfalls auf den viel größeren roten Drachen hin.
Die beiden näherten sich einander immer schneller und schneller. Keiner
drosselte seine Geschwindigkeit oder drehte gar ab, als sie auf Konfrontationskurs
gingen. Lediglich im letzten Moment glaubte Kalessan, eine Spur von Zweifel
in den Augen Syrops zu sehen, doch da war es bereits zu spät.

Die beiden Kolosse prallten in der Luft wuchtig aufeinander und beschrieben
eine bizarre Pirouette, als sie sich festhielten und umeinander drehten. Blitzartig
umwickelte der viel größere Kalessan Syrops Hals und Schwanz mit
den seinen, krallte sich an ihr fest, hielt ihre Flügel mit seinen Klauen
an den Seiten, sodass sie völlig umklammert war und legte seine eigenen
Schwingen an. In einer tödlichen Umarmung stürzten die beiden Drachen
sich immer noch drehend kopfüber den Wolken entgegen. Die gefangene Syrop
kreischte, riss Kalessans Unterleib mit ihren Klauen auf und biss sich in seinem
Hals fest, doch dieser hielt sie in seiner erbarmungslosen Umklammerung fest
und schien den Schmerz gar nicht zu spüren.
Immer und immer schneller werdend rauschten sie der Wolkendecke und damit dem
tödlichen Boden entgegen, unzertrennlich verbunden.
Und dann machte Kalessan etwas sehr unartiges…

Syrop brüllte auf.
In der Ekstase ihrer Vereinigung und ihres freien Falls stürzten die beiden
Drachen durch die Wolkendecke, immer weiter an Geschwindigkeit gewinnend.
Letztendlich durchbrachen sie auch die Wolken, und der Boden kam wie eine gigantische,
tödliche Fliegenklatsche rasend schnell auf sie zu.
Man könnte meinen, dass die beiden ewig in dieser Verbindung bis zu ihrem
Tod zu Boden hätten stürzen können, doch wenige Hundert Meter
über dem Wald, in den sie hineinzustürzen drohten, trennte sich Kalessan
von Syrop und breitete seine Schwingen weit aus, um den Sturzflug anzufangen.
Selbst unter Einsatz seiner Magie riss die ungeheure Wucht des plötzlichen
Luftwiderstandes ihm beinahe seine Flügel aus, und fast erschien es, dass
er doch noch als ein sehr großer, roter Fleck am Boden enden würde.
Doch kurz vor dem Aufprall bekam er noch seinen nötigen Aufwind und schwebte
in einer weiten Kurve wieder nach oben, wobei er einige Baumkronen mit seinen
Hinterklauen streifte. Danach vollzog er eine elegante Wendung in der Luft und
flog in Richtung Syrop.

Diese konnte den Sturzflug nicht so gut abfangen. Auch sie breitete ihre Schwingen
aus, ging in einen steilen Sinkflug und hoffte, kurz vor dem Aufprall abdrehen
zu können, doch der wenige Spielraum, den sie hatte, reichte nicht aus.
Die Drachin rauschte in die Baumkronen hinein, entwurzelte viele Bäume
und pflügte eine große Schneise in den Wald, als sie auf dem Boden
auftraf und mehrere Dutzend Meter weit rutschte, bevor sie zum Stillstand kam.
Kalessan zerdrückte noch viel mehr Bäume, als er neben der übel
zugerichteten Drachin landete, die sich beim Aufprall wahrscheinlich sämtliche
Knochen im Leib gebrochen hatte, aber immer noch am Leben war.
Die Bewunderung des älteren Drachen für sie kannte keine Grenzen,
als Syrop noch die Kraft fand, zu ihm aufzusehen und mit einem matten Lächeln
hervorzubringen:

„Das müssen wir unbedingt noch einmal machen!“

Wenige
Tage später…
Die Tournee war erfolgreich gewesen. Sämtliche von Karlmax Lesungen waren
ausverkauft, das Publikum jedes Mal sehr aufmerksam, gebannt von seinen Ausführungen
und der Applaus zum Ende jedes Auftritts immer wieder ohrenbetäubend. Karlmax
hatte zwar bei keiner der von ihm besuchten Städte das Gefühl, dass
die dortigen Menschen wirklich den Mut oder die Lust hatten, die von ihm vorgestellten
Thesen auch tatsächlich umzusetzen, aber das war er mittlerweile gewohnt.
Immerhin ließ sich damit ganz gut Geld verdienen.

Rita war ihm während seiner Tour wie immer eine großartige Unterstützung
gewesen, hatte Karlmax‘ ideologische Gegner immer wieder höflich
zurecht gewiesen (wobei „Mit verknoteten Armen und Beinen in einer dunklen
Gasse landen“ noch als höflich gewertet werden durfte) und ihm das
stressige Leben einer solchen Reise wesentlich einfacher gemacht.
Karlmax bereute es, die gute Beziehung, die sie in den letzten Wochen geführt
hatten, wieder ein wenig trüben zu müssen, als sie sich erneut der
Höhle von Kalessan näherten.

„Du Rita, ich fürchte, da gibt es etwas, was ich dir über diesen
Kalessan, der Ninnel betreut hat, erzählen muss…“, sprach er das
leidige Thema an.
„Er wird unseren Jungen doch auch gut behandelt haben!?“
„Ja, das hoffe ich… Nun, ich hätte es dir wahrscheinlich schon
früher sagen sollen, aber Kalessan ist nicht wirklich ein Mensch, sondern…
na ja, ein Drache. Bitte verzeih mir, dass ich dir das nicht schon früher
anvertraut habe, aber du hättest ihm unseren Jungen wohl kaum anvertraut,
wenn du das gewusst hättest…“

Schuldbewusst schaute Karlmax auf den Boden, während er auf Ritas Reaktion
wartete, darauf hoffend, nicht selbst mit verknoteten Armen und Beinen im Wald
zu landen.
„Ein Drache? Aber, das ist ja… perfekt!“, rief Rita aus, „Warum
hast du mir das nie erzählt? Einen besseren Beschützer für unser
Ninnilein als einen Drachen kann ich mir doch gar nicht vorstellen. Und wenn
er dann noch mit dir befreundet ist, wo liegt das Problem?“
„Nun, darin liegt das Problem! Ich war mir gar nicht mal sicher,
ob er Freunds genug war, diese Aufgabe überhaupt anzunehmen und durchzuführen…“,
antwortete Karlmax, der sich von Ritas überraschender Reaktion schnell
erholt hatte, „Ehrlich gesagt hoffe ich selbst, dass er unseren Jungen
gut behandelt hat.“

„Na und wenn nicht, dann bekommt er es eben mit mir zu tun, nicht wahr,
Schatz?“
Karlmax lächelte matt:
„Ja, Liebling…“
Zusammen betraten sie die Höhle.
Kalessan erwartete sie bereits, in der Mitte seiner Hauptwohnhöhle liegend.
Zu Karlmax‘ Erleichterung hatte er den Raum einer gründlichen Reinigung
unterzogen, denn sämtliche der stinkenden, gelben Pfützen waren mittlerweile
verschwunden. Der Raum sah recht ordentlich aus und roch auch so.

„Willkommen zurück!“, begrüßte sie der Drache mit
gemäßigter Stimme.
Rita machte große Augen.
„Ihr seid doch dieser Drache, der vor neun Jahren Rudis Stall zerstört
hat, oder irre ich mich?“
„Nein, keineswegs. Zu dieser Gelegenheit lernte ich auch… euren werten
Mann dort kennen.“

Kalessan lächelte Karlmax auf eine Weise an, die ihm überhaupt nicht
gefiel…
„Warum hast du mir eigentlich nie davon erzählt, dass du mit ihm
befreundet bist?“
Bei diesem Satz leuchteten Kalessans Augen gefährlich auf.
Karlmax wendete sich nur mühsam vom Anblick des Drachen ab und an seine
Frau:

„Hättest du mir geglaubt?“
„Ähm… nein, du hast Recht, Schatz.“, antwortete Rita lächelnd
und wendete sich ihrerseits wieder an den Drachen:
„Na gut, wo ist unser kleiner Junge denn?“
Kalessan begann auf eine Weise zu grinsen, die Karlmax kalte Schauer über
den Rücken laufen ließ. Dann deutete er nach oben.

Ninnel winkte ihnen aus einem an der Decke baumelnden, großen Vogelkäfig
fröhlich grinsend zu.
Ritas Lächeln gefror auf ihrem Gesicht.
„Warum hängt mein Sohn in einem Käfig von der Decke?“,
fragte sie tonlos.
„Oh, versteht mich nicht falsch, es ist nur zu seinem eigenen Schutz.
Ich mag vielleicht versprochen haben, dass ich eurem Sohn nichts antue, für
die liebe Syrop hier gilt das jedoch leider nicht…“, sagte Kalessan,
worauf sich hinter ihm etwas regte und der kleinere, aber immer noch imposante
Kopf der Drachin hinter seinem Rücken erschien.

„Holen sie diesen kleinen Quälgeist endlich ab?“, fragte sie,
während Kalessan den Käfig von seiner Kette löste, ihn auf den
Boden stellte und die Klappe öffnete.
Ninnel rannte sofort freudig kreischend auf seine Mutter zu und umarmte sie
stürmisch.
Karlmax sah sich immer noch sehr beansprucht darin, die gesamte Szenerie zu
begreifen.
Kalessan nahm ihm diese Bürde ab:

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir danken oder dich verfluchen soll.
Einerseits hat dieser Winzling dort mir einige der stressigsten und peinlichsten
Wochen meines Lebens beschert, auf der anderen Seite hätte ich ohne ihn
diese nette, junge Dame hier“, er deutete kurz auf Syrop, „wahrscheinlich
nicht näher kennen gelernt. Ihm selbst geht es anscheinend recht gut, und
es ist ihm in meiner Gegenwart nichts schlimmes von… permanenter Dauer geschehen.
Nicht wahr, Ninnel?“
„Onkel Kalessan hat mich von einer Klippe geschubst, aber Tante Syrop
da drüben hat mich gerettet!“, rief der Junge fröhlich aus.
Rita und Karlmax starrten die beiden Drachen sprachlos an.
Kalessan grinste erneut.

„Ja, er hatte hier schon viel Spaß die letzten paar Wochen. Ich
bin mir sicher, dass er euch das noch alles erzählen wird. Euch beiden
schlage ich jetzt vor, dass ihr meine Höhle und meinen Wald sofort verlasst
und euch hier nicht mehr blicken lasst. Nächstes Mal bin ich für den
Jungen nämlich nicht mehr Beschützer, sondern Raubtier – alles
klar?“
Karlmax nickte – er hatte verstanden.

„Lass uns gehen, Rita!“, sagte er und entfernte sich langsam von
den beiden Drachen, während er seine Frau und seinen Sohn mit sich zog.
Ninnel winkte „Onkel Kalessan“ noch ein letztes Mal zu, dann verschwanden
die drei aus der Höhle.
Auf dem Heimweg erzählte Ninnel seinen geschockten Eltern alles über
weggezauberte Ritter, gefressene Jungfrauen, Kalessans Wäschen und viele,
bunte Drachen.

In der Höhle sahen sich die beiden Drachen an und atmeten erleichtert auf.
„Bin ich froh, dass dieser kleine Mistkerl endlich weg ist!“, sagte
Syrop, und lehnte sich an Kalessan an.
Der alte Drache seufzte:
„Glaube mir, du bist nicht halb so froh wie ich… nicht halb so froh…“
„War das denn wirklich nötig? Hättest du die drei nicht einfach
umbringen und die Sache vergessen können?“

Kalessan schüttelte den Kopf.
„Nein, dann hätte ich bei dieser Aufgabe doch noch im letzten Moment
versagt. Manchmal muss man halt etwas tun, was einem überhaupt nicht gefällt…
und wie gesagt, ohne diesen Quälgeist hätte ich dich wohl nicht kennen
gelernt, insofern hatte diese Sache ja doch etwas gutes.“
„Och, ich hätte mir schon etwas einfallen lassen, um deine Aufmerksamkeit
zu gewinnen, mein Lieber.“, schnurrte die junge Drachin.

„Was hättest du eigentlich getan, wenn einer dieser Drachentöter
es geschafft hätte, mich umzubringen?“
„Dann wärst du wohl kaum der würdige Partner für mich gewesen,
den ich mir gewünscht hatte.“
„Hm… Meinst du wirklich, dass Sex die Grundlage für eine gute Beziehung
sein kann?“, fragte Kalessan seine neue Partnerin.

„Wir sind Drachen, natürlich geht das… wie war es denn
bei deiner letzten Gefährtin?“
„Ich… weiß es nicht mehr… es ist schon so lange her… zu lange!“
„Und genau deswegen bin ich jetzt da.“, gurrte Syrop.
Kalessan lächelte.

„Aber mal was anderes: Wie sieht es eigentlich jetzt mit dir und dem Rat
aus?“, fragte sie.
„Erzähl mir nicht, dass du nur aus politischen Gründen eine
Beziehung mit mir eingegangen bist!“
„Vielleicht?“
Syrop grinste geheimnisvoll.
„Nun, ich habe gesagt, dass, wenn ich dich umbringe, dies mein letzter
Dienst für den Rat gewesen sein wird. Da ich dich nicht umgebracht habe
und dies in nächster Zeit auch nicht tun werde, heißt das wohl, dass
ich auch noch nicht ausgestiegen bin… Ich bin jedenfalls sehr gespannt, was
die sagen, wenn wir beide beim nächsten Treffen dort zusammen aufkreuzen.“,
sagte Kalessan.

„Und du meinst nicht, dass die etwas dagegen haben werden?“
„Natürlich! Sie werden sich mit allen Mitteln dagegen sträuben
– aber wer wird sich schon mit uns beiden anlegen wollen?“
Die beiden Drachen lachten lauthals auf, und irgendwo im Wald wunderte sich
ein einsamer Einsiedler, weil er diesen Laut noch nie aus der Höhle seines
Herren gehört hatte.
„Dabei fällt mir ein… ich habe ganz vergessen, Morki auf diesen
Dimensionsreisenden anzusprechen, den ich zu ihm geschickt habe. Was wohl aus
dem geworden ist?“

Dem
Fremden war es tatsächlich gelungen, sich aus den Klauen der schrecklichen
Furien zu befreien. Als er den Namen der letzten Furie vernommen hatte, musste
er vor Lachen laut aufschreien, denn einer der Freunde seiner Heimatwelt hatte
den gleichen, dämlichen Namen, was er persönlich recht lächerlich
fand. Dies war den Furien so peinlich gewesen, dass diese sich beschämt
ins Unterholz verkrochen.
So konnte der Reisende weiter ziehen, immer tiefer in die finsteren Sümpfe
des Schwarzen Todes hinein.
Hier, im Herzen des Sumpfes, war es noch dunkler als in seinen Ausläufern,
und der Fremde musste trotz seiner bereits an die Dunkelheit gewöhnten
Sicht sehr aufpassen, wohin er trat.
Es dauerte nicht mehr lange, bis er an seinem Zielort ankam. Die Bäume
lichteten sich zu einer großen Lichtung, die einen einigermaßen
festen Boden zu haben schien.

In ihrer Mitte lag der schwarze Drache. Er war kleiner als der große rote,
den der Fremde vorher getroffen hatte, aber immer noch unheimlich imposant.
Sein Blick war weniger aggressiv als der des roten Drachen, hatte aber eine
ebenso beunruhigende Intensität, die zusammen mit seinem düsteren
Aussehen und der finsteren Umgebung sehr beängstigend wirkte.
Als er sprach, dröhnte seine tiefe Stimme über die Lichtung hinweg:
„Da kommt man gerade nach Hause und bekommt schon Besuch. Was willst du,
Winzling?“
„Bist du Morkulebus, der Herr dieses Sumpfes?“

„Der bin ich – es gibt nicht gerade viele Drachen in diesem Sumpf,
Winzling!“
„Cool! Der große, rote Drache hat mir diese Botschaft gegeben, die
ich dir übergeben soll. Ich muss diese Welt retten, musst du wissen…“
Der schwarze Drache schien interessiert:
„Kalessan hat dir diese Nachricht mitgegeben? Zeig her!“
Der Reisende händigte dem Drachen die Botschaft aus und war dann sehr darauf
bedacht, wieder einen möglichst respektvollen Abstand zu ihm zu bekommen.

Morkulebus brach das Siegel der Botschaft und entrollte sie, so gut es mit seinen
großen Klauen eben ging. Dann überflog er den Inhalt der Schriftrolle
kurz und schnaubte.
„Was steht drin?“, fragte der Reisende gespannt.
Morkulebus funkelte ihn ausdruckslos an, grinste dann und winkte ihn zu sich,
um ihm die Botschaft zu geben.
Der Fremde war bis zum Äußersten gespannt. Endlich würde er
erfahren, was der große, rote Drache seinem schwarzen Kollegen mitgeteilt
hatte. Endlich würde er seine Bestimmung in dieser Welt mitgeteilt bekommen.

Er nahm die Schriftrolle von dem schwarzen Drachen entgegen und las sie sich
durch.
Die Mitteilung war recht kurz.
Sie lautete:

Von
Kalessan an Morki:
Guten Appetit!

Manchmal
sollte man nicht wirklich jeden Scheiß annehmen, der einem aufgetragen
wird…

Written by Der Doktor http://www.die-subkultur.net

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The Sacrifice (Der Doktor)

The Sacrifice

Chapter 1: Departure

She opened her eyes…
The sun hadn’t risen yet, so it was not very bright outside her chamber. Denya jumped out of her bed and went to her window – a noise which sounded like a large crowd had woken her up. It seemed to come from the yard under the window of her house…
Well, it wasn’t really a house…it was a castle. She was the daughter of Baron Leoric and Baroness Margareth, the rulers of small lands somewhere in the East of the continent. When she got to her window, she saw the crowd she had heard on the yard in front of the town’s center. It seemed her father’s soldiers had prepared for something…
She got into her clothes and went down to the throne hall (It wasn’t as big as the throne hall of the kings, but it was better than nothing), where she saw her parents giving orders to lots of people – they seemed to be very busy.
Her father, Leoric, was a man who had just left his best days behind. He was 45 years old and had long black hair and a full beard of the same colour. She knew him as a very good-natured man.
Her mother Margareth looked not very different. She was only two years younger and a bit smaller than him. She had black long hair, too. Both of them always wore black robes – black was their favourite colour.
Her parents were both powerful mages. That could be very useful at war or at a siege…well, that had never happened, so they didn’t have to use their arcane powers very often, only if they were called by some other Baron or King somewhere in the world – but even that didn’t happen very often.
Her parents gave Denya nearly everything she wanted. She could walk around free in the castle and she could do anything she wanted to. Except one thing: She wasn’t allowed to leave the town… Sure, the town was not very small and in the taverns strange people were always telling exciting storys… But she sometimes stood on the walls of the castle and let her eye wander across the beautiful landscape. She wasn’t unhappy in the castle, but she always wanted to get out of here. Of course she thought of running away, but she had never found a way out that wasn’t guarded…and she also didn’t want to betray her parents – she had promised that she wouldn’t run away. So Denya lived her life in the castle for nearly 20 long years – until now…
„Good morning Mum, Dad. What are you doing here?“, she asked.
Her father turned to her and said with his deep, full voice: „Good morning, dear! Did you sleep well?“
„Yes, thanks dad. Now tell me: What does all that here mean? Do you have an assignment again?“
He smiled: „You remember your promise of never leaving this castle?“
Denya was a bit confused: „Of course I remember. Why do you ask?“
„Today you will be allowed to break it.“
First she didn’t realize: „What do you mean?“
They just grinned.
„Do you mean that I will be allowed to leave? Today? Oh, Mum, Dad, that’s wonderful!“
Her mother, Margareth, said: „We kept you too long in this old dusty building. It’s time to get outside and see the world.“
„But you always said it would be very dangerous outside…“
„Oh, yes, it is. And of course we will come with you. You don’t have to fear anything.“
„But…why now? Why did you keep me here for 20 years and now you want to go out with me – just like this?“, she asked sceptically.
„You’re old enough. There are still evil men outside – but you’re now wise enough to have a look by yourself. And we want to give you a special present on your 20th birthday.“ She remembered: Her birthday would be in six days.
„Oh Mum! Dad! That’s better than any present you ever gave me.“
She embraced Margareth and Leoric and burst into tears.

That afternoon her father gave a speech to the townsfolk which explained the reason of their departure and announced their return in twelve days. He gave the leadership over the town to one of his councillors and then they departed. Denya got a goose-skin as they rode through the great towngates – that was what she had dreamed of as long as she could remember. But it came so fast…twenty years – and now, just like this? And she wondered why her parents were taking 20 of their guards with them – usually they travelled alone. So she asked her father.
„Your security is our biggest care. We could not bear it if something happened to you. We cannot always be with you – even wizards have to sleep.“, he smiled, „It is just for your security.“, he repeated.
„But you said I’m wise enough to have a look by myself!“, she protested.
„We’re still a bit worried. And we don’t want to risk anything.“, he responded.
It still seemed a bit strange to her, the whole thing, but she just shrugged her shoulders and enjoyed her new freedom.

Chapter 2: Voyage

They had been on road for 2 days now. They always slept in the forest and off the road. Denya wondered why, but her father just told her, that there were sometimes bandits on the road at night and that they couldn’t rest in taverns with 20 soldiers. Surely it wasn’t very comfortable to sleep in a tent, but it was a completely new experience for her – and one thing pushed away the other one.

Thomas was on watch. The trees rose high above him as dark shadows and the noise of the night forest surrounded him. His post was nearly over – soon he would go to wake Daniel and deliver the watch to him. He was tired and looked forward to lying in a warm sleeping-bag.
Suddenly he heard a strange noise in the bushes left of him – a very strange grunt. He thought it would be some wild boar. His first responsibility was to protect Denya – and he knew that boars could be very dangerous. He woke up Daniel.
„Hey, Daniel!“
„Whassaabbb?“, Daniel mumbled.
„I think there’s some kind of animal in the bushes over there! Seems to be a boar.“
Again this grunt. Daniel was awake at once.
„That…that’s no boar! I know, I’ve been on some boar-hunts! They sound completely different!“
„Well, what is it then?“, Thomas asked.
„I don’t know“, he paused, „Let’s find out!“
Thomas wasn’t very pleased to go into the dark forest – but he didn’t want to learn how Leoric and Margareth would react if a wild boar would ran through the camp rampaging everything in its way.
They lit their torches, drew their swords and went in the direction where the strange noises came from. After about 100 meters through dark forest thus found the mouth of a cave in a hill standing inside the forest.
„Do you think it came from inside, Daniel?“, Thomas asked.
„I only know as much as you, Thomas! What could be in this cavern?“, he responded, with a tone of coriousity. With these words he went into the cave.
„Daniel, are you mad? Come back! Let’s go and wake the others!“, Thomas whispered.
But he didn’t hear him. Soon the darkness swallowed him and later the light of his torch.
„Daniel? Daniel, come back!!!“, he shouted. He looked around…should he go and get help? But that would mean leaving Daniel alone. Thomas didn’t know what to do – he was too afraid to go into the cave.
Suddenly there was a bright flash of light inside.
„Daniel! …oh, Dammit!“, with these words, Thomas swallowed his fear and went into the dark cave.
Soon the small passage widened until it was at least 24 feet high and 18 feet wide.
He could see the light of Daniel’s torch. He began to run, but as he reached the light, he stopped abruptly. The torch lay on the ground – with the carbonized remains of his friend at its side. He stood there. One moment. Two. Then he knelt down. The smell of burnt flesh was in the air. Thomas felt as if he was going to vomit.
What the hell did that?
Suddenly he cursed himself again – he should have got help before he went into this cave. In addition was the possibility that the thing that burned his friend was still in this cave – propably to do the same with him. He got on his feet and looked up, just in time to see something he had never seen before. His eyes widened in terror. He couldn’t scream. He couldn’t move – he was as paralyzed.
A horrible silence.
The horrible sound of splittering human bones.
A horrible silence.

The sounds of battle awakened Denya. She was lying in her tent and heard the screams of her father’s guards, the panicking horses and something very strange. A sound like a loud, angry squeaking. She stood up and went outside to see what was up, just to be pushed back by her father.
„Go inside and stay there. This is nothing for inexperienced teenagers like you!“, he shouted.
So she sat down and waited, a bit injured by her father’s words – what did he say just two days ago…“You’re wise enough to have a look by yourself!“? Suddenly she could see a bright flash of light through her tent. Then there was the squeaking again, but this time it was a sound filled with pain. Then silence followed. Her mother came in. There was sweat on her forehead.
„You may come out now – it’s all safe!“
When she went outside, she saw a horrible scene: In the camp lay the corpses of some guards. The smell of death hung in the air. In the middle of the camp lay the body of the biggest boar she had ever seen. It was at least double the size of the boars the hunters brought into the town she lived in. The boar was pierced with arrows, but that wasn’t what killed it – the boar died from a magic bolt from her parents, which had hit its side, which was now black.
„Oh, good gods“, she whispered.
Nearby stood her parents, talking to one of their guards.
„How many did we lose?“, her father asked the man.
„Five are dead and we’re still searching for Daniel and Thomas“, the guard repeated.
„Oh, damn!“, her father shouted.
„Are there many of these beasts in this forest?“, Denya asked.
„I don’t think so.“, said the guard, Barlic was his name, she remembered, „That’s by far the biggest boar I’ve ever seen!“
„But how could it come in here?“, she wanted to know, „Why should it attack us? And what about Daniel and Thomas?“ She had always played with both of them on the castle walls when she was a child.
„We think that Thomas woke Daniel up and went into the forest with him, where they met the boar and then…I’m sorry, I know they were your friends. We’re still searching for their bodies…“, he repeated sadly.
Everyone was silent, as a call came from one side of the camp: „We found them!“
Immediately her parents and Barlic went in this direction. Denya followed them. As she came near she saw the two bodies of Thomas and Daniel.
Daniel’s body was completely burned and smelled horrible. It looked terrible.
But Thomas‘ one was much worse. Thomas was ripped into two pieces at his hip. Bowels hung out of his dead body – but it was not just his corpse that was so terrible,…it was the look in his eyes. There was pure terror in them. She turned around, staggered two steps forward, and vomitted on the ground. Her mother came to her.
„I’m sorry – it must be horrible to be confronted with death this way…“, she said.
„Did you see the look in his eyes?“, Denya asked
„Yes, I did…“, she responded quietly.
„A boar cannot do this!?“
„I don’t know…“
„A boar cannot burn people like this!!!“, she shouted and pointed at Daniel’s corpse.
Suddenly her father asked: „Where did you find them?“
„Er…in a cave in the north…“, responded the soldier.
„I want to inspect it…now!“
The Soldier was quickly irritated, then he went into the forest and Leoric followed him.
Margareth turned to Denya again: „I’ll go with them. You will stay here, where it is safe! Do you promise that?“
First Denya wanted to follow her. Then she rolled with her eyes and said: „Yes, mother!“
„Good!“.
With that she went into the forest.
That was all very strange…the incinerated corpse of Daniel, the dreadful look in Thomas‘ eyes, the giant boar – they all didn’t fit together. Not to mention the strange behaviour of her parents.
About one hour later, Denya’s parents returned.
„So did you find anything out?“, she asked curiously.
„The cave was empty“, Leoric answered.
„Well, what killed Daniel and Thomas?“
„A human of course, probably a mage. What do you think it should be?“
„But this look in Thomas‘ eyes! No sight of a human being could have cast such a terrible look so terrible in his eyes!“
„We do not know what Thomas saw – and probably we will never know! So do not think about it anymore!“, her mother Margareth responded.
„We are going to leave soon, so get your things together!“
Denya wasn’t satisfied with her parent’s answers. Why should a mage attack two guards in a cave deep in the darkest woods? But she didn’t ask anymore, she knew her parents too well – she wouldn’t get any response from them.

The thirteen remaining guards soon were very busy at breaking down the camp and got ready to travel on. But there was a depressed athmosphere between the guards. They lost some of their friends and their masters just wanted to go on as if nothing had happened. It was very strange to all of them, but Denya could understand her parents very well for getting away from this horrible place as fast as possible.
Finally they buried their comrades and spent silent minute. Then they went on with their voyage to the mountains which could be seen a couple of miles away. But this day everyone was in a bad mood and nobody wanted to talk about the events of the last night.

On the fourth day they travelled through a village of medium size. Some of the people looked up from their work to watch them passing. There were peasants, blacksmiths, traders, young girls and children. But one person was very conspicuous. An old man with a full white beard and a red robe. He watched her with an expression on his face she had never seen before: His face expressed nothing. Nothing! No sign of interest, hate, love etc. He just watched her. Could this be the mage who killed Daniel and Thomas? Did he send the boar into their resting place? Suddenly her horse panicked and pranced. She tried to calm it down with good words. As she looked in the direction of the old man, he had disappeared.
„Dear, what happened?“, her mother asked.
„Nothing, my horse just panicked suddenly. It’s OK…did you see that strange old man in the red robe?“
„No – old man?“, her father responded.
„He stood just over there“, she pointed on the place where the man had stood, „he was looking at me very strangely.“
„Hm…we better be careful – perhaps it was just a crazy old man…but you never know!“
Then he didn’t want to talk anymore and seemed to be lost in his thoughts for the rest of the day.

This time they passed the night in an inn directly on the road. Denya’s father said it would be too dangerous to sleep in the forest this time – perhaps he was more worried about this old man than she thought.

This night Denya had a dream:
She saw two mages fighting a magic battle. One of them was her father, Leoric. The other one she didn’t know, but she meant to remember him from somewhere.
Then she saw the old man with the red robe from the village. He spoke to her without moving his lips: Come…come…Denya…Denya…
Then there was a dark mountain at night with the big full moon above it, shining brightly. But suddenly the moon’s colour turned red, as if blood would stream down its surface and voices appeared, first whispering: „Death…death…death“. As the moon became even more overcast with blood, the voices got louder and louder. And as the moon was completely red, they screamed:
„DEATH“
She wanted the sound to stop.
„DEATH“
She wanted to cover her ears.
„DEATH“
She woke up…
„Death“
It echoed in her mind.
„Death…“
Her breath was fast.
Her heart was beating.
What a strange dream, she thought.
There was a noise outside – a rustle. She went to her window. The only thing she saw was the edge of the forest before her. But wasn’t there a shadow in the bushes? Suddenly a strong weariness overcame her and the thought that it would be better to go to bed. So she went back to bed. Her last thought before falling asleep again was: Only a dream! Only a shadow in the woods! Nothing serious…

The next day they travelled through open landscape. It was a clear and sunny day and the company was in a good mood and without any thoughts about the events of the past days. Even her parents who had been very silent were now in a joking mood and they laughed with Denya and their guards. Her dream was nearly forgotten. Still the thought Only a dream, nothing serious!, echoed in her mind. Therefore and because she didn’t want to ruin the good mood of her parents, she did not tell them anything.
So they went on, with the mountains at their front and sorrow at their backs.
At about midday they travelled on a road at the edge of a forest. Suddenly something very strange happened: A dark cloud seemed to appear over their heads directly out of nothing. It began to grow very fast and a heavy rolling thunder could be heard. They all sat on their horses and looked upwards, everyone with an alarmed or fearful expression on his face – especially Denya’s parents.
Suddenly it began to rain heavily.
„That’s not good…“, said one of her father’s soldiers.
Another one said: „Hey, ´tis just a storm! A little rain and some thunder won’t hurt us!“
It was a bitter irony that exactly this man was hit by a powerful lightning bolt that stroke down. He was still able to scream – but after a few seconds of being electrified he stopped and fell to the ground as a smoking corpse.
The horses panicked – as did some of the guards.
She heard her Leoric screaming: „GET ALL YOUR ARMOR AND YOUR SWORDS OFF AND THROW YOURSELVES TO THE GROUND!“
Another soldier was hit by a lightning. The cloud, which surely wasn’t a natural one, seemed to chose its victims as if it were controlled by some unknown power. Denya’s horse pranced and threw her to the ground where she kept lying as her father had said and watched what was happening around her. Everything seemed to happen in slow motion: She saw the guards getting off their panicking horses and trying to get their armour off – some of them were not fast enough and got killed by the powerful lightnings or were trampled by their own horses. Suddenly she saw one of the horses running directly towards her, blind in fear. She rolled aside, just a split-second before a mighty hoof hit the ground directly beside her face.
Suddenly the rain stopped. She looked upwards – and the dark cloud was away…just away! Six guards had survived the magical attack. The others had been burned, were trambled or they had fled. She saw her parents running towards her.
She had to be very dirty with all the mud she had been lying in.
„Denya, are you alright?“, her mother asked with a worried expression on her face.
But Denya didn’t answer. She just had to stare straight ahead. What she saw caused an unspeakable fear in her.
„Mum? Dad?“
They turned around and now they also saw him. The old man in the red robe was standing about 150 feet away from them and watched.
Then he exploded.
He exploded into a giant cloud of red particles that began to spin around, like a tornado.
She heard the astonished and fearful screams of the guards – but she just looked at the wonderful spectacle in front of her.
Soon a big silhouette could be seen in the cloud. The silhouette seemed to gain more and more consistency while the cloud lost at density. Now she could make out some details of the shadow in the cloud.
No…No! That’s impossible! This can’t be real!, she thought – but she watched the transformation and doubted her intellect more and more. Was she going mad? She took a look at her parents – but the expressions on their faces said, that they were seeing the same.
As the transformation ended she was sure she was not crazy…this was real – a real red dragon was standing in front of the small group of humans. He was about 90 feet long and had huge batlike wings with a span of nearly 100 feet. He had lots of spikes on his back, horns on his head, a long neck, four sharp claws on each of his feet – yes, this IS a real dragon, she thought. No fake, no magic, no illusion – reality!
And the dragon looked at HER.
The only thing Denya could do was stare into the smaragd-green eyes of the creature.
But suddenly it spread its wings and threw itself into the air to fly in their direction.
„OH MY GOD, IT WILL KILL US ALL! FLEE! FLEE!“, screamed one of the guards and caused another panic among his companions. The guards began to run in different directions. Then the dragon came. He opened his mouth and spit a white flame that incinerated Barlic and another man she didn’t know. That was too much for her…she turned around and ran into the forest in a wild panic. What she didn’t see was, that her parents attacked the dragon with magic fireballs which didn’t seem to affect him – and that the dragon was watching her running into the woods.
She ran as she had never run before. Branches whiped her face and left some bloody cuts – but she didn’t care, she just wanted to get away from the death and the fire. Finally she landed in a clearing in the forest. She was out of breath, put her hands on her knees and tried to rest a bit. But something was wrong: She didn’t hear anything – no animals, no birds, nothing. Only the wind rushing through the trees. But there was no wind. The trees did not move. She was paralyzed as the giant shadow appeared over her.
The last thing she remembered before losing consciousness, was being carried through the air by two giant claws…

Chapter 3: Prophecy

A red moon…
The smell of death…
The fire…
The green eyes…
Green eyes…
She was lying on hard but plain rock. First she couldn’t see anything. Then her eyes grew accustomed to the darkness. She was lying in a cave staring at the wall in front of her and trying to remember what happened – and why she was here. Was it just a bad dream?
She heard a noise behind her. She rolled around. There lay the big red dragon, blocking the exit of the cave and watching her. Then she immediately remembered everything that had happened, got to her feet and went slowly backwards until she hit the wall behind her. The dragon just watched her. Suddenly she heard herself thinking:
Don’t be afraid!
But she was afraid! Why did she think this?
I won’t hurt you.
Why the hell did she think such strange things? Was she going mad again? Then she had an idea:
„Are…are you speaking to me?“, she asked the dragon and felt herself a bit ridiculous.
Denya thought…no the dragon said: Yes
„You are talking to me…through my mind?“
I do not have vocal chords like your species, so I have to use other methods of communication to make myself understandable for you, Denya.
It seemed to her as if she was speaking with herself. But then she reminded herself of the situation she was in.
„How do you know my name? Why did you bring me here? Why did you attack us?“, she asked angrily.
Your species always asks so many questions at one time…, she thought with a touch of amusement in her own mind – that was crazy!
I know very much about you, Denya, and I brought you here, because I want to protect you – I had to kill the other humans to do this.
„But I was safe all the time – until you appeared with your magical tricks!“ It was really crazy: She was standing in front of a real dragon that could kill her any time and in 1001 different ways – and she was just about to make him very angry. But she had no fear – she wondered why, but now it was too late to backstab… To her astonishment, he didn’t get angry and…smiled! Well, the showing of his big sharp teeth seemed to be a smile to her. Although it could have caused panic in the heart of even the strongest warrior.
You are angry – I understand that, Denya. But you have to believe me!
„Why should I believe you, dragon? You have taken me away from my parents and you are holding me prisoner in a dark cave!“
First of all, you are not imprisoned! When you want to go: Over there’s the mouth of my cave. He pointed with one of his claws into the direction of the exit.
But there’s one thing about your parents you have to know before you go!
First she was a bit astonished: The dragon took her with him just to let her go few moments later?
„You would let me go now? Just like that?“, she asked. The dragon nodded. She paused. „What do I have to know about my parents?“
Leoric and Margareth are not your parents.
At first she said nothing. That’s not true…no, that’s not true. The dragon is lying…yes, it has to be a lie…HELL, DENYA, THAT CANNOT BE TRUE!, she thought. But she wasn’t as convinced of this as she should be…
After a minute of silence and ringing with herself she asked: „Can you prove that, dragon?“
I think I can…but you have to trust me!
„I ask you again, dragon: Why should I trust you, after all that has happened?“
Well…I did not kill you…
Now, that actually was a good reason… If he wanted to kill her, why should he play such games?
„How do you want to prove what you said?“, she asked tonelessly.
I know a spell that can help you remember things you have already forgotten.
„Aha! So tell me: how should this prove that my parents aren’t my parents?“, she asked now with anger in her mind.
I can help you search for the memories of your true parents and how they got killed by Leoric and Margareth!
„My…they killed my „real“ parents? This is absurd…“, she laughed – it didn’t sound very convincing.
Do it or let it be – it’s your choice…but I promise it won’t hurt.
She thought about it…what could he do with her? What would happen? It surely wouldn’t be prejudicial…
„OK – show me what you have to show.“
I can only show you, what you already know, but is buried deep in your mind. Lay down!
She hasitated a moment – then she lay down on the hard ground as the dragon said.
The dragon moved one of his sharp claws into her direction. Suddenly a panic overhwelmed her. Her heartbeat and her breath got faster. She thought: He will kill me, good gods, he will cut me into thousands of pieces…
I have to touch your head to perform the spell. Don’t be afraid.
And she really calmed down – Is this some kind of magic?, she asked herself.
Now relax and close your eyes, Denya!
As she was completely calm now (although she didn’t know why) it was no problem for her to relax. And as she closed her eyes she didn’t mind the dragon, that gently touched her face, anymore.

She found herself lying in some kind of basket. It seemed to be a memory from the time when she was a baby… She couldn’t move, she couldn’t speak – the only thing she could do was watch the scene in front of her: She saw a tall and slim man in a white robe standing before her basket, with his face looking in another direction. In the corner of her eyes she saw a woman holding her basket and whispering soothing words in her ear. Then she saw another man appearing in her field of vision – it was her father, Leoric. He said something:
You fool, you have no chance against my arcane powers! Hand out the child right now and perhaps I will spare your worthless life, and that of your wife.
No – you will have to kill me to get Denya into your dirty pranks, bastard!
She couldn’t help it, she KNEW that voice from somewhere!
It will surely be fun killing you, fool!
The two men began to circle round each other. Then she saw the other man. It was the man of her dream last night. But he appeared somehow familiar to her. With an expression of concentration on his face he stared with his blue eyes into the face of his enemy. Leoric on the other side smiled an evil smile and seemed to be amused by the behaviour of his prey. This was not her father as she knew him… But the other one… He sent a quick look in her direction, smiled – and suddenly Denya was overwhelmed by the realization who her father was… Now her real father cast a fireball in the direction of Leoric, who dodged away and now began to cast a spell himself. Denya didn’t pay attention to the magic battle in front of her or to her crying mother. She was in a trance, unable to think clearly. Her head was empty. What wakened her attention again was Leoric sinking to his knees, totally exhausted.
Do you give up?, her father asked.
Let me think about it…, repeated Leoric with a strange smile on his face.
One moment later her father was hit in the back by a lightning bolt that made him squirm on the ground in pain. Margareth appeared from the left.
No!, said Leoric sarcastically and stood up.
Then he drew a dagger out of his black robe, went over to her father, took his head by the hair and bared his throat. Then without any word he let the dagger without any word slowly glide from one ear to the other one. Her father gurgled and with a swall of warm red blood he sank to the earth, where he died – drowned by his own blood.
Denya wanted to scream. She wanted to close her eyes. She wanted to stop this nightmare – but she couldn’t do anything, as in the dream she had the night before. Then she saw her mother positioning herself in front of her basket. Denya knew what had to come now but the only thing she could do was think No, please, don’t!. But her mother was pushed away rudely by Leoric. She was now out of sight, but she saw her „father“ kneeling down beside the basket. His hands began to glow and he put them both down with a sadistic look in his eyes and a mad smile on his face. Then she heard her mother’s screams. The screams were not human anymore as Leoric tortured her to death. Denya thanked the gods that she did not had to see the terrible scene. There came Magareth into her field of vision. She bowed over her basket and smiled.
Hi Denya, my little daughter!

She was in the dragon’s cave again. But she was still paralyzed. She couldn’t move, speak, scream… The dragon just watched her, as a tear ran down her face, bursting on the hard rock of his cave.
I know this is hard for you! To be confronted with death and violence at such a young age… I’m sorry.
Margareth had said the same thing to her a few days ago. No…he didn’t know how hard it was…he couldn’t guess the inner pain she felt.
I have known your father since before you were born!
She looked up.
He saved my life when your mother was pregnant. I was badly injured when your father found me in the woods. He tended me for one week until I was healed. The only thing he wanted to have as a reward was a promise. I had to promise that I would protect his child after its birth – you!
She looked at him in disbelief.
„But where have you been all the 20 years of my life? Where were you been when my parents died?“, tears began to fill her eyes again.
I came to late…
She cried: „But you promised to protect me! Why didn’t you stay with my parents? Why did you leave them alone?“
To be together with humans: That’s no life for a dragon., there was an angry emotion in this thought.
And I have sworn to protect YOU, not them. You have been safe for the last 20 years. Now you’re not anymore – so I rescued you from Leoric and Margareth.
„They both have always been friendly to me…I still do not understand! Why did they treat me as if I was their child? And why do I have to be rescued from them now?“
There’s something more you have to know about yourself… I’m sure your parents never told you anything about the „Prophecy“?
Even more terrible things she would have to know…
„No, they didn’t tell me…“
About ten years ago, every creature on this planet with a magical ability, human and dwarven mages, elves and even dragons, dreamed the same dream: One of the old gods spoke to us. He said that a child would be born. A child that could give the gift of immortality to the one who would sacrifice it to the gods on the old druid mountain on its twentieth birthday. When its born, everyone who dreamed this dream would know where to find the child. And really – ten years later everyone felt a great magical presence and lots of people were drawn into this direction.
That was very much to think about.
„I am the child…“ – it was no question.
The dragon smiled a somehow sad smile.
Yes, you are… I don’t know why the gods did this. I would say it’s one of their cruel games they’re playing with this world. Perhaps they thought it would be fun to see, how humans, dwarves, elves and dragons kill themselves just to gain a child and to murder it later… But they didn’t reckon with Leoric and Margareth… They cast a spell on you that blocked this attractive power. And the contact to you was lost by everyone. The gods didn’t react…no one knows the ways they’re going…so you were kept undetected for 20 years. I knew where you’d been, but I couldn’t do anything against a whole town of soldiers. So I had to wait until now.
For some reason Denya knew it was true, what the dragon had said. She just couldn’t think this creature was lying. In addition the whole story matched with the dream she had the day before…
Her life would be completely changed through all the things she had heard and seen in the minutes before. It sounded like nonsense: Her father killing her father…a dragon protecting her from her father…a prophecy predicting her father trying to kill her… But it wasn’t her father!?! She still wasn’t sure. She remembered Leoric with this evil grin on his face… Then the other man looking at her mildly… And then Leoric cutting his throat… If my parents are really so cruel, than they have been very good actors the last 20 years…, she thought. She was tired – so much had happened… She was still lying on the floor, so she fell asleep very soon, deep in thoughts…

When she awakened she saw the dragon that slept a few feet next to her. It was late afternoon and the sky outside the cave slowly turned red. She went to the mouth of the cave to take a look at the landscape. The cave was inside one of the mountains. The rock in front of the cave fell steeply down. No chance for a human to get up here.
Nice view, hm?, she thought…and needed some seconds to notice that she didn’t want to think this. She turned around. Smaragd green eyes watched her.
„Yes, it’s beautiful…“ She hadn’t figured the view…
Silence.
„I have thought about everything you told me. Why did you kill all these people? Why didn’t you just catch me at night or when I was alone?“
I didn’t want to risk anything. There were too many guards. And if I would have failed it would have been even more difficult to rescue you…
Again she thought about it – did she really have to be rescued from her parents? Did they really want to kill her? Aloud she said: „Immortality…just by killing one person… it still sounds unbelievable. And why am I that person?“
The gods have chosen you. Now that I’m near to you, I can sense it even through the mighty spell of your parents.
„And why are you so sure this immortality story is true? Why are my par…Leoric and Margareth so sure?“
He growled.
You do not understand, human! I had this dream! Other dragons had this dream! Leoric and Margareth had this dream! Even your real father had this dream! Do you still think this is chance?
Angry emotions hit her mind and mixed with her own.
„Don’t call me human all the time! You know I have a name. By the way, what’s your name?“
Call me T’Sana!
„T’Sana…that’s a strange name!“
Call me dragon, call me T’Sana – there’s no difference!
He was still angry.
Again, she was silent.
Then she said: „I’m sorry. I’m still confused by everything that’s happening. What would you say, if a creature that is a hundred times larger than you tells you that your parents aren’t your parents and that the whole world is hunting you because you are carrying immortality around with you!“
Suddenly something like happiness came into her mind and then the dragon…laughed! It was more a strange grunting, but a clear laughter in her mind – it seemed as if she laughed for the dragon emotionally and the dragon would just make the matching draconic sounds.
„Why are you laughing? What’s so funny about that?“
It’s just kinda cute to see you standing in front of me, still with fear in your mind, but complaining as if I were your wife. You are looking good in red!, he said with a grin.
She turned around in anger. The dragon continued to laugh and her own emotions and those of the dragons fought each other. At least T’Sana won the mental battle and she was laughing together with him.
After a minute of laughing, she asked: „Tell me, T’Sana, do you have something to eat in your cave?“ He got serious immediately.
No, I haven’t. And I will not go hunting. Someone could follow me back to my cave.
„So…what about water? I will not survive very long without any water, you have to know…“
Very funny! Deeper in my cave is a spring, there you can drink and wash yourself.
She looked deeper into the cave. It was just a black hole in the wall.
„I cannot see anything there!“
T’Sana sighed.
Humans…take that!
A yellow ball appeared in one of his claws. It shone like a torch. She took it – although it burned like a flame, it was cold like a stone.
„Wow!“, was all she could say.
Then she went down the way into the cave that she could now see clearly.
As she went deeper into the cave it got warmer. There she found a small lake. She laid the light onto the floor and touched the water surface with one of her toes – it was comfortably warm. First she drank some water – it tasted fresh and clean. Then Denya took off her clothes and slipped into the small lake where she swam around and enjoyed the warmth. Then she got out of the water and noticed that she hadn’t anything to dry her body. She would have to wait. So she kneeled down and watched her mirror image in the lake. She saw the scratches on her face. Denya couldn’t remember herself ever looking like this. It was crazy…everything was crazy.
Your bodies are…so fragile…
She turned around and tried to cover certain parts of her body as she saw T’Sana standing in the mouth of the cave.
Do you think your naked body attracts me? I am not human! And I’m as naked as you are. Do I cover my genitals when I see another dragon? Or a human? Nature created us both as we are in the moment. But you humans always have to wear these clothes to hide what you are: Animals! Animals like horses. Animals like elves or dwarves. Animals like dragons.
She was confused: „What…what did I do?“
A sigh went through her mind.
Nothing…it’s just that I will never understand you humans…
„You…do not like humans very much, do you?“
Yes…
„But why? What’s so bad about humans?“
Did Leoric and Margareth ever tell you anything about dragons?
„Yes, of course!“
And they told you that dragons were furious and brutal creatures that liked to hunt and kill humans and animals just for fun?
„Something like that, yes…“
Now, do you see one of those dragons in front of you?
„Well…no!“
And that’s the point! At first they hunted us, because we ate „their“ cattle. As if it belonged to them! The humans that battled dragons spread stories about the fights against the „furious beasts“ and caused even more humans to free this world from the „disease“. The stories got more and more fantastic: The story that dragons would hoard treasures…it is complete nonsense – but it caused thousands of humans to kill dragons in search of glory and treasure. The humans believed everything they heard: that dragons would only eat young virgins and that they would steal men and children to be their slaves. They nearly exterminated our whole species. Only a handful dragons are left… And everything just because of some rumours…
First he was angry and she ducked her head instinctively, but then the voice in her head became sad – so sad that tears filled her eyes.
„Would you sacrifice me, if you could?“
The dragon paused and mustered her with his deep green eyes.
I don’t know…but I gave a promise. Dragons hold their promises – even in front of humans. So I would give my life to save you from death.
„T’Sana?“
Yes?
„I will tell the humans the truth. I will tell them now you dragons are in reality. And I will tell them not to hunt you anymore. I promise!“
T’Sana smiled.
That’s nice from you, Denya. But I know that you humans do not always hold your promises.
„I will hold my promise!“
We’ll see…
Suddenly the magic light from T’Sana began to flicker.
I think we better go upstairs. I think there will be better light for you. And a wonderful sunset.
So Denya put on her clothes and together they went to the mouth of the upper cave, the young woman and the old dragon. But as they reached the cave that was lit by the red sky outside, both of them stopped suddenly. T’Sana growled.
Leoric and Margareth were standing in the mouth of the cave.
Denya stood rooted to the spot.
While Leoric had an eye on the dragon, her „mother“ smiled and said: „Hi, Dear!“
„How…how did you get up here?“, Denya asked.
„Not only dragons can transform themselves into other beings.“, was her answer with a look at the huge creature beside her. Denya wondered why he didn’t say anything.
„What do you want?“
She laughed: „Oh, Denya, aren’t you happy to see us? We have searched for you the whole day! We have been so worried about you! This creature could have killed you!“
„But he didn’t kill me! Besides that he showed me what you really are, you murderer!“
Her mother now had a really worried expression on her face. This couldn’t be acting, she thought…or could it…?
„What do you mean, dear? Why do you call your mother a murderer?“
„You are not my mother!!!“, she nearly screamed.
Now she looked really dismayed and she nearly whispered: „Oh, Denya, dear! What did this creature tell you?“
„He showed me how you killed my real parents! You and Leoric together!“
Her expressions are so real…
„Don’t you see? He showed you an illusion. Something that has never happened…“, it seemed her mother was nearly weeping.
„No, he didn’t. I know it!“, but she was not as sure anymore. „T’Sana told me about you and the Sacrifice! You brought me up over 20 years…just to kill me now?“
„Oh, dear, I think it’s too late. You’re stammering nonsense. His influence on you is already too big! Please, Denya, come back!“
Denya was totally confused by the situation. Now she couldn’t believe her parents betrayed her, but she still had some pictures of the vision in her mind. She stood between T’Sana and her parents. Her mind seemed to fight with itself: In one moment she remembered the two humans in front of her as her parents and what they did for her in the last 20 years, then came the pictures of Leoric and Margareth killing her father. She was pulled in one direction, then in the other one…as if T’Sana and her parents would fight a battle in her head…
Until Margareth stretched her hands out and smiled – it was the same smile she gave her 20 years ago when they had met first… Suddenly her mind was free. She made a step into T’Sana’s direction. Then another one.
The smile on her mother’s face stopped abruptly.
„Wrong decision, dear!“
With these words her father who had been as silent as T’Sana the whole time cast a mighty lightning bolt onto the dragon, which screamed in agony. Her mother also cast a lightning bolt and T’Sana was completely wrapped in jerking lightnings. Then he stopped screaming and fell to the floor, motionless.
„No!“, she whispered it. Was she doomed to bring death to all the people she loved?
She turned around to her parents, with tears in her eyes „YOU BASTARDS!!!“, she screamed, weeping.
„Shhhshhh, Denya! You surely don’t want to be in a bad mood tomorrow. After all, it’s your birthday. Sleep now!“, her mother said with her typical cold smile. Then she touched her eyes with her fingers and a wonderful darkness surrounded her.

Chapter 4: Sacrifice

It was night.
She didn’t know how long she had slept.
The full moon was shining above her.
She couldn’t move.
Denya was tied on some kind of altar. To the left of the altar seemed to be a cliff – the ground just ended there. To her right stood a few old trees on the hard and stony earth. This had to be the Druid’s Mountain. Between the trees a fire was burning. She could hear her parents.
„And you are sure the spell works, Leoric?“, that was Margareth.
„Yes – the energy will split and flood into us both. Don’t be worried Magareth, it will work, I’m sure…oh, look, our girl is awake!“
With these words he appeared in her field of vision. His face was as grave as it had always been.
„Did you have a good sleep, dear?“
She did not answer and turned her face in another direction.
He sighed: „Denya, tell me! Wouldn’t you do this at my position? Imagine! You could do what you want! You would have power – endless power! You would not have to fear anyone…or anything!“
„But I would not kill someone I have known and loved for 20 years!“
„Oh, Denya, you’re so naive. Let me tell you something: We never loved you! Never!“
She turned around again: „That’s not true! I know you loved me. I could feel it throughout all the twenty years. You cannot say you didn’t love me! You cannot!“
He laughed: „Oh, dear! Maragareth’s telepatic abilities were better than I thought. You have to know she manipulated you the whole time. She told you mentally never to leave the castle – so you did not flee. She gave your subconscious the idea that we loved you. So you had this feeling. She made you do things sometimes you didn’t want – without you ever knowing it!“
„But…I never wanted to leave the castle, because…because…I thought, you would…“, she burst into tears. She couldn’t speak anymore. It was a shock: 20 years – a game, a drama, a play of twenty years. Just for her.
Leoric continued: „You should know, when I first dreamed of the prophecy, I couldn’t believe it of course. But when I spoke with Margareth and some other mages, who had all the same dream, it got more and more likely that your birth would happen and the prophecy would show itself as true. And then ten years later we sensed the power – the pure magical power. We were drawn into your direction magnetically. The only time in my life I really loved you, was when we found you in your basket and I knew that you were real…“
„After you killed my parents, murderer!“
He knitted his brows.
„I didn’t know your parents, but I can speak openly and honestly, when I say…“
He stopped. His eyes widened. He groaned…and then he collapsed, dead. Behind him stood Margareth with a bloody dagger in her hand. And with her typical smile she said: „Sorry Leoric, but I wanted to be sure that nothing goes wrong at the Sacrifice…but you surely understand me.“
Then she looked up.
„I don’t know the exact time, but your birthday is very near, Denya! Oh, as he told you, it was a hard time with you! I always had to concentrate when you were near at first. Five years of work until you fully accepted us…and this dragon destroyed everything within a day! He was powerful – but not as powerful as we thought. He was easy to defeat. Was he your friend?“
Denya nodded.
„Oh, I’m sorry. I’m sure you will soon meet him again. But please, dear, be honest: Did you fully trust him? You knew nothing about him. He could have eaten you when he got hungry…just like that! You don’t know what you have chosen as a friend! He is still a wild animal!“
„NO! YOU do not know what I have chosen as a friend! You don’t know anything about dragons! You know only the stereotypes of them – you don’t know what they really are! And you’re much worse than this wild animal!“
„I think I have to tell you that this dragon had similar powers to me. I think he manipulated your mind like I did years before. I don’t know exactly what he told you, but I think the least of what he said was true. I think he was a liar like me and Leoric. He would have brought you here by midnight and he would have killed you. But he is dead – as Leoric is. I’m the last liar standing! I’m the winner of the great game of the gods! And I will join them after I have conquered this world for myself!“, she nearly screamed the last sentences – then she got quiet again, „I have you to thank, Denya! Because you will give me the gift, the power!“
Margareth kissed Denya on her forehead. Then she raised her bloody dagger.
„Happy Birthday, Denya!!!“, she cried.
But the dagger did not come down. Margareth was just standing there. Denya could see through a great round hole in her belly. Suddenly a claw materialized in the hole – and behind her T’Sana, the red dragon. He had just pierced her with one of his sharp claws. Margareth’s rattled and she spat blood – then the dragon raised her and threw her body into the air. As she flew he took a deep breath and spat a great white flame in her direction. Only ashes were falling to the ground. He turned to Denya and smiled.
Invisibility – very useful…
„T’Sana, I thought you would be…“
Dead? Oh, it takes a little bit more to kill a dragon than some lightning bolts from two human-mages! Are you alright?
„Yes, thank you“, now she smiled, too, „I thought that would be my end…“
Hey, I told you they wouldn’t hurt you!
The dragon smiled even wider.
But you may relax now – it’s over!
„Yes…finally…“ So her muscles relaxed. And then she had a vision.

She was flying. It seemed to be the same spell T’Sana had cast on her in his cave.
But it couldn’t be one of her memories…it was a memory of T’Sana! She was in his body, she shared his vision, his feelings and even his emotions – she was a dragon! Denya was flying above the clouds, so a beautiful white landscape spread under her.
And she felt a magical presence. A magnetic power that forced her to fly into a special direction. Then she broke through the clouds. There were woods below her…rivers, meadows and roads. And there she found what she had searched for. Two humans were on the road – her sharp eyes detected a man and a woman…and the woman carried something. A child…the child she was searching for. Denya’s mind knew what had to come now – but her mind was still a low voice she didn’t notice. She was overwhelmed by the feelings she had. It was wonderful to fly…it was pure freedom! Now she was very near to both humans, so she went into a glide not to scare them too soon. But a few seconds before she landed, her shadow fell over them and they turned around. The woman screamed and the man’s eyes nearly fell out of his head. The baby, her target, also began to scream. But Denya was still enthralled by the completely new feeling of T’Sana’s body and she ignored the voices that said she knew the two faces in front of her. She landed directly in front of the two humans which caused them to make some steps backwards.
The man reacted first: „What do you want, dragon?“ He really had courage.
She could hear T’Sana think…or was she thinking?
I want that child.
„No! You’ll never get it! No one will ever get it! It is my child and I will protect it from everyone that’s going to come and steal it for this damn Sacrifice! Come on, dragon, fight me! I have no fear!“
You fool! Do you really think you can win this battle?Just hand out the child and perhaps I will let you and your wife live!
The man just watched her. The he raised a hand – and out of his finger came a magic bolt which hit her chest and froze her immediately. The pain was terrible. And that brought her out of her lethargy. She was not T’Sana, she was just in his body…and she was about to fight her father! He still looked like the man the dragon had shown her in her old vision.
But for now, T’Sana’s body couldn’t move. She watched her father as he said: „Ha! You think I’m as easy to defeat as other humans? You think it would be easy to get the child of immortality? Just like this? YOU are the fool, dragon!“
With these words he cast some magic spells that caused horrible pains throughout her body. She wanted to stop it, but she had no control – she could only watch, think and suffer. But then the mage, her father, made a mistake: In his rage he cast a magic firebolt to make him feel even more pain. Of course that caused the ice to melt and the dragon was free again. He raised a claw and pinned her father to the ground.
I think the answer to the question „Who is the fool?“ has changed again – but I also think it won’t change anymore…
Then SHE took a deep breath. She didn’t want to see what had to follow now, but she couldn’t close her eyes or look away. So SHE spat a bright flame that was just as hot to let her father live and scream in agony for a couple of seconds until the screams stopped and the fire SHE spat gained more brightness and finally burned him to ashes. She felt T’Sana’s deep satisfaction – and she wanted to scream and wake up…but the torment continued.
T’Sana searched for the woman – she ran down the street. But the dragon was weakened by the pain. Not without exertion, Denya threw himself into the air and followed her. Suddenly the woman stumbled and fell down. Denya roared triumphantly while she was thinking No, no, please, don’t… She landed before her mother. The relatively young woman got on her feet and stared into the eyes of Denya’s draconic body. The child was nowhere to be seen…
Where’s the child, human?
Fear was in the eyes of her mother…she could even smell her fear. But the woman said: „I won’t tell you! You will never find her! Not in a thousand years!“ Then she spat on the ground in front of the dragon. A great anger overcame Denya. The SHE opened her mouth and closed it over her. Then SHE raised her head and swallowed her own mother who was still struggeling and screaming in her mouth. At this action all thoughts of Denya screamed in psychical agony – but her thoughts were the contrasts to the feelings of her body: She could taste the blood of her mother – it was really delicious! And after swallowing her mother completely there was again this feeling of complete satisfaction. These paradox feelings and thoughts drove her mad – but the vision still continued. Suddenly she heard horses with her great sense of hearing. They seemed to be one or two miles away. She threw herself up into the air and peered into the direction the sounds came from. There were two horses – she knew the humans that sat on them. It was Leoric and Margareth. Suddenly a wave of deep anger overwhelmed her. T’Sana was too weak to fight both of them – they were too powerful for him now. He watched them from the air while they found the child somewhere in the woods beside the roads. Then he followed them to their castle that wasn’t really far away.
But Denya had just one thought for the rest of her vision:
I killed my parents…
I killed my parents…
I killed my parents…
I KILLED MY PARENTS!

„I KILLED MY PARENTS! OH, MY GOD, I KILLED MY PARENTS! I KILLED MY…“
SHUT UP!!!
She was immediately quiet. She wanted to scream on, but something told her not to do so. T’Sana was still smiling his draconic grin – but now she realized it as the evil smile it had always been.
For some reason you’re right, my dear Denya! You really killed your parents! Your birth…your existance killed them!
„Why? Why you? What…what about your promise?“
You’re still a foolish child! This promise doesn’t exist! And you know the reason why I’m doing this.
„Revenge?“
Partially! Mainly I cannot live on this planet together with your species! You are spreading all around the world and you declare yourselves the great rulers of it! But you’re weak! Look at yourself! What are you without any weapon or magical abilities? Meat! That’s what you are! It cost me great effort not to kill you immediately when you were in my cave. And it cost me even more effort to talk to you like a cute little pet! But I think that what’s coming is worth the trouble! Millions of people will die – just because of you!
With that he raised a talon and pointed it on her chest.
She closed her eyes…

Epilogue

T’Sana was standing at the cliff. He could feel the power streaming through his veins. It was true! He was immortal! It wasn’t just a feeling – it was an inner assurance. He just enjoyed the pure power that was flooding him for about half an hour – then he asked himself what to do with his new power. He had just forgotten it. Then he saw some lights on the road under him. It was a caravan of gypsies. Oh, yes…he knew what to do with his new power now. He spreaded his wings and flew down the mountain.

A slack hand was hanging down the altar, still lit by the fire on the mountain. But the flame had burned down and wouldn’t do it any longer.
As the screams of dying humans sounded up to the mountain, the fire began to flicker. It wasn’t the sound of a battle – it was the sound of a massacre. Men, women, children, even babies – they all screamed and died in pain and agony. Only the triumphant roaring of the dragon was louder than the terrible noise of dying humans.
And as the last screams of a dying child echoed over the mountain, the fire went out…

Written by Der Doktor

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Tristan und Isolde

Auf seiner Burg zu Tintajol herrschte König Marke über Kurnewale und England. Er war geliebt und geachtet von allen Bewohnern seines Landes, und viele hochgesinnte Ritter und schöne Damen scharten sich um seinen Thron. Unter ihnen war Tristan, des Königs Neffe. Seinen Vater Riwalin von Parmenie hatte König Morgan von Bretagne erschlagen, und seine Mutter Blancheflur, König Markes Schwester, war nach der Geburt des Knaben vor Gram gestorben. Weil es in Trauer geboren worden war, hatte das Kind den Namen Tristan erhalten. Riwalins Lehnsmann, der treue Marschall Rual, hatte sich seiner angenommen und ihm eine sorgfältige Erziehung gegeben. Später war Tristan nach mancherlei Irrfahrt zu seinem Oheim nach Tintajol gelangt und hatte an Markes Hof alle Herzen für sich gewonnen. Unübertrefflich war er in allen ritterlichen und höfischen Künsten, und als er, kaum den Knabenschuhen entwachsen, den Ritterschlag erhielt, wußte jeder im Lande, daß niemand solcher Ehre mehr wert sei als der jugendliche Tristan.

Bald darauf trat der junge Ritter vor König Marke und bat um Urlaub, um nach Bretagne zu ziehen und den Tod seines Vaters zu rächen.

Das geschah, und Tristan erwarb sich hohen Ruhm. Er erschlug Herrn Morgan, den Mörder seines Vaters, und gewann sein Land zurück, das er dem treuen Rual zu Lehen gab.

Als Tristan an Markes Hof zurückkehrte, fand er das ganze Land in Trauer. Morolt, der Schwager des Königs von Irland, war gekommen und hatte einen Tribut eingefordert, den König Marke von früher her schuldete. Dreißig schöne Knaben sollten als Geiseln gestellt werden. Da beschwor Tristan König Marke und seine Ratgeber, den Tribut zu verweigern und die endgültige Entscheidung einem Zweikampf zwischen ihm und Morolt anheimzugeben. Nach einigem Zögern stimmte Marke zu, und in dem Kampfe, der nun stattfand, siegte Tristan über den starken Morolt und tötete ihn. Indessen hatte auch Morolt seinem Gegner eine schwere Wunde an der Hüfte geschlagen, und bevor er starb, sagte er Tristan, daß sein Schwert vergiftet sei und die Wunde nur durch seine Schwester Isolde, die Königin von Irland, geheilt werden könne. Morolts Leiche wurde nach Irland gebracht, wo der Held tief betrauert wurde, besonders von seiner Schwester Isolde und ihrer jungen Tochter, die den Namen der Mutter trug.

In Morolts Wunde fand man einen Splitter aus Tristans Schwert. Den nahm die junge Isolde an sich und bewahrte ihn in einem Schrein. Der König aber erließ ein Gebot, nach dem jeder, der aus Kurnewale nach Irland komme, es mit dem Leben büßen müsse.

Auf Burg Tintajol aber lag der junge Tristan und siechte an seiner Wunde dahin. Kein Arzt vermochte ihm zu helfen. Darum faßte der todwunde Mann den Entschluß, die Königin Isolde aufzusuchen. Er ließ sich von seinen Getreuen nach Irland bringen und heimlich an Land setzen. Und da er sich als Spielmann ausgab, wurde er bei Hofe gut empfangen. Auch die Königin Isolde nahm ihn freundlich auf, und gern versprach sie, ihn zu heilen, da sie sein Saitenspiel liebte.

"Armer Spielmann", sagte sie, "von Gift bist du so wund. Doch du darfst gewiß sein, daß meine Hand dich heilen wird."

Da wurde Tristan so froh, daß er trotz aller Schmerzen das Saitenspiel ergriff. Die Königin lauschte ihm und rief ihre Tochter, die blonde Isolde, herbei. Da spielte und sang Tristan vor den schönen Frauen so wundersam, wie sie es noch nie in ihrem Leben gehört hatten.

Königin Isolde gab sich große Mühe, die Wunde des fremden Spielmanns, der sich Tantris nannte, zu heilen, und bald war Tristan durch ihre Kunst von seinem Siechtum genesen und gesund und stark wie je zuvor.

Die junge Isolde hatte diese Zeit gut genutzt; denn Tristan war ihr ein gar trefflicher Lehrmeister im Gesang und Saitenspiel gewesen.

Doch nun zog es den Genesenen in die Heimat zurück, zumal da er fürchten mußte, von einem der Mannen Morolts, die in Tintajol gewesen waren, erkannt zu werden. Er gab vor, er müsse wieder zu seiner geliebten Gattin, und nahm Urlaub von der Königin und der schönen Isolde.

Zu Tintajol in Kurnewale herrschte große Freude über Tristans Heilung, und der junge Held war von Herzen froh, daß er wieder am Hofe des Oheims weilen durfte.

König Marke liebte den Neffen und überhäufte ihn mit ritterlichen Ehren. Das erregte Neid bei manchen Großen seines Landes, und als das Gerücht umlief, König Marke werde den Neffen zu seinem Erben einsetzen, wurden Stimmen gegen ihn laut, die von Haß und Mißgunst zeugten.

Um dem drohenden Sturme zu entgehen, riet Tristan selbst dem König Marke, sich doch noch zu vermählen. Er empfahl dem Oheim die schöne junge Königstochter Isolde und erbot sich, die gefährliche Brautwerbung zu wagen.

König Marke zögerte recht lange, da er den Neffen nicht solcher schweren Gefahr aussetzen wollte; aber schließlich willigte er doch ein.

So schiffte sich Tristan nach Irland ein und ließ sich wieder heimlich an Land setzen. Diesmal gab er sich als Kaufmann aus und fand auch Aufnahme am Hofe.

Damals hauste in Irland ein Drache, der das Land so bedrohte, daß der König demjenigen die Hand seiner Tochter zu geben versprach, der das Untier erschlagen würde. Deshalb wagte Tristan heimlich den Kampf mit dem Drachen, besiegte das Untier nach schweren Gefahren und schnitt ihm die Zunge heraus, die er unter seinem Wams an seiner Brust verbarg. Dann suchte er sich ein Versteck, um von der Mühsal des Kampfes auszuruhen.

Das Gift der Drachenzunge begann jedoch zu wirken, und er versank in eine tiefe Ohnmacht.

Bald darauf kam ein anderer Ritter, der Truchseß des Königs, an die Stelle, wo Tristan den Drachen erschlagen hatte. Der wollte auch die schöne Isolde gewinnen und hieb und stach auf den Drachen ein, obgleich das Untier schon tot war. Dann suchte er lange nach dem Sieger, um den Entkräfteten zu töten, doch Tristan fand er nicht.

Trotzdem ritt der Truchseß stolz an seines Königs Hof und begehrte als Drachentöter den Siegespreis, die Hand der Königstochter.

Da war die schöne Isolde tief bekümmert, daß sie den anmaßenden Mann heiraten sollte. Die Mutter aber tröstete sie, da ihr ein Traum offenbart hatte, daß ein anderer den Drachen besiegt habe.

So ritt am nächsten Morgen die Königin mit ihrer Tochter und ihrer Nichte Brangäne und einem Knappen in den Wald, um den Drachentöter zu suchen. Sie fanden ihn bewußtlos in seinem Versteck. Die Mädchen hielten ihn für tot; doch die Königin erkannte, daß der unbekannte Ritter unter der Wirkung eines Zaubers stand, und sie fand und entfernte die Drachenzunge an seinem Leibe, so daß Tristan alsbald wieder zu sich kam.

Mit freudigem Erstaunen erkannten die Frauen in ihm ihren Spielmann wieder, und obwohl Tristan diesmal zugab, daß er aus Kurnewale stammte, sicherte ihm die edle Königin Schutz für Leben und Leib zu.

Die Frauen nahmen nun Tristan mit auf die Burg. Als der Truchseß wiederum die Hand der Königstochter zu fordern wagte, wurde sie ihm verweigert, und die Königin verkündete, daß der Drachentöter sich am dritten Tage dem Truchseß zum Kampfe stellen werde.

Indessen waren die Frauen treulich besorgt, den vom Kampf ermatteten Helden zu stärken.

Da fügte es der Zufall, daß die junge Isolde, während Tristan schlief, sein Schwert in die Hand nahm, und sie erschrak, weil sie eine Scharte entdeckte. Sie holte eilends den Splitter, den man in Morolts Wunde gefunden hatte, herbei, und siehe, er paßte genau.

Nun war der Besieger ihres geliebten Oheims in ihrer Hand, und sie empfand glühenden Haß gegen Tristan.

"Dieser ist Tristan, der Mörder deines Bruders“, rief sie der Mutter, die hereintrat, in wilder Erregung zu und hob den Arm, um den Schlafenden mit dem Schwerte zu durchbohren. Die Königin aber ermahnte sie, daß man Tristan Schutz für Leib und Leben zugesichert habe. Da ließ die schöne Isolde das Schwert fallen und brach in bittere Tränen aus.

Gütig redete ihr die Mutter zu und gab zu bedenken, daß Isolde, wenn Tristan tot wäre, dem Truchseß als Siegespreis verfallen sei.

Da verbarg die schöne Isolde ihren Haß, und als Tristan erwachte, ließen sich die beiden Frauen nichts anmerken und redeten freundlich mit ihm.

Nun berichtete der Held von der Botschaft, um deretwillen er nach Irland gekommen war.

"Seit meiner Rückkehr aus Irland habe ich zu Tintajol das Lob der blonden Isolde gesungen, und ich bin hierher gesandt, um für meinen Herrn, König Marke, um die Hand der Königstochter zu freien.“

Und auf den Rat der Mutter nahm Isolde die Werbung an.

Der Zweikampf fand nicht mehr statt, weil der Truchseß sich aus Feigheit zurückzog. Da gab auch der König seine Einwilligung zur Vermählung seiner Tochter mit König Marke, und die blonde Isolde zog zu Schiff, von Tristan und ihrer Freundin Brangäne begleitet, in König Markes Land.

Die Königin aber, die das Glück ihrer Tochter für alle Zeiten sichern wollte, hatte ihrer Nichte Brangäne einen Liebestrank anvertraut, den diese Marke und Isolde nach vollzogener Vermählung zu trinken geben sollte.

"Niemand darf zugleich mit ihnen beiden von dem Minnetrank genießen", hatte sie das Mädchen ermahnt.

Eines Tages, während der Überfahrt, saß Tristan in Isoldes Schiffsgemach und erzählte ihr von König Marke und dem Hof zu Tintajol. Da geschah es, daß Tristan nach einem Trunk begehrte, und da Brangäne nicht im Gemache anwesend war, bot eine Dienerin ihm das Gefäß mit dem Liebestrank, den sie für Wein hielt. Tristan reichte den Becher in ritterlicher Weise zuerst der Königstochter, die zaudernd trank, dann genoß auch Tristan davon.

Als Brangäne dazukam und den Becher geleert fand, brach sie in bittere Klagen aus. Was half es, daß sie das Gefäß ergriff und ins Meer schleuderte! Schon spürten Tristan und Isolde die Wirkung des Zaubers, und beide fühlten, daß sie zusammen nur ein Herz besäßen, und wagten doch aus Scham und Zweifel nicht, sich die seltsame Wandlung einzugestehen.

Wohl versuchte Tristan, den schweren Kampf zu bestehen, um der Treue, der Pflicht und der Ehre zu genügen, aber die Liebe zu Isolde brannte heiß in seinem Herzen. Blickte er ihr in die Augen, so waren alle festen Vorsätze dahin.

Nicht anders erging es Isolde. Auch sie lag in Liebesbanden. Bald vermochte sie an nichts anderes mehr zu denken als an Tristan.

In dem quälenden Widerstreit zwischen Verlangen und Pflichtgefühl siegte die Liebe, und noch ehe Isolde in Markes Land kam, hatte sie dem zukünftigen Gatten die Treue gebrochen.

Brangäne erzählte den beiden von dem Zaubertrank und versprach ihnen ihre Hilfe und Verschwiegenheit.

Als das Schiff sich der Küste näherte, sandte Tristan Boten nach Tintajol, und mit großem Gepränge ließ König Marke seine junge Braut in die Stadt geleiten. Gar bald vermählte er sich mit ihr.

Doch der Zauber, dem Tristan und Isolde auf dem Schiffe verfallen waren, erlosch nicht. Nie wieder konnten die Liebenden voneinander lassen, und immer wieder mußte Isolde König Marke die Treue brechen.

Keinen andern Gedanken hegten die Liebenden als den, wie sie hämischem Argwohn entgehen und Isoldes Gatten täuschen konnten.

Zunächst gelang es ihnen mit Brangänes Hilfe, doch dann schöpfte Marke Verdacht. Marjodo, der Truchseß, hatte das Liebespaar einmal überrascht. Der ging zu König Marke und verdächtigte die beiden Liebenden.

"Es geht um deine Ehre", sagte der Truchseß, den die Eifersucht um Isolde, die Blonde, verzehrte, und Marke ließ sich, von Argwohn gequält, überreden, seinem Weibe eine Falle zu stellen.

Die wachsame Brangäne war jedoch Marjodos Treiben auf die Spur gekommen und warnte ihre Herrin. Deshalb zeigte sich Isolde, als König Marke ihr pIötzlich ankündigte, daß er sie einer Pilgerfahrt wegen für lange Zeit verlassen müsse, tief bekümmert. Der König, der ihr Tristans Gesellschaft während seiner Abwesenheit empfahl, fühlte sich von Argwohn und Eifersucht befreit, als sein Weib Abscheu gegen Tristan heuchelte, und in seinem Herzen bat Marke der blonden Isolde das Unrecht ab, das er ihr mit seinem Verdacht angetan zu haben meinte.

Marjodo, dem Truchseß, hielt er triumphierend die Treue seines Weibes vor. Der aber ließ sich nicht täuschen und erbot sich mit spöttischem Lächeln, die Liebenden zu überlisten. Marke sollte Tristan von der Königin trennen und über Land schicken; dann werde er sehen, was geschähe. Blutenden Herzens befolgte Marke den Rat des Truchseß.

Da litten Tristan und Isolde die brennenden Qualen der Trennung und Sehnsucht. Brangäne aber ersann eine kluge List, wie sie ihrer Herrin und Tristan helfen könnte.

Durch den Garten von Tintajol floß ein klarer Bach, darüber hatte man einen Turm gebaut, in dem jetzt Isolde zu ihrer Erholung auf Brangänes Rat Wohnung nahm. Da ließ Tristan Rindenstücke den Bach hinabtreiben, an denen Isolde erkennen konnte, bei welchen Bäumen des Gartens sie der Geliebte zur Nacht erwartete, bei den Pinien, im Ulmenhain oder bei den Eichen.

So trafen sich die Liebenden jede Nacht im Garten der Burg. Der böse Zwerg Melot, den Marjodo beauftragt hatte,Tristans Weg zu verfolgen, konnte sich jedoch wie ein Eichhörnchen von Ast zu Ast schwingen und entdeckte das Geheimnis der Rindenstücke und offenbarte es König Marke.

Da sahen sich die Liebenden im Ulmenhain zu mitternächtiger Stunde plötzlich von den Mannen König Markes umstellt, und das Geheimnis ihrer Liebe wurde enthüllt.

Das erbitterte Volk und alle Barone des Landes forderten ein Gottesgericht, wie es auf einer Insel im Meer stattzufinden pflegte. Dort sollte Isolde ihre Unschuld erweisen.

Heimlich gab Isolde durch die treue Brangäne ihrem Geliebten Nachricht.

Als die Königin in ihrem Schifflein nahe der Insel landete und von Rittern ans Ufer getragen werden sollte, lehnte sie es ab, sich von ihnen, die sie so hart beschuldigten, berühren zu lassen.

Am Ufer stand, in seine Kutte gehüllt, ein fremder Pilger. Der wurde herbeigerufen, und man befahl ihm, die Königin durch das seichte Wasser an den Strand zu tragen. Der Fremde folgte willig der Aufforderung, nahm die schöne Isolde in seine Arme und trug sie durch das Wasser an Land. Isolde, die in dem Pilgersmann längst den Geliebten erkannt hatte, raunte ihm ins Ohr, er solle am Ufer straucheln, so daß sie beide zu Fall kämen. Das geschah, und so lag die schöne Königin für einen Augenblick an der Seite des Pilgers in seinen Armen. Die Ritter wollten den Pilgrim für seine Unachtsamkeit mit Ruten züchtigen; doch die Königin bat für ihn um Gnade. Da ließen sie von ihm ab.

Als man Isolde auf dem Gerichtstag zwang, ihre Unschuld zu beschwören, bekräftigte sie mit einem Eid, daß sie nie in eines anderen Mannes Armen gelegen habe als in denen ihres Gemahls und des Pilgers, der sie an Land getragen habe.

Darauf wurde ihr befohlen, die Hand auf das glühende Eisen zu legen, und siehe, ihre Haut blieb unverbrannt.

So war die Wahrheit von Isoldes Worten vor aller Augen bewiesen, und König Marke nahm sein Weib wieder in Gnaden auf.

Auf der Burg sah Tristan auch Kaedins schöne Schwester, Isolde mit den weißen Händen. Da trat das Bild der fernen Geliebten ihm so lebendig vor die Seele, daß er sich um des gleichen Namens willen mit Isolde Weißhand vermählte, aber seine Sehnsucht nach der blonden Isolde wurde nicht gestillt.

Tristan begleitete von nun an seinen Schwager Kaedin auf dessen Kriegszügen. Eines Tages weilten sie auf einer Burg und mißbrauchten in der Abwesenheit des Ritters das Gastrecht, weil Kaedin sich um die Liebe der Burgherrin bewarb. Der Ritter, der sich betrogen fühlte, verfolgte sie nach seiner Rückkehr, stellte sie zum Kampfe und rannte Kaedin den Speer in den Leib, daß er tot vom Pferde sank. Dafür erschlug ihn Tristan. Aber die Übermacht der Feinde war zu groß, und Tristan erhielt eine schwere Wunde, so daß er nur mit Mühe den Verfolgern entkam.

Isolde Weißhand pflegte den sehr Wunden, der mit dem Tode rang. Kein Arzt und keine Arzenei vermochten ihm zu helfen. Da sandte Tristan einen getreuen Boten an König Markes Hof und ließ die blonde Isolde bitten, seine Todesnot zu lindern. Der Bote brachte die traurige Kunde nach Tintajol; Isolde zögerte keinen Augenblick und bestieg sofort das Schiff.

Indessen wurde der todwunde Tristan von Isolde Weißhand gepflegt. Sie grämte sich, daß Tristan die blonde Isolde rufen ließ, und oft mußte sie auf Tristans Bitte ans Fenster treten, um nach dem weißen Segel, das Isoldes Ankunft künden sollte, Ausschau zu halten.

Als sie das Schiff endlich kommen sah und das weiße Segel in der Sonne glänzte, verkündete sie es Tristan; aber von dem Segel sagte sie nichts. "Liebe Isolde, sage an, wie ist das Segel?" fragte Tristan.

Isolde Weißhand sprach in dieser Not nicht die Wahrheit und antwortete: "Ein schwarzes Segel sah ich."

Da brach der Tod Tristan das Herz. Vergebens beteuerte Isolde Weißhand in ihrem Schmerz, daß sie nicht wahr gesprochen habe.

Tristan lag tot und hörte sie nicht mehr.

Als Isolde, die Blonde, und ihre Begleiter ans Ufer gelangt waren, vernahmen sie große Klage in der Stadt und erfuhren den Grund.

Da stand die schöne Isolde stumm vor Schmerz und sank ohnmächtig nieder. Tristans Tod hatte auch ihr die Lebenskraft genommen.

Als sie wieder zu sich kam, hatte sie nur den Wunsch, den Toten zu sehen. So gingen sie alle ins Münster, wo Tristan auf der Bahre lag. Sie nahm das Tuch von seinem Antlitz, warf sich an der Bahre nieder und küßte es.

So lag sie Mund an Mund mit dem toten Tristan; da brach auch ihr das Herz, und sie starb den Minnetod.

Die Körper der Liebenden wurden einbalsamiert und in Särge gelegt, und Isolde Weißhands Vater, Herzog Jovelin, dachte den zweien ein würdiges Begräbnis zu geben.

Inzwischen aber hatte König Marke den Tod der Liebenden erfahren und war zu Schiff nach Burg Karke gekommen.

Als er von der treuen Brangäne vernommen hatte, wie alles geschehen war, von dem Trank der Minne, der die Herzen bezaubert hatte, daß sie nicht mehr voneinander lassen konnten, da brach er in laute Klage aus und rief: "O weh, Tristan, hättest du von Anfang an alles bekannt, ich hätte dir Isolde zur Frau gegeben. So wäre ich rein von Sündenschuld geblieben, und ihr wäret gerettet."

Marke führte die Leichen auf seinem Schiff mit sich nach Tintajol. Dort lag das ganze Land in Trauer. Der König ließ zwei marmorne Särge anfertigen und die Toten darein legen. Im Burggarten von Tintajol wurden sie begraben.

König Marke gab sein Reich einem seiner Barone und ging ins Kloster.

Er hatte aber auf Tristans Grab einen Rosenstock pflanzen lassen und auf Isoldes eine Weinrebe. Als Rebe und Rose wuchsen, neigte sich über den Gräbern jeder Zweig dem andern zu, und dicht ineinander verflochten und verwachsen waren Rose und Rebe.

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Dragon’s Awakening

„Dragon’s Awakening“

In the glitter,
of the morning dew,
sleeps the creature,
of incredible hue.

It’s heavy breathing,
the deep red hide,
it’s gentle face,
full of pride.

Awake, mighty beast,
the day has come,
tell the world,
of the battles won.

Fly, powerful creature,
spread your wings,
we await your presence;
the world sings.

The dragon stirs,
from morning’s light,
it unfurls it’s wings,
it takes to flight.

Yes, beautiful creation,
be honorable and true,
the world awaits,
your incredible hue.

By: John Rowe

Dieses Gedicht wurde augestellt mit freundlicher Genehmigung von
http://www.dragonsight.net

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A final farewell

„A Final Farewell“
By: Janice Subido

Standing on the cliffs and looking out at the horizon-
I see you out there:
with your wings stretched out at your sides
and finally being able to fly-
just like you always wanted.

Side by side with the love of your life,
you soar through the skies and disappear from sight.
And as I watch these things happen,
tears start flowing from my eyes.
Because I realized…
the day you fly away is the day we say good bye.
One of us stays grounded while the other takes flight.

As I hold you close for one last time,
I close my eyes and remember this moment for the rest
of my life.
Even though the thought of saying good bye hurts,
I know this is what you deserve…
Your happiness is what matters most to me-
even if it means letting you go,
enabling you to be free.
Your life awaits you out there & I can’t hold you
down;
I must let you go and try to live on my own now…

With tears still streaming down my cheeks-
I hug and kiss you for one last time.
With your gentle wings around me,
your face pressed up against mine-
I feel that safeness I once felt not so long ago;
the feeling of being loved and cared for…
And though I try to hang on, I know I must let go.

And with one final squeeze, that one last touch-
we finally say good bye.
With one swift gust, you soar through the skies
while I stand here and watch you for one last time.

And as I walk away, the last of my tears fall to the 
lonely ground…

(c) Janice Subido

Dieses Gedicht wurde augestellt mit freundlicheGenehmigung von
http://www.dragonsight.net

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The night is a dragoness

The night is a dragoness

Home
Six point eight light years away
Everyone fled
Eight hundred ninety one years past

But not alone.
The clock speaks of midnight
The computer grows silent
And she comes, only safe when the light dies.

The night is a dragoness
Ten billion metres long
Age-softened black scales
Her wings glow with the warmth of unseen stars
And she lifts me from the squalor of the lair

I look around with weary eyes
Around rest billions of dragons
My brothers, her children.
And she speaks to them and I
Telling of the billions of years previous
Warning of the fights with oppresor Morning
Singing lullabies as to my fathers and theirs
She loves our kind; she needs us
And I have grown to think we need her

She has told me of her role
As the egg is formed
And a new heart flows black
She implants the thirst in us
In the core of our essences
We need the calm she feeds on
Our hearts beat as one
An entire race unified in rest

Flame-eyes open at half past dawn
She is gone
And the discomfort, heat, and irritation returns
Dangling like spread wings from the rising sun.

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(Schiller) Der Kampf mit dem Drachen

Was rennt das Volk, was wälzt sich dort
Die langen Gassen brausend fort?
Stürzt Rhodus unter Feuers Flammen?
Es rottet sich im Sturm zusammen,
Und einen Ritter, hoch zu Roß,
Gewahr ich aus dem Menschentroß,
Und hinter ihm, welch Abenteuer!
Bringt man geschleppt ein Ungeheuer,
Ein Drache scheint es von Gestalt,
Mit weitem Krokodilesrachen,
Und alles blickt verwundert bald
Den Ritter an und bald den Drachen.

Und tausend Stimmen werden laut:
„Das ist der Lindwurm, kommt und schaut!
Der Hirt und Herden uns verschlungen,
Das ist der Held, der ihn bezwungen!
Viel andre zogen vor ihm aus,
Zu wagen den gewaltgen Strauß,
Doch keinen sah man wiederkehren,
Den kühnen Ritter soll man ehren!“
Und nach dem Kloster geht der Zug,
Wo Sankt Johanns des Täufers Orden,
Die Ritter des Spitals, im Flug
Zu Rate sind versammelt worden.

Und vor den edeln Meister tritt
Der Jüngling mit bescheidnem Schritt,
Nachdrängt das Volk, mit wildem Rufen,
Erfüllend des Geländes Stufen.
Und jener nimmt das Wort und spricht:
„Ich hab erfüllt die Ritterpflicht,
Der Drache, der das Land verödet,
Er liegt von meiner Hand getötet,

Frei ist dem Wanderer der Weg,
Der Hirte treibe ins Gefilde,
Froh Walle auf dem Felsensteg
Der Pilger zu dem Gnadenbilde.“

Doch strenge blickt der Fürst ihn an
Und spricht: „Du hast als Held getan,
Der Mut ists, der den Ritter ehret,
Du hast den kühnen Geist bewähret.
Doch sprich! Was ist die erste Pflicht
Des Ritters, der für Christum ficht,
Sich schmücket mit des Kreuzes Zeichen?“
Und alle ringsherum erbleichen.
Doch er, mit edelm Anstand, spricht,
Indem er sich errötend neiget:
„Gehorsam ist die erste Pflicht,
Die ihn des Schmuckes würdig zeiget.“

„Und diese Pflicht, mein Sohn“, versetzt
Der Meister, „hast du frech verletzt,
Den Kampf, den das Gesetz Versager,
Hast du mit frevlem Mut gewaget!“
„Herr, richte, wenn du alles weißt“,
Spricht jener mit gesetztem Geist,
„Denn des Gesetzes Sinn und Willen
Vermeint ich treulich zu erfüllen,
Nicht unbedachtsam zog ich hin,
Das Ungeheuer zu bekriegen,
Durch List und kluggewandten Sinn
Versucht ichs, in dem Kampf zu siegen.

Fünf unsers Ordens waren schon,
Die Zierden der Religion,
Des kühnen Mutes Opfer worden,
Da wehrtest du den Kampf dem Orden.
Doch an dem Herzen nagte mir
Der Unmut und die Streitbegier,

Ja selbst im Traum der stillen Nächte
Fand ich mich keuchend im Gefechte,
Und wenn der Morgen dämmernd kam
Und Kunde gab von neuen Plagen,
Da faßte mich ein wilder Gram,
Und ich beschloß, es frisch zu wagen.

Und zu mir selber sprach ich dann:
Was schmückt den Jüngling, ehrt den Mann,
Was leisteten die tapfern Helden,
Von denen uns die Lieder melden?
Die zu der Götter Glanz und Ruhm
Erhub das blinde Heidentum?
Sie reinigten von Ungeheuern
Die Welt in kühnen Abenteuern,
Begegneten im Kampf dem Leun
Und rangen mit dem Minotauren,
Die armen Oper zu beirein,
Und ließen sich das Blut nicht dauren.

Ist nur der Sarazen es wert,
Daß ihn bekämpft des Christen Schwert?
Bekriegt er nur die falschen Götter?
Gesandt ist er der Welt zum Retter,
Von jeder Not und jedem Harm
Befreien muß sein starker Arm,
Doch seinen Mut muß Weisheit leiten,
Und List muß mit der Stärke streiten.
So sprach ich oft und zog allein,
Des Raubtiers Fährte zu erkunden,
Da flößte mir der Geist es ein,
Froh rief ich aus: Ich habe gefunden!

Und trat zu dir und sprach dies Wort:
Mich zieht es nach der Heimat fort.
Du, Herr, willfahrtest meinen Bitten,
Und glücklich war das Meer durchschnitten.

Kaum stieg ich aus am heimschen Strand,
Gleich ließ ich durch des Künstlers Hand.
Getreu den wohlbemerkten Zügen,
Ein Drachenbild zusammenfügen.
Auf kurzen Füßen wird die Last
Des langen Leibes aufgetürmet,
Ein schuppigt Panzerhemd umfaßt
Den Rücken, den es furchtbar schirmet.

Lang strecket sich der Hals hervor
Und gräßlich wie ein Höllentor
Als schnappt‘ es gierig nach der Beute
Eröffnet sich des Rachens Weite,
Und aus dem schwarzen Schlunde dräun
Der Zähne stacheligte Reihn,
Die Zunge gleicht des Schwertes Spitze
Die kleinen Augen sprühen Blitze
In einer Schlange endigt sich
Des Rückens ungeheure Länge,
Rollt um sich selber fürchterlich
Daß es um Mann und Roß sich schlänge.

Und alles bild ich nach genau
Und kleid es in ein scheußlich Grau,
Halb Wurm erschiene, halb Molch und Drache
Gezeuget in der giftgen Lache.
Und als das Bild vollendet war,
Erwähl ich mir ein Doggenpaar,
Gewaltig, schnell, von flinken Läufen
Gewohnt, den wilden Ur zu greifen.
Die hetz ich auf den Lindwurm an
Erhitze sie zu wildem Grimme,
Zu fassen ihn mit scharfem Zahn
Und lenke sie mit meiner Stimme.
Und wo des Bauches weiches Vlies
Den scharfen Bissen Blöße ließ,

Da reiz ich sie, den Wurm zu packen,
Die spitzen Zähne einzuhacken.
Ich selbst, bewaffnet mit Geschoß,
Besteige mein arabisch Roß,
Von adeliger Zucht entstammet,
Und als ich seinen Zorn entflammet,
Rasch auf den Drachen spreng ichs los
Und stachl es mit den scharfen Sporen
Und werfe zielend mein Geschoß,
Als wollt ich die Gestalt durchbohren.

Ob auch das Roß sich grauend bäumt
Und knirscht und in den Zügel schäumt,
Und meine Doggen ängstlich stöhnen,
Nicht rast ich, bis sie sich gewöhnen.
So üb ichs aus mit Emsigkeit,
Bis dreimal sich der Mond erneut,
Und als sie jedes recht begriffen,
Führ ich sie her auf schnellen Schiffen.
Der dritte Morgen ist es nun,
Daß mirs gelungen, hier zu landen,
Den Gliedern gönnt ich kaum zu ruhn,
Bis ich das große Werk bestanden.

Denn heiß erregte mir das Herz
Des Landes frisch erneuter Schmerz,
Zerrissen fand man jüngst die Hirten,
Die nach dem Sumpfe sich verirrten,
Und ich beschließe rasch die Tat,
Nur von dem Herzen nehm ich Rat.
Flugs Unterricht ich meine Knappen,
Besteige den versuchten Rappen,
Und von dem edeln Doggenpaar
Begleitet, auf geheimen Wegen,
Wo meiner Tat kein Zeuge war,
Reit ich dem Feinde frisch entgegen.

Das Kirchlein kennst du, Herr, das hoch
Auf eines Felsenberges Joch,
Der weit die Insel überschauet,
Des Meisters kühner Geist erbauet.
Verächtlich scheint es, arm und klein
Doch ein Mirakel schließt es ein,
Die Mutter mit dem Jesusknaben,
Den die drei Könige begaben.
Auf dreimal dreißig Stufen steigt
Der Pilgrim nach der steilen Höhe,
Doch hat er schwindelnd sie erreicht,
Erquickt ihn seines Heilands Nähe.

Tief in den Fels, auf dem es hängt,
Ist eine Grotte eingesprengt,
Vom Tau des nahen Moors befeuchtet,
Wohin des Himmels Strahl nicht leuchtet
Hier hausete der Wurm und lag,
Den Raub erspähend, Nacht und Tag.
So hielt er wie der Höllendrache
Am Fuß des Gotteshauses Wache,
Und kam der Pilgrim hergewallt
Und lenkte in die Unglücksstraße,
Hervorbrach aus dem Hinterhalt
Der Feind und trug ihn fort zum Fraße.

Den Felsen stieg ich jetzt hinan,
Eh ich den schweren Strauß begann,
Hin kniet ich vor dem Christuskinde
Und reinigte mein Herz von Sünde,
Drauf gürt ich mir im Heiligtum
Den blanken Schmuck der Waffen um
Bewehre mit dem Spieß die Rechte,
Und nieder steig ich zum Gefechte.
Zurücke bleibt der Knappen Troß,
Ich gebe scheidend die Befehle
Und schwinge mich behend aufs Roß,
Und Gott empfehl ich meine Seele.

Kaum seh ich mich im ebnen Plan,
Flugs schlagen meine Doggen an,
Und bang beginnt das Roß zu keuchen
Und bäumet sich und will nicht weichen,
Denn nahe liegt, zum Knäul geballt,
Des Feindes scheußliche Gestalt
Und sonnet sich auf warmem Grunde.
Auf jagen ihn die flinken Hunde,
Doch wenden sie sich pfeilgeschwind,
Als es den Rachen gähnend teilet
Und von sich haucht den giftgen Wind
Und winselnd wie der Schakal heulet.
Doch schnell erfrisch ich ihren Mut,

Sie fassen ihren Feind mit Wut,
Indem ich nach des Tieres Lende
Aus starker Faust den Speer versende,
Doch machtlos wie ein dünner Stab
Prallt er vom Schuppenpanzer ab,
Und eh ich meinen Wurf erneuet,
Da bäumet sich mein Roß und scheuet
An seinem Basiliskenblick
Und seines Atems giftgern Wehen,
Und mit Entsetzen springts zurück,
Und jetzo wars um mich geschehen

Da schwing ich mich behend vom Roß,
Schnell ist des Schwertes Schneide bloß,
Doch alle Streiche sind verloren,
Den Felsenharnisch zu durchbohren,
Und wütend mit des Schweifes Kraft
Hat es zur Erde mich gerafft,
Schon seh ich seinen Rachen gähnen,
Es haut nach mir mit grimmen Zähnen,
Als meine Hunde wutentbrannt
An seinen Bauch mit grimmgen Bissen
Sich warfen, daß es heulend stand,
Von ungeheurem Schmerz zerrissen.

Und eh es ihren Bissen sich
Entwindet, rasch erheb ich mich,
Erspähe mir des Feindes Blöße
Und stoße tief ihm ins Gekröse
Nachbohrend bis ans Heft den Stahl
Schwarzquellend springt des Blutes Strahl,
Hin sinkt es und begräbt im Falle
Mich mit des Leibes Riesenballe,
Daß schnell die Sinne mir vergehn.
Und als ich neugestärkt erwache
Seh ich die Knappen um mich stehn,
Und tot im Blute liegt der Drache.“

Des Beifalls lang gehemmte Lust
Befreit jetzt aller Hörer Brust
Sowie der Ritter dies gesprochen,
Und zehnfach am Gewölb gebrochen
Wälzt der vermischten Stimmen Schall
Sich brausend fort im Widerhall,
Laut fordern selbst des Ordens Söhne,
Daß man die Heldenstirne kröne,
Und dankbar im Triumphgepräng
Will ihn das Volk dem Volke zeigen,
Da faltet seine Stirne streng
Der Meister und gebietet Schweigen.

Und spricht: „Den Drachen, der dies Land
Verheert, schlugst du mit tapfrer Hand,
Ein Gott bist du dem Volke worden,
Ein Feind kommst du zurück dem Orden,
Und einen schlimmern Wurm gebar
Dein Herz, als dieser Drache war.

Die Schlange, die das Herz vergiftet,
Die Zwietracht und Verderben stiftet,
Das ist der widerspenstge Geist
Der gegen Zucht sich frech empöret,
Der Ordnung heilig Band zerreißt,
Denn der ists, der die Welt zerstöret.

Mut zeiget auch der Mameluck,
Gehorsam ist des Christen Schmuck;
Denn wo der Herr in seiner Größe
Gewandelt hat in Knechtes Blöße,
Da stifteten, auf heilgem Grund,
Die Väter dieses Ordens Bund,
Der Pflichten schwerste zu erfüllen:
Zu bändigen den eignen Willen!
Dich hat der eitle Ruhm bewegt,
Drum wende dich aus meinen Blicken,
Denn wer des Herren Joch nicht trägt,
Darf sich mit seinem Kreuz nicht schmücken.“

Da bricht die Menge tobend aus,
Gewaltger Sturm bewegt das Haus,
Um Gnade flehen alle Brüder,
Doch schweigend blickt der Jüngling nieder,
Still legt er von sich das Gewand
Und küßt des Meisters strenge Hand
Und geht. Der folgt ihm mit dem Blicke,
Dann ruft er liebend ihn zurücke
Und spricht: Umarme mich, mein Sohn!
Dir ist der härtre Kampf gelungen.
Nimm dieses Kreuz: es ist der Lohn
Der Demut, die sich selbst bezwungen.“

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Kinder des Himmels (Karin Roth)

Kinder des Himmels,
wurden sie einst genannt,
bis Habgier und Neid,
sie aus unserer Welt verbannt.

Kinder des Himmels,
ein Volk rein und klar,
sie waren für die Menschheit,
immer verzaubert und wunderbar.

Kinder des Himmels,
verschwanden aus unserer Welt
nun ist es öde und leer,
das blaue Himmelszelt.

Kinder des Himmels,
wir möchten euch wieder lieben,
möchten mit euch träumen
und mit euch auf Wolken fliegen.

Kinder des Himmel,
kehrt doch zurück in euer altes Heim,
lasst uns mit unseren Sorgen und Ängsten
bitte nicht länger allein.

Kinder des Himmels,
ihr Drachen aus alter Zeit,
ich glaube die Menschheit ist
nun endlich soweit.

Kinder des Himmels,
wir sind nun etwas weiter,
wir stiegen hinauf
die Evolutionsleiter.

Kinder des Himmels,
ich bitte euch kommt zurück
und bringt den Menschen
wieder Hoffnung und Glück

© Aquamarin 2.03

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Ganz normal (Der Doktor)

Ganz normal

1. Tag

Küche, FRAU sitzt am Tisch und liest Zeitung, MEYER kommt gähnend herein FRAU: Guten Morgen!

MEYER: Guten Morgen, Schatz!

FRAU: Na, hast du gut geschlafen?

MEYER: Ja, ich habe ein wenig seltsam geträumt, aber ansonsten war die Nacht in Ordnung. Nur zu blöd, dass heute wieder Montag ist.

FRAU: Aber das war doch ein schöner Tag gestern mit den Schulzes, nicht wahr?

MEYER: Ja, das stimmt. Aber deren Junge hat mich ziemlich genervt. Keine Erziehung, der Bengel!

FRAU: Soll ich dir ein wenig Kaffee eingießen?

MEYER: Oh ja, bitte! Ich hoffe, er ist nicht zu stark!

FRAU: Ich weiß doch, wie du ihn magst. Aber es stimmt, die heutige Jugend weiß sich wirklich nicht mehr zu benehmen.

MEYER: Keinen Respekt, sage ich!

FRAU: Hier steht es wieder in der Zeitung: -Jugendliche demolieren Telefonzelle-

MEYER: Ich denke, die Polizei sollte da härter durchgreifen. So kann das ja nicht weitergehen!

FRAU: Wahrscheinlich liegt das Problem eher bei den Eltern. Da fängt das doch alles an. (seufzt) Zum Glück ist unsere Kleine ganz anders… Was möchtest du heute auf deinen Toast haben, Schatz?

MEYER: Käse und Marmelade bitte – du verwöhnst mich ja selbst am Montagmorgen, Liebes!

FRAU: Für meinen Liebsten tu ich doch alles! (sie küssen sich)

Aber sag mal, hattest du diese Hörner gestern eigentlich auch schon auf dem Kopf?

MEYER: Nicht, dass ich wüsste. Seltsam, nicht wahr? Müssen wohl über Nacht gewachsen sein…

FRAU: Ja, aber das geht sicherlich wieder vorbei. Oh, schau mal! Hier steht, dass Andreas Fritzschner und Luise Gerbholz sich getrennt haben – dabei waren die beiden doch so ein gutes Paar!

MEYER: Mhm. Gibst du mal bitte die Butter rüber, Schatz?

FRAU: Hier, bitte… Ach, was soll jetzt nur aus dem armen Kind von den beiden werden? Ich finde es immer so schrecklich, wenn die Kinder unter der Trennung der Eltern leiden müssen, du nicht auch, Liebling?

MEYER: If effe gerade, Fatf!

FRAU: Oh, Verzeihung… Ich muss aber sagen, mit diesen Hörnern siehst du wirklich schick aus. Bist du dir sicher, dass du sie nicht noch ein paar Tage behalten willst?

MEYER: Ich weiß ja nicht mal mehr, wie ich sie bekommen habe!

FRAU: Oh… Da soll ja jetzt auch so eine schreckliche Grippe in Südostasien umgehen… grauenhaft, sage ich dir, grauenhaft!

MEYER: Aha…

FRAU (seufzend): Ach ja… wann kommst du heute Abend wieder nach Hause?

MEYER: Das hängt davon ab, wie lange sie mich heute wieder knechten werden… (schaut auf die Uhr) aber in Sachen Arbeit, ich fahre wohl besser gleich los, ansonsten komme ich wieder zu spät. Ich möchte nicht gleich wieder mit einer Rüge beim Chef in die Woche starten.

FRAU: Ist gut Schatz. Dann viel Erfolg auf der Arbeit! Tschüssi!

MEYER: Mach dir einen schönen Tag! Bis dann!

Büro
CHEF (abfällig): Ach, guten Morgen, Meyer! Kommen wir auch schon zur Arbeit, ja?

MEYER: Guten Morgen, Chef. Hören sie: Mein Zuspätkommen tut mir sehr leid, aber da war ein Stau auf der Stadtautobahn und…

CHEF: Ja ja, heute ein Stau, letztens ein Unfall, was kommt wohl morgen, frage ich mich? Meyer, mit dieser Arbeitsmoral können sie ganz schnell einpacken gehen, wenn das so weitergeht!

MEYER: Ja, Chef…

CHEF: Glauben sie mir, wenn das noch öfter vorkommt, dann kenne ich keine Gnade!

MEYER: Ja, Chef…

CHEF: Und was sind das da für komische… Hörner auf ihrem Kopf? Ist das ein neuer Modetrend oder so?

MEYER: Nein, die sind mir wohl über Nacht gewachsen.

CHEF: So so, über Nacht gewachsen. Meinetwegen können sie so aussehen, wie sie wollen, solange sie pünktlich kommen und ihre Arbeit machen. Haben wir uns verstanden?

MEYER: Ja, Chef…

CHEF: Gut, dann fangen sie endlich an!

MEYER: Ja, Chef…

CHEF: Diese Hörner sehen übrigens gar nicht mal so schlecht aus, Meyer. Lässt sie ein wenig aggressiver erscheinen. Wenn sie nur nicht so ein Weichei wären, nicht wahr? (lacht schallend)

MEYER: Haha, sehr lustig, Chef…

Wohnzimmer
FRAU: Na, wie war’s heute, Schatz?

MEYER: Na ja, typischer Montag halt… Bin heute Morgen wieder in einen Stau geraten und wurde vom Chef deswegen böse angeschnauzt. Immerhin fand er meine Hörner ganz nett… Pah, hat mich als Weichei bezeichnet, dieses Arschloch!

FRAU: Na, ich habe dir doch gesagt, dass dir diese Hörner ganz gut stehen.

MEYER: Hast du dich denn noch gar nicht gefragt, wo die eigentlich herkommen?

FRAU: Warum denn? Solange es gut aussieht, ist es doch egal, wo das herkommt, nicht wahr?

MEYER: Na ja, vielleicht hast du Recht…

KIND (laut rufend): Papa, Papa!

MEYER: Hey, mein Engel! (nimmt sie auf den Arm)

Na, was habt ihr heute so in der Schule gemacht?

KIND: Wir haben heute das Einmaleins mit der Sieben gelernt.

MEYER: Na dann kannst du ja schon bald richtig rechnen!

KIND (misstrauisch): Was ist denn das da auf deinem Kopf?

MEYER: Das sind Hörner, meine Kleine.

KIND: Ich finde die doof, mach die ab!

MEYER: Das kann ich nicht.

FRAU (tadelnd): Und wie sprichst du außerdem mit deinem Vater? Der kann ja schließlich mit seinem Kopf machen, was er will!

MEYER: Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nicht weiß, wo die herkommen.

FRAU: Du musst dich nicht dafür schämen, ich finde die schick!

KIND: Ich find‘ die doof!

FRAU (seufzend): Solltest du jetzt nicht ins Bett gehen?

MEYER: Das stimmt, Sternchen, es ist schon spät!

KIND: Och menno, ich wollte noch aufbleiben! Du bist doch gerade erst nach Hause gekommen, Papa.

FRAU: Keine Widerrede, ab ins Bett! Ich lese dir noch eine Geschichte vor, wenn du willst.

KIND (schmollend): Na gut… Nacht, Papa!

MEYER: Gute Nacht, Schatz!


2. Tag

Küche FRAU: Guten Morgen!

MEYER: Guten Morgen, Schatz!

FRAU: Gut geschlafen?

MEYER: Ging so – bis auf diesen seltsamen Traum…

FRAU: Kaffee?

MEYER: Ja, gerne! Gibst du mir mal bitte die Butter?

FRAU: Bitteschön!

MEYER: Dankesehr!

FRAU (in Zeitung lesend): Meine Güte, schon wieder eine Flutkatastrophe in China. Die Leute da tun mir wirklich leid!

MEYER: Warum, gibt doch so viele von denen…

FRAU (aufblickend): Du bist doch sonst nie so zynisch!

MEYER: Weiß nicht… es kam so über mich…

FRAU: Und wie hältst du eigentlich dein Messer? Du solltest wirklich mal deine Fingernägel schneiden… das sind ja schon fast richtige Klauen!

MEYER: Also ich würde sagen, das sind Klauen!

FRAU: Deinen Toast schmieren kannst du damit jedenfalls nicht.

MEYER: Ich habe eh keine Lust mehr auf diesen Aufstrich… haben wir noch Wurst oder Schinken?

FRAU (verwundert): Du isst doch sonst nie etwas anderes als Aufstrich oder Käse zum Frühstück.

MEYER: Ja, aber heute habe ich mal Lust auf etwas Herzhaftes auf meinem Toast!

FRAU: Bist du vielleicht krank oder so?

MEYER: Nein, mir geht es wunderbar!

FRAU: Du musst ja nicht gleich so aggressiv sein!

MEYER (aggressiv): Ich bin nicht aggressiv! Ich will lediglich mal was Neues ausprobieren!

FRAU: Ach, mach doch was du willst.

Büro
CHEF: Ach, Meyer, auch schon da! Ein bisschen knapp, nicht wahr?

MEYER: Ich habe mir Mühe gegeben, Chef!

CHEF: Dann geben sie sich künftig noch mehr Mühe! Wofür bezahle ich sie schließlich? Wahrscheinlich sollte ich froh darüber sein, dass sie überhaupt vor 8 Uhr hier erschienen sind.

MEYER: Ich habe immer eine recht beschwerliche Anfahrt, Chef.

CHEF: Ach, kommen sie mir nicht mit diesem Scheiß! Wenn ihre Anfahrt so beschwerlich ist, dann fahren sie halt früher los!

MEYER: Aber ich stehe schon um Sechs auf!

CHEF: Das interessiert mich nicht! Wenn sie weiterhin hier arbeiten möchten, dann erwarte ich absolute Pünktlichkeit von ihnen! Und schneiden sie sich mal die Fingernägel! Meine Güte, gestern Hörner, heute Klauen – was stellen sie wohl als nächstes mit ihrem Körper an?

MEYER: Ich stelle mit meinem Körper nichts an, Chef. Das… passiert mir einfach!

CHEF (spottend): So so, es passiert ihnen einfach. Wenn sie versuchen wollen, aggressiver auszusehen, dann sollten sie in allererster Linie nicht so ein Weichei sein!

MEYER (entschlossen): Chef, ich…

CHEF (schnappend): Was?

MEYER (demütig): Nichts, Chef…

Wohnzimmer
KIND (weinend): Mama, Mama! Papa hat mein Kuschelschaf zerrissen!

MEYER: Entschuldigung, Liebes, aber es überkam mich einfach… ich weiß auch nicht, was los war…

KIND: Das ist nur wegen diesen doofen Krallen!

MEYER: Aber Mäuschen, ich kann doch nichts dafür!

FRAU: Ganz ruhig, Papa hat es sicherlich nicht so gemeint.

KIND (schluchzend): Aber das war mein Lieblingskuscheltier!

MEYER: Ich kaufe dir ein neues, in Ordnung?

KIND (schniefend): Wirklich?

MEYER: Aber natürlich. Noch ein viel schöneres als das, was du bisher hattest.

KIND: Na gut…

FRAU: Das mit dem Kuscheltier hätte nun aber wirklich nicht sein müssen.

MEYER: Probier du doch mal, mit diesen Klauen irgendwas einigermaßen behutsam anzufassen!

FRAU: Dann schneide sie dir halt ab, kann doch nicht so schwer sein!

MEYER: Diese Dinger sind mit mir verwachsen!

FRAU: Och, jetzt sei doch nicht so zimperlich!

MEYER: Ich bin nicht zimperlich!

FRAU: Bist du wohl!

KIND: Müsst ihr immer streiten?

FRAU: Ach, geh doch ins Bett!


3. Tag

Küche FRAU: Guten Morgen!

MEYER: Guten Morgen, Schatzzz!

FRAU: Gut geschlafen?

MEYER: Sssehr gut, danke.

FRAU: Du, das wegen gestern tut mir leid. Unser Streit und so…

MEYER: Dasss issst kein Problem.

FRAU: Behalte die Krallen ruhig, ich finde sie gar nicht so schlimm.

MEYER: Allesss klar!

FRAU: Nimm nur bitte diesen Schwanz vom Tisch!

MEYER: Issst gut, meinetwegen.

FRAU: Und warum sprichst du so komisch?

MEYER: Liegt wohl an den Zzzähnen.

FRAU: Ach so… sind recht spitz, stimmt. Spricht sich sicherlich schwer da durch.

MEYER: Ganzzz genau.

FRAU: Was möchtest du auf deinen Toast?

MEYER: Ich möchte keinen Toassst. Gib mir lieber nur die Wurssst und den Sssinken! Hassst du vielleicht noch ein wenig rohesss Fleisss?

FRAU: Also mich wundert gar nichts mehr…

Büro
CHEF: Mensch, Meyer! Jetzt passen sie doch mal mit diesem dämlichen Schwanz auf!

MEYER: Verzzzeihung, Chef!

CHEF: Sie Vollidiot, wollen sie mich etwa umbringen?

MEYER: Sssoll nicht wieder passsieren.

CHEF: Und hören sie auf, so dämlich zu sprechen, das lässt sie ja noch bescheuerter wirken, als sie ohnehin schon sind!

MEYER (zischt): Ich warne sssie! Reizzzen sie mich nicht!

CHEF (kampfeslustig): Oder was? Häh? Was passiert dann, Meyer?

MEYER (schweigt)

CHEF: Pah! Sie sind immer noch der feige Mistkerl, den ich damals eingestellt habe, da ändert auch ihr komisches Aussehen nichts dran. Aber machen sie sich nichts draus! Wer mir droht, wird eh hochkant rausgeschmissen. Wer nicht arbeitet ebenfalls, also was stehen sie noch hier rum, häh?

MEYER (zischt)

Wohnzimmer
MEYER: Schatzzz, ich musss dir etwasss mitteilen!

FRAU: Was denn, Liebling?

MEYER: Ich ssspüre eine fortsssreitende Entwicklung in mir. Mein Bewussstsssein verändert sssich. Bald ssson werde ich eine neue Form angenommen haben.

FRAU: Das freut mich für dich, Liebling! Man lernt ja im Leben nie aus, sage ich immer.

MEYER: Ich fürchte, du verssstehssst nicht…

FRAU: Keine Sorge, ich verstehe dich durchaus. Wer sollte dich auch besser verstehen als deine Frau?

MEYER: Nun…

FRAU: Siehst du! Aber übertreibe es bitte nicht, unsere Kleine wagt sich ja kaum mehr in deine Nähe!

MEYER: Anssseinend versssteht sssie…

FRAU: Ich bitte dich, Liebling, sie ist doch nur ein Kind. Woher soll sie denn von der komplexen Welt der Erwachsenen wissen?

MEYER: Gute Frage…

FRAU: Ich habe übrigens die blutigen Nackensteaks besorgt, die du haben wolltest. Wie soll ich sie dir zubereiten?

MEYER: Gar nicht, ich essse sssie lieber roh! Nichtsss kann den Gesssmack frisss gessslagener, blutiger Beute ersssetzzzen.

FRAU: Hast du denn keine Angst vor Krankheiten?

MEYER: Nein.

FRAU: Nun, solange sich deine ‚Bewusstseinsänderungen‘ nur in deinen kulinarischen Vorzügen äußern, bin ich ja beruhigt.


4. Tag

Küche FRAU: Guten Morgen!

MEYER (knurrt)

FRAU: Gut geschlafen?

MEYER (schnaubt)

FRAU: Na dann ist ja schön, ich nämlich nicht. Deine ollen Flügel lagen mir die ganze Nacht über im Weg. Könntest du wohl bitte ein bisschen besser auf sie aufpassen?

MEYER (grummelt)

FRAU: Ich habe schließlich auch ein Anrecht auf Schlaf. Möchtest du etwas Spezielles zum Frühstück?

MEYER (bellt)

FRAU: Was hast du gesagt?

MEYER (bellt)

FRAU: Ach, du kannst dir dein Frühstück ja auch selber nehmen, bist ja schließlich nicht umsonst erwachsen!

MEYER (zischt)

FRAU: Ach komm, war doch nur ein kleiner Scherz. Hast du dir gestern einen Sonnenbrand geholt? Deine Haut ist so rot.

MEYER (knurrt)

FRAU: Ich kenne da eine exzellente Sonnencreme, die könntest du…

MEYER (brüllt)

FRAU: Schon gut! Schon gut! Musst ja nicht gleich wieder so aggressiv werden…

Büro
CHEF: Oh, Meyer – so früh waren sie ja noch nie bei der Arbeit! Woran liegt’s?

MEYER (schnaubt)

CHEF: Ach, sie haben jetzt Flügel, wie? Sie haben es jetzt anscheinend nicht mehr nötig, wie jeder normale Mensch mit dem Auto zur Arbeit zu fahren oder zumindest die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen?

MEYER (knurrt)

CHEF: Oh nein, wir müssen ja so ausgefallene Mätzchen wie den Luftweg verwenden, weil wir ja etwas besseres sind als all die anderen, nicht wahr?

MEYER (knurrt lauter)

CHEF: Wissen sie was, Meyer? Ich kann sie nicht leiden. Sie sind gefeuert!

MEYER (bellt)

CHEF: Ha! Ganz genau! In meiner gesamten Zeit hier habe ich noch nie einen unpünktlicheres…

MEYER (faucht)

CHEF: …unzuverlässigeres, fauleres,…

MEYER (faucht lauter)

CHEF: …schmierigeres, arschkriecherischeres…

MEYER (faucht noch lauter)

CHEF: …und vor allem feigeres Weichei als sie erlebt!

MEYER (brüllt laut auf)

CHEF: Ha! Und jetzt, wo sie draußen sind, zeigen sie mal wirklich ein bisschen Aggressivität… Meyer?

Wohnzimmer
FRAU: Oh, hallo Schatz, da bist du ja wieder! Warum so früh heute?

MEYER (rülpst)

FRAU: Meine Güte, da hat ja jemand all deine Sachen mit roter Farbe besprüht – wie ist denn das passiert?

MEYER (bellt)

FRAU: Das muss umgehend in die Wäsche! Oh schau, selbst das Gesicht hast du dir beschmiert, das solltest du dir sofort abwaschen!

KIND (kommt die Treppe herunter)

FRAU: Schau mal, Herzchen, Papi ist heute schon früher zuhause!

MEYER (gurrt KIND zu)

KIND (kreischt): Das ist nicht mehr mein Papi, das ist ein Monster!

MEYER (fiept)

KIND: Nein, fass mich nicht an, du bist nicht mehr mein Papi! (rennt heulend wieder die Treppe hinauf)

FRAU: Ich weiß wirklich nicht, was in letzter Zeit mit ihr los ist, irgendwie benimmt sie sich seltsam…

MEYER (schnaubt)

FRAU: Du könntest auch mal mit ihr reden, schließlich ist sie auch dein Kind!

MEYER (knurrt)

FRAU: Mal ehrlich, den ganzen Tag über bist du weg arbeiten und ich sitze hier alleine mit der Kleinen – du bist nie für sie da, kein Wunder, dass sie sich dir gegenüber so komisch verhält.

MEYER (zischt)

FRAU: Nein, du brauchst es gar nicht zu leugnen, du solltest mit ihr auch mal wieder was unternehmen. Sie kennt ihren Vater ja kaum noch… ich denke außerdem nicht, dass es gut für dich ist, wenn du dir diese rote Farbe einfach ableckst! Ich packe die Sachen lieber wirklich gleich in die Wäsche…

5. Tag

Küche, morgens FRAU (von der Zeitung aufblickend): Guten Morgen!

MEYER: Guten Morgen, Weibchen.

FRAU: Gut geschlafen?

MEYER: So gut wie noch nie.

FRAU: Na das ist schön. Willst du dich nicht setzen?

MEYER: Ich brauche jetzt keine Stühle und sonstige minderwertige menschliche Einrichtungsgegenstände mehr.

FRAU: Wie du meinst… Seit wann kannst du eigentlich Bauchreden?

MEYER: Ich kommuniziere mit dir auf einer telepathischen Ebene, die eurem schlecht entwickelten menschlichen Gehirn für immer unverständlich bleiben wird, Weibchen. Meine Metamorphose hat sich fast vollzogen. Ich bin nun beinahe ein vollkommen neues Wesen, dass seine lächerliche menschliche Hülle abgestreift hat. Ich bin frei von jeglicher Verantwortung, frei von jeglicher Form von Gewissen, frei von unbedeutenden menschlichen Gefühlen. Ich habe eine höhere Form des Daseins erreicht.

FRAU: Das freut mich für dich, Schatz. Was willst du zum Frühstück?

MEYER: Ich werde mir nachher selbst etwas jagen.

FRAU: Aber die Supermärkte machen doch erst in ein paar Stunden auf!?

MEYER: Supermärkte sind eine weitere niedere menschliche Erfindung, derer ich nicht mehr bedarf.

FRAU: Ach so. (schlägt die Zeitung auf und liest) Meine Güte, ist das nicht dein Chef?

MEYER: Sieht so aus.

FRAU: Hier steht, dass er gestern im Laufe des Tages einfach verschwunden ist und am Abend dann tot und völlig verstümmelt in einer Seitengasse aufgefunden wurde.

MEYER: Köstlich.

FRAU: Wer macht denn nur so was, das ist ja grauenvoll!

MEYER: Ich war es.

FRAU: Was ist aus dieser Welt nur geworden?

MEYER: Seit gestern ein besserer Ort.

FRAU: Ich hoffe, sie finden den Mörder bald.

MEYER: Du verstehst anscheinend nicht, was hier vor sich geht, Weib. Du verschließt deine Augen vor dem Offensichtlichen, um dein kleines, unbedeutendes Leben einfach weiterführen zu können. Du leugnest die Veränderung, die rings um dich vor sich geht. Deine Ignoranz ist nur allzu menschlich.

FRAU: Also in diesem Ton musst du mir erst gar nicht kommen. Wann hast du dich schließlich das letzte Mal wirklich um mich gekümmert oder um deine Tochter? Manchmal habe ich das Gefühl, dass du mich gar nicht mehr richtig liebst!

MEYER: Liebe. Du meinst dieses Gefühl, das über reines sexuelles Verlangen hinausgeht. Dieses Gefühl, welches wir beide vor vielen Jahren anscheinend füreinander gehegt haben. Das brauche ich jetzt nicht mehr.

FRAU: Oh, und anscheinend bist du auch noch stolz darauf. Wenn dem so ist, kannst du unser Haus ja auch gleich verlassen!

MEYER: Nein. Als Heimstatt gefällt mir diese Behausung eigentlich noch recht gut. Ich rate jedenfalls dir und deinem Jungtier mir nicht mehr so sehr in die Quere zu kommen.

FRAU: Na dann hau doch ab! Ich kannte mal einen Herrn Meyer, der hat mich noch geliebt!

MEYER: Der existiert jetzt nicht mehr.

Wohnzimmer, mittags, es klingelt an der Tür
MEYER: Was ist, Mensch.

POLIZIST: Einen schönen guten Tag. Sie sind…

MEYER: Ja, der bin ich, wenn auch dieser Name nicht mehr notwendig ist.

POLIZIST: Nun, ich bin vom Morddezernat und möchte ihnen einige Fragen betreffs des Mordes an ihrem Arbeitgeber stellen. Darf ich hereinkommen?

MEYER: Ich bitte sie darum.

POLIZIST: Oh, vielen Dank. Schicke Hörner übrigens! (er setzt sich auf das Sofa, MEYER legt sich ihm gegenüber hin) Also, fangen wir an. Herr Meyer, wo waren sie gestern um 16:34 Uhr?

MEYER: In einer dunklen Seitengasse.

POLIZIST: Hätten sie zu diesem Zeitpunkt nicht auf der Arbeit sein sollen?

MEYER: Gestern noch, ja.

POLIZIST: Aber sie waren nicht auf ihrem Arbeitsplatz im Büro, wo sie ihren Chef zuletzt sahen?

MEYER: Nein, das sagte ich bereits.

POLIZIST: Und was haben sie in jener dunklen Seitengasse gemacht?

MEYER: Ich habe einen mir äußerst unangenehmen Menschen zerfleischt. Wahrscheinlich eine Reaktion auf meine frühere Existenzform.

POLIZIST: Hat sie irgendjemand dabei beobachtet, sodass sie ihre Aussage verifizieren können?

MEYER: Nur dieser eine Mensch.

POLIZIST: Lassen sie mich das bitte wiederholen: Sie waren zum Tatzeitpunkt nicht an ihrem Arbeitsplatz, sondern in einer, wie sie es beschreiben, ‚dunklen Gasse‘ und haben dort eine ihnen bekannte Person umgebracht, ohne dass sie jemand dabei gesehen hat, der das jetzt bezeugen könnte?

MEYER: Ja.

POLIZIST: Es tut mir leid, aber solange sie ihre Aussage nicht bezeugen können, stehen sie unter dringendem Verdacht, ihren Chef ermordet zu haben! Ich möchte sie bitten, mich auf das Dezernat zu begleiten, auf dass wir ihnen weitere Fragen stellen können!

MEYER: Ich fürchte, diesem Wunsch kann ich nicht nachkommen.

POLIZIST: Es tut mir leid, aber wenn sie nicht gewillt sind, meiner Aufforderung Folge zu leisten, muss ich sie leider verhaften und abführen.

MEYER: Das will ich sehen.

Wohnzimmer, nachmittags, FRAU kommt heim

FRAU: Guten Abend, Schatz!

MEYER: Du klingst nicht mehr sehr wütend, Weibchen.

FRAU: Nein… du, ich habe noch mal nachgedacht. Es tut mir sehr leid, was ich heute Morgen zu dir gesagt habe. Natürlich möchte ich nicht, dass du das Haus verlässt.

MEYER: Das hatte ich auch niemals vor.

FRAU: Wenigstens einer hier ist dem anderen treu…

MEYER: Glaub‘, was du willst. Wahrscheinlich wünschst du dir nur, dass ich nicht abhaue, weil du dieses Haus alleine nicht abbezahlen kannst.

FRAU: Manchmal wünsche ich mir nur ein wenig mehr Zärtlichkeit von dir!

MEYER: Wünsch dir, was du willst.

FRAU: Oh Schatz, wirklich? Weißt du, tatsächlich habe ich neulich beim Juwelier dieses wunderschöne Collier gesehen… sag mal, wer sitzt denn da auf unserem Sofa?

MEYER: Ein Polizist.

FRAU: Und was wollte der hier?

MEYER: Mich über den Mord an meinen Chef ausfragen.

FRAU: Konntest du ihm helfen?

MEYER: In gewisser Weise.

FRAU (flüsternd): Sag mal, hat der all den Rotwein über dem Sofa und dem Teppich verschüttet?

MEYER: In gewisser Weise.

FRAU: Ich hole wohl besser den Teppichreiniger von oben.

Sie geht nach oben und kommt kurze Zeit später freudestrahlend mit etwas Glänzendem in der Hand zurück

FRAU: Oh, Schatz, das ist ja… wundervoll! Woher wusstest du von dem Collier? Das ist genau das, das ich mir schon immer gewünscht habe! (sie fällt ihm um den Hals)

MEYER: Das gehört zu meinen Schätzen. Es ist nicht für dich bestimmt.

FRAU: Aber was willst du denn damit anfangen?

MEYER: Mich an seiner Schönheit und seiner Einzigartigkeit erfreuen.

FRAU: Mir steht es aber viel besser!

MEYER: Wenn ich es dir gebe, wirst du dann ruhig sein.

FRAU: Oh, Liebling, du bist der beste Ehemann auf der Welt!

6. Tag

Küche FRAU: Guten Morgen!

MEYER (gähnt)

FRAU: War die Nacht für dich nicht ungemütlich?

MEYER: Warum.

FRAU: Nun, immerhin hast du nicht in unserem Bett sondern auf diesen ganzen Kostbarkeiten geschlafen. Ich frage mich immer noch, wo du das Geld her hast, um dir all den Schmuck kaufen zu können…

MEYER: Ich brauche kein Geld.

FRAU: Ach, mit diesen Kreditkarten werde ich mich nie anfreunden können…

MEYER (seufzt)

FRAU: Wann ist dieser Polizist eigentlich gestern nach Hause gegangen?

MEYER: Gar nicht, der sitzt noch immer auf dem Sofa.

FRAU: Dem scheint es hier aber zu gefallen. Vielleicht wurde er ja zu Hause von seiner Frau rausgeworfen? Oh, die Welt ist so voll von schlecht geführten Ehen…

MEYER: Wie wahr…

FRAU (öffnet die Zeitung und liest): Na sieh mal einer an, so ein Zufall! Der Juwelier aus dem du die ganzen Sachen hast wurde gestern noch überfallen. Fast alles hat der Täter mitgenommen, und das am helllichten Tage. Unglaublich! Zum Glück hast du all die Sachen vorher gekauft, sonst wären sie jetzt weg.

MEYER: Und wenn ich dir den Hals umdrehe, hältst du das für eine Massage…

FRAU: Was?

MEYER: Lies nur weiter in deiner Zeitung.

Wohnzimmer, mittags, es klingelt an der Tür
KIND: Ja?

2. POLIZIST: Hallo, Kleine! Kannst du mir sagen, wo dein Vater ist?

KIND: Mein Vater ist ein Monster!

MEYER: Wer ist denn da.

2. POLIZIST: Ich komme vom Dezernat für…

MEYER: Kommen sie herein.

KIND: Nein, kommen sie nicht! Er hat schon dem den anderen Männern ganz doll wehgetan. Er wird ihnen auch wehtun! Schnell, gehen sie weg!

2. POLIZIST: Aber mal ganz ruhig, Kleine, das ist doch nur dein Vater! Und außerdem bin ich ein Polizist, ich kann schon ganz gut auf mich selbst aufpassen.

MEYER: Ich bin mir sicher, dass sie das können.

KIND: Nein, bitte, er wird sie umbringen, so wie die anderen.

MEYER: Jetzt ist genug. Geh auf dein Zimmer, oder ich werde dich bestrafen müssen.

KIND (rennt angsterfüllt nach oben)

2. POLIZIST: Eine süße Kleine haben sie da!

MEYER: Ja, nicht wahr.

2. POLIZIST: Aber wie dem auch sei, ich bin hier wegen des Überfalls auf den Juwelier gestern Nachmittag. Sie wurden zum Tatzeitpunkt in der Nähe des Geschäfts beobachtet. Haben sie vielleicht irgendwas gesehen?

MEYER: Ja, und zwar viele schöne Juwelen und Schmuckstücke.

2. POLIZIST: Darf ich daraus schließen, dass sie zum Tatzeitpunkt im Laden waren?

MEYER: Das dürfen sie.

2. POLIZIST: War außer ihnen sonst noch jemand im Geschäft?

MEYER: Nur der Juwelier.

2. POLIZIST: Verdammt, dieser Fall gibt einem Rätsel auf. Genauso wie mein verschwundener Kollege von gestern. Haben sie ihn zufällig gesehen, er hatte wohl in dieser Gegend etwas zu erledigen.

MEYER: Er ist noch hier.

2. POLIZIST: Wirklich? Können sie mich zu ihm bringen?

MEYER: Kommen sie mit.

2. POLIZIST: Tatsächlich, da sitzt er ganz friedlich. Er bewegt sich ja gar nicht!

MEYER: Es liegt vielleicht daran, dass ihm sein Herz rausgerissen wurde.

2. POLIZIST: Jetzt, wo sie’s sagen… Du meine Güte, sie haben den Juwelier ausgeraubt, nicht wahr?

MEYER: Immerhin waren sie besser als der andere.

2. POLIZIST: Wieso ‚waren‘?

MEYER: Ich zeige es ihnen.

Schlafzimmer, abends, FRAU betrachtet sich und ihr Collier im Spiegel
KIND (schluchzend): Mama?

FRAU: Hm?

KIND: Ich habe Angst! Papa tut so vielen Menschen weh.

FRAU: Mhm.

KIND: Was ist, wenn er als nächstes dir oder mir wehtut?

FRAU: Hm.

KIND: Ich will, dass Papa damit aufhört!

FRAU: Mhm.

KIND: Ich will meinen alten Papa zurück!

FRAU: Kannst du später noch mal wiederkommen? Mama ist gerade beschäftigt!

KIND (geht weinend aus dem Zimmer)

7. Tag

Küche FRAU: Du, Schatz, ich mache heute Nachmittag hier übrigens einen Kaffeeklatsch mit meinen Freundinnen.

MEYER: Erwarte kein Interesse für diese niederen Aktivitäten.

FRAU: Also bist du damit einverstanden?

MEYER: Ja. Obwohl ich nicht weiß, warum ich mich überhaupt noch mit dir abgebe. Eigentlich solltest du mir überhaupt nichts bedeuten. Warum nur kann ich es nicht über mich bringen, dir irgendwas anzutun.

FRAU: Na weil du mich liebst!

MEYER: Liebe, was ist das schon. Vielleicht habe ich dich ja früher mal geliebt.

FRAU: Wie kann denn ein Mann seine Liebe einer Frau besser beibringen als über diese wundervollen Geschenke, die du mir gemacht hast?

MEYER: Sag mir: Empfindest du Liebe für mich. Hast du sie jemals empfunden. Oder liebst du nur die Materialien, mit denen ich dich versorgt habe.

FRAU: Aber natürlich liebe ich dich, Schatz! Auch mit all diesen Hörnern und Stacheln und Zähnen. Einen so umwerfenden Mann kann man doch nur lieben.

MEYER: Und was ist mit unserer Tochter.

FRAU: Die liebe ich natürlich auch.

MEYER: Ich meine, liebt unsere Tochter auch mich.

FRAU: Aber natürlich… Nun, sie benimmt sich momentan etwas komisch, aber das wird schon wieder.

MEYER: Vielleicht sollte ich dir mitteilen, dass sie weggelaufen ist.

FRAU: Ach, sie ist sicherlich nur zu Freunden spielen gegangen.

MEYER: Um fünf Uhr morgens. Vielleicht hätte sie mich nicht dabei sehen sollen, wie ich die beiden Polizisten… entsorgt habe.

FRAU: Ach, mach dir keine Vorwürfe, sie wird sich schon wieder anfinden.

MEYER: Und wenn schon. Jetzt macht es nichts mehr aus. Ich empfinde keine Liebe mehr und habe schon lange keine mehr empfangen. Nun kann ich auch genauso gut so bleiben. Wer weiß, ob eine Umkehr möglich gewesen wäre.

FRAU: Vielleicht sollten wir einfach mal wieder miteinander schlafen?

MEYER: Was für ein abartiger Gedanke.

Wohnzimmer, FRAU, 1. FREUNDIN und 2. FREUNDIN sitzen beim Kaffeeklatsch
FRAU: Und vorgestern, da hat er mir dieses Collier geschenkt, das ich schon immer mal haben wollte. Zusammen mit all diesen anderen Kostbarkeiten!

1. FREUNDIN: Sag an!

2. FREUNDIN: Ehrlich?

FRAU: Wenn ich es euch doch sage! Und täglich kommt er mit neuen Schätzen nach Hause, oh es ist so wunderbar!

2. FREUNDIN: Weißt du, wie viele Frauen dich um so einen Ehemann beneiden?

1. FREUNDIN: Mich eingeschlossen!

FRAU: Nun, seine Macken hat er ja auch. Dieser neue Schwanz den er hat, über den bin ich zum Beispiel schon ein paar mal gestolpert, und seine Flügel hat er auch nicht ganz unter Kontrolle, aber ansonsten ist alles in Ordnung.

2. FREUNDIN: Wo ist eigentlich eure Tochter? Sie ist doch so ein liebes Mädchen.

FRAU: Laut meinem Mann ist sie heute Morgen weggegangen, wahrscheinlich spielen. Sicherlich kommt sie heute Abend wieder nach Hause.

3. POLIZIST (von draußen, die Stimme durch ein Megaphon verzerrt): Okay, Meyer, wir wissen, dass sie da drinnen sind. Kommen sie mit erhobenen Händen raus!

1. FREUNDIN: Was ist denn da los?

FRAU: Sieht nach Besuchern aus.

MEYER (auf dem Weg zur Tür): Ich kümmere mich darum. Liebling.

FRAU: Ist gut, Schatz! Ach, ist er nicht hinreißend?

2. FREUNDIN: Ja, er hat eine ungemein kraftvolle Ausstrahlung.

1. FREUNDIN: Besonders über diesen Trick mit dem Bauchreden bin ich fasziniert!

Von draußen ertönen Schüsse und Schreie, übertönt durch ein lautes Gebrüll

FRAU: Ich bin froh, dass wir es so gut haben, und dass sich mein Mann sein Geld nicht mit Betteln oder Verbrechen verdienen muss. Auf der anderen Seite wäre mir das Leben an der Seite eines Prominenten auch nichts, mit diesem ganzen Pressezirkus käme ich wahrscheinlich nicht zurecht.

1. FREUNDIN: Wie wahr!

2. FREUNDIN: Wie wahr!

FRAU: Das ist sicherlich das beste für eine gute Beziehung: ein ganz normaler Mann.

Written by Der Doktor http://www.die-subkultur.net

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Der äthiopische Drache (Ciruelo Cabral)

Vor langer Zeit wurde Äthiopien von König Cepheus und Königin Cassiopeia regiert, die sich damit rühmte, schöner als alle Nereiden zu sein. Die Töchzter des Meeres beschwerten sich über diese Anschuldigungen bei Poseidon, sie wollten Ihre Ehre wieder hergestellt sehen. Poseidon schickte einen Drachen, der das gesamte Land verwüstete und alle jungen Menschen Äthiopiens verspeiste. Die entsetzte Bevölkerung befragte das Orakel von Ammon; sie erfuhren, daß die einzige Hoffnung auf Erlösung darin bestand, dem Drachen Andromeda, die wunderschöne Königstochter, zu opfern. Cepheus und Cassiopeia wollten ihre Tochter nicht ins Verderben schicken, doch unter dem Druck ihrer Untertanen mußten sie dem Opfer schließlich zustimmen. Soldaten ketteten das Mädchen an einen Felsen im Meer, wo das Ungeheuer lebte. Klagend und weinend warteten die Eltern der Prinzessin am Ufer. Doch Perseus, Sohn des Zeus, kam auf seinem geflügelten Roß Pegasus vorbei und sah das verzweifelte Königspaar. Der Held, der gerade die furchtbare Medusa getötet hatte fragte beide nach ihrem Leid. Schluchzend erzählten König und Königin die ganze Geschichte.
„Wir warten hier auf das Ungeheuer, das unsere Tochter verschlingen wird“, jammerten sie, „falls irgendwer unsere Tochter erretten könnte, so würde er nicht nur unseres ewigen Dankes gewiß, wir gäben ihm Andromeda zur Frau und den Thron als Mitgift.“
Perseus empfand dieses Angebot als sehr verlockend, zumal die Schönheit des Mädchens, das da an den Felsen gekettet stand, mehr als offensichtlich und der König höchst wohlhabend war. Er setzte sich den magischen Helm auf, der ihm von Hades, dem Herrn der Unterwelt gegeben worden war und der ihn unsichtbar machte. Dann faßte er sein glänzendes Schild – ein Geschenk der Göttin Athene (Er war mit beiden Gottheiten verwandt) und das Diamantenschwert, daß er von Merkur erhalten hatte und zog in den Kampf gegen das Ungeheuer. Gegen den unsichtbaren Gegner hatte der Drache keine Chance, auch Andromeda ahnte nicht, wer ihr da zu Hilfe kam. Der Halbgott zerschnitt die Haut des Drachen, bis er an sein Herz kam und riß es heraus. Dann nahm er den Helm ab und zeigte sich der wunderschönen Prinzessin. Mit einem Hieb zertrennte er die Ketten, die sie an den Felsen ketteten, hob die Königstochter auf sein geflügeltes Roß und flog mit ihr zum Königspalast.
Am Palast des Königs wartete allerdings eine unliebsame Überraschung auf den Helden. An der Spitze seiner Armee stand Phineus, früherer Freier und verlangte sie zur Frau. Perseus dachte nicht daran seine wohlverdiente Belohnung aufzugeben. Er zog den Kopf der Medusa aus der Tasche und hielt ihn Empor, worauf alle Anwesenden zu Stein erstarrten. Nun war es ihm vergönnt, die schöne Andromeda zu heiraten; sie hatten viele Kinder. Eines von ihnen war Alkmene, die spätere Mutter des mächtigen Herakles.

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Aschenhans und der Urlindwurm (Sigrid Früh)

Es lebte einmal ein Bauer auf Leegarth, der hatte sieben Söhne und eine Tochter. Der jüngste Sohn aber wurde nur der Aschenhans genannt. Den ganzen Tag ging er in abgerissenen Kleidern und reit ungekämmtem Haar umher, aus dem jeder Windstoß eine Aschenwolke blies. Sogar nachts schlief er in der Asche. Aschenhans n-iußte tagein, tagaus den Boden fegen, Torf für das Feuer holen und alle niedrigen Arbeiten verrichten. Von seinen Brüdern erhielt er oft Schläge und böse Worte, sie verlachten und verspotteten ihn. Nur seine Schwester hatte ihn von Herzen lieb. Sie lauschte gerne den Geschichten von Helden, Riesen und Trollen, die er so gut wie kein anderer zu erzählen wußte. Eines Tages geschah es, daß des Königs Boten zu dem Bauern kamen und ihre sagten, er solle seine Töchter an des Königs Hof senden, auf daß sie dessen einziger Tochter als Magd und Gefährtin diene. So wurden dem Mädchen die besten Kleider angelegt, und dann ritt sie mit den Boten fort. Von da an sprach Aschenhans kaum mehr ein Wort, und er ließ traurig den Kopf hängen. Als eine Zeit vergangen war, breitete sich unheilvolle Kunde im Lande aus, Es hieß, der große Lindwurm nähere sich der Küste. Diese Nachricht ließ selbst die Kühnsten unruhig werden. Wahrhaftig reckte das Untier schon sein Haupt gegen das Ufer, riß seinen greulichen Rachen auf und gähnte schrecklich. Als der Lindwurm das Maul wieder schloß, da erbebte die Erde. Dies tat er, um zu zeigen, er werde das Land vernichten, wenn man ihm nichts zu fressen gäbe.
Dieser Lindwurm war der größte und erste, der Vater von allen Übrigen, deshalb hieß er der Urlindwurm. Er konnte mit seinem giftigen Atem jede lebende Kreatur, die er anhauchte, töten und alles, was wuchs und grünte, verdorren lassen, Furcht befiel jedes Herz, und Klagen erhoben sich im ganzen Land.
Drei Tage lang berieten der König und das Thing, was in dieser grollen Not zu tun sei. Keiner aber wußte einen Weg dem Untier ZU entkommen. Nun gab es in dein Königreich einen mälchtigen Zauberer, von dem die Leute sagten, daß er um alle Dingo wisse. Der König allein hielt ihn für einen hinterlistigen Ränkeschmied und mißtraute ihm aus ganzer Seele,
Als das Thing nun Weder ein noch aus wußte, trat auf einmal die Königin in die Versammlung.
Sie war herrschsüchtig, kalt und böse, und sie sprach. Ihr seid alle tapfere Männer und kühne Krieger, solange ihr nur sterblichen Gegnern gegenübersteht. jetzt aber steht ein Feind vor euch, der eurer Kraft spottet, denn vor ihm sind eure Waffen wie Stroh. Nicht durch Schwert und Speer kann dieses Ungeheuer überwunden werden, sondern nur durch Zaubermittel. Ihr solltet euch Rat holen bei denn großen Zauberer, der von allen diesen Dingen weiß. Denn Klugheit siegt, wo Kraft und Stärke versagen.“
Also wurde der Zauberer gerufen. Er sah häßlich aus wie ein Gespenst, und sein Anblick war furchterregend. Ernst sei die Frage, und schwierig sei sie zu beantworten, sagte er zu den Männern des Things, doch werde er am folgenden Tage bei Sonnenaufgang seinen Rat mitteilen.
Am nächsten Morgen gab der Zauberer bekannt, es gäbe nur einen einzigen Weg, den großen Lindwurm zufriedenzustellen und das Land zu retten. Es müßten ihm einmal in der Woche sieben Jungfrauen zum fraß vorgeworfen werden. Wenn dieses Mittel nicht ausreiche, dann bliebe nur
noch ein weiteres, das aber sei so furchtbar, da es gar nicht ausgesprochen werden dürfe, es sei denn, das andere versage.
So sprach der Zauberer, und sein Rat wurde angenommen und als Gesetz, verkündet. Jeden Samstag wurden sieben Mädchen gebunden auf einen Felsen gelegt, und das Untier streckte seine Lange Zunge heraus und schlang sie alle in seinen furchtbaren Rachen. Eines Samstags stiegen die Leute von Leegarth auf einen Hügel, und sie sahen, wie der große Lindwurm sieben
Jungfrauen mit flaut und Haaren auffraß. Da weinten die Frauen, und die Gesichter der Männer wurden grau. Während alle jammerten und klagten, ob es denn keine andere Rettung für das Land gäbe, erhob sich Aschenhans und sprach: „Ich bin bereit, mit dem Drachen zu kämpfen, denn ich fürchte den Tod nicht.“ Da gab ihm sein ältester Bruder einen schrecklichen Hieb und befahl ihm, sich nach Hause zu scheren in sein Aschenloch. Aschenhans aber wiederholte seine Worte. Darüber gerieten die Brüder in so großen Zorn, daß sie mit Steinen nach ihm warfen, bis er davonlief. Zur Nachtzeit bekamen sie ihn in der Scheune zu fassen und hätten ihn im Stroh erstickt, wenn nicht der Vater zu Hilfe gekommen wäre.
Aschenhans aber sprach: „Du hättest mir nicht helfen müssen, Vater, denn mit Leichtigkeit hätte ich mich meiner Brüder erwehren können, wenn ich es nur gewollt hätte.“
Da lachten sie alle und fragten voller Hohn. „Und warum hast du es dann nicht versucht?“
„Weil ich all meine Kraft für den Kampf mit dem Urlindwurm aufsparen will“, antwortete Aschenhans. Darauf hielten sie sich vor Lachen den Bauch, und der Mater sagte: „Du wirst mit dem großen Lindwurm kämpfen, wenn ich Löffel aus den Hörern des Mondes mache!
Überall aber im Land erhob sich große Trauer und Wehklagen über den Tod so vieler Jungfrauen. Die Leute sagten, es werde bald keine Frau mehr sein, um Kinder zu gebären.
Also wurde wiederum das Thing einberufen, und die Männer riefen nach dem Zauberer und begehrten auch, das zweite Mittel zu erfahren. Der Zauberer reckte seine häßliche Gestalt. Der Bart hing ihm bis zu den Knien, und sein Haar war wie ein Mantel um ihn. Und er sprach: „Mit der größten Trauer spreche ich es aus, es gibt nur ein einziges Heilmittel. Oh, daß ich nie geboren wäre oder doch nicht so lange gelebt hätte, um den Tag zu sehen, an dem ich hier stehe, dieses Heilmittel zu verkünden. Des Königs ein zige Tochter Gemdelovely muß dem Lindwurm geopfert werden. Dann erst wird das Ungeheuer unser Land verlassen.“
Lange Zeit schwiegen alle Versammelten. Endlich erhob sich der König kummervoll, doch groß und aufrecht, und er sprach: „Gemdelovel ist mein einziges Kind. Sie ist das Liebste, was ich auf Erden habe. Sie sollte einmal mein Reich erben, Wenn aber ihr Tod das Land retten kann, so soll sie sterben. Es ist wohl ihre Pflicht, als die Letzte aus denn ältesten Geschlecht des Landes ihr Leben für ihr Volk hinzugeben.“
Da erhob sich der Älteste des Thing und fragte, ob dies der Wille aller sei. Keiner sprach, aber alle hoben sie die Hand. Sie taten es in großem Kummer, denn Gemdelovely wurde von allen geliebt. Darauf sprach des Königs Waffenmeister: „Wenn das Untier auch dann nicht das Land verläßt, nachdem es die Prinzessin verschlungen hat, so soll der Zauberer das nächste Opfer sein.“
Dem stimmten alle mit Beifallsrufen zu.Bevor der Spruch des Things verkündet wurde, bat der König um einen Aufschub von drei Tagen. Dies Wurde gewährt. Dann gab der Älteste den Spruch des Things bekannt. Leer König sandte Boten in alle Lande, um kundzutun, daß derjenige, dem es gelänge, den Lindwurm mit Waffengewalt oder List aus denn Lande zu bringen, Gemdelovely zur Frau bekäme. Obendrein solle er das Königreich erben und das Schwert Sicherbeißer, mit dem der große Oddie seine Feinde besiegt und ans andere Ende der Welt getrieben hatte.
Manch ein Fürst und großer Streiter hielt diesen dreifachen Preis wohl wert. Aber die Gefahr, die dem drohte, der diese drei gewinnen wollte, die wollte keiner auf sich nehmen. Und auch des Kühnsten Herr erstarrte vor Furcht. Als der Bauer von Leegarth vom Thing zurückkam mit der Kunde, daß die schöne Gemdelovely dem Untier vor geworfen werden sollte, hob ein großes Jammern und Klagen an, denn alle Menschen, außer der Königin, die ihre Stiefmutter war, liebten die Prinzessin. Aschenhans aber schwieg.Sechsunddreißig große Helden kamen zum Haus des Königs in der Hoffnung, den Preis zu gewinnen. Aber zwölf von ihnen fielen in Ohnmacht, als sie den Lindwurm erblickten, zwölf weitere waren so entsetzt, daß sie heim liefen in ihr eigenes Land. Zwölf schließlich blieben am Hofe des Königs, aber Herz und Mut waren ihnen tief gesunken.
Am Vorabend des Tages, an dem die Prinzessin geopfert werden sollte, gab der König für die zwölf Helden und seine Männer ein großes Mahl. Doch Trauer hatte alle er faßt, und so wurde wenig gegessen und noch weniger gesprochen. Wenn sie auch dem Wein zusprachen, so war doch keinem nach Scherzen zumute. Der König aber verbarg sein Antlitz vor ihnen. Als sich alle bis auf den König und seinen Waffenmeister zur Ruhe begeben hatten, öffnete der König seine große Truhe und nahm das Schwert Sicherbeißer in seine Hände. „Warum nehmt Ihr Sicherbeißer aus der Truhe?“ fragte der Waffenmeister, „morgen werden es vier mal zwanzig und sechzehn Jahre, daß Ihr in die Welt kamt, und manche heldenhafte Tat habt Ihr getan in dieser Zeit. Aber die Tage, da Ihr in den Kampf zogt, sind vorüber. Laßt Sicherbeißer ruhen, mein Herr und König. Ihr seid zu alt, seine Klinge jetzt noch zu schwingen.“ „Schweig! sprach der König, „oder ich werde meine Kraft an deinem Leibe versuchen. Glaubst du, daß ich, der ich von dem großen Oddie abstamme, ertragen könnte, daß mein einziges Kind von einem Ungeheuer verschlungen wird und ich keinen Streich wagte für mein eigen Fleisch und Blut? Ich sage dir, und ich schwöre es dir reit meinem Daunen kreuzweise auf Sicherbeißers Spitze : dieses gute Schwert und ich, wir werden untergehen, ehe meine Tochter stirbt. Und nun, mein treuer Waffenmeister, begib dich beim ersten Hahnenschrei eilends hinunter ans Meeresufer. Bringe mein Boot zu Wasser, richte den Mast auf, halte die Segel bereit und wende den Bug seewärts. Bewache es gut, bis ich komme. Dies wird der letzte Dienst sein, den du mir erweisen kannst. Schlafe nun wohl, mein alter Freund und Gefährte.“ Auch auf Leegarth traf man Vorbereitungen für den nächsten Tag, denn alle sollten hingehen am nächsten Morgen, den Tod Gemdelovelys mitanzusehen, alle, außer Aschenhans, der mußte zu Hause bleiben und die Gänse hüten. wie er nun in der Asche lag, bedrückten ihn so viele Gedanken, und es wollte kein Schlaf über ihn kommen. Da hörte er Vater und Mutter auf ihrem Lager miteinander sprechen. Er hörte, wie die Mutter sagte : „So wollt ihr also morgen alle hingehen und zusehen, wie die Prinzessin aufgefressen wird?“ „Ja, wahrhaftig, Frau und du sollst auch mitkommen. Du sollst hinter mir auf Teetang reiten, auf dem schnellsten Pferd im Lande, und keiner wird uns zuvorkommen.“ Da antwortete sinnend die Frau: „Ich habe manchmal gedacht, du liebst mich doch nicht so sehr, wie ein Mann seine Frau lieben soll.““Wie kannst du einen solchen Gedanken hegen“, rief der Mann, „habe ich jemals etwas getan oder gesagt, das dich glauben machen könnte, ich liebte dich nicht mehr als alle anderen Frauen auf Erden ?“ „Nicht, was du sagst, sondern was du nicht sagst, läßt mich an deiner Liebe zweifeln. Seit fünf Jahren schon habe ich dich wieder und wieder gebeten, mir zu sagen, wie du Teetong zu so schnellem Lauf antreibst, daß er jedes andere Pferd im Lande schlägt, aber ich könnte ebensogut den Stein in der Mauer fragen. Ist das ein Zeichen wahrer Liebe?“ Nun , liebes Weib“, antwortete der Mann, „wenn dich dies so sehr bedrückt, so will ich dir das Geheimnis verraten. Wenn ich will, da Teetong stillsteht, gebe ich ihm einen Schlag auf die linke Schulter, wenn ich will, daß er recht schnell geht, gebe ich ihm zwei Schläge auf die rechte Schulter, Soll er aber aus Leibeskräften rennen, dann blase ich durch die Luftröhre einer Gans. Ich habe stets ein solches Stück Drossel in meiner rechten Rocktasche, auf daß es notfalls zur Hand ist. Wenn Teetang meinen Pfiff hört, dann läuft er wie der Wind. So, nun weißt du alles. Laß uns noch ein wenig schlafen, denn es ist schon spät.“ Aschenhans aber hatte alles gehört. Er wartete, bis die Eltern eingeschlafen waren. Dann aber hielt es ihn nicht mehr auf seinem Lager. Er nahm die Gänsedrossel heimlich aus seines Vaters Rocktasche und schlich sich in den Stall. Dort zäumte er Teetang und führte ihn hinaus. Aschenhans schwang sich in den Sattel und gab dem Pferd zwei Schläge auf die rechte Schulter. Da schoß es wie ein Pfeil davon und wieherte dabei laut. Davon erwachte der Bauer. Er weckte eilends seine Söhne, und sie sch rangen sich auf ihre Pferde und galoppierten hinter Aschenhans und Teetong her, allen voran der Vater, und der rief. Halt, halt, he Teetore steh! Als Teetong diesen Ruf vernahm, blieb er stehen wie ein Fels. Doch Aschenhans setzte die Gänsedrossel an die Lippen und blies mit aller Macht darauf. Da schoß Teetong, davon wie der Wind, und der Vater und die Brüder hatten das Nachsehen. Bei Sonnenaufgang kahl Aschenhans zum Meeresufer. Er pflockte sein Pferd an und ging in eine kleine Hütte hinein, Dort nahm er ein brennendes Stück Torf aus dem 1-euer und gab es in einen alten Topf. Damit ging er an die Stelle, wo des Königs Boot an einem Stein vertäut war- Der Diener, der das Boot bewachen sollte, bis der König käme, zitterte vor Kälte, denn die Nacht war eisig gewesen. „Warum kommst du nicht an Land und läufst ein wenig umher, um dich aufzuwärmen?“ fagte ihn Aschenhans. „Der Waffenmeister- hat es mir verboten. ‚Wenn er mich nicht in, Boot findet, schlägt er weich halb tot..“ „Dein Waffenmeister ist ein weiser Mann“, sagte Aschenhans, ich aber will mir ein Feuer anzünden und Seeschnecken rösten.“
Er begann, ein Loch in den Boden zu schlagen, um darin das Feuer zu entfachen, irrt selben Augenblick aber rief er laut: Gold, Gold! So wahr ich der Sohn meiner Mutter bin, hier ist Gold in der Erde !“
Als der Mann im Boot das hörte, sprang; er an Land und stier Aschenhans zur Seite. Während er in dem Loch stocherte, packte Aschenhans seinen Topf, liste das Haltetau, sprang in das Boot und stieß es ab ins tiefe Wasser, der Mann am Strand mochte schreien, so laut er wollte. Als die
Sonne über die Berge heraufstieg, setzte Aschenhans seift Segel und steuerte geradewegs auf das Haupt des Lindwurms zu.
Das Scheusal lag vor ihm wie ein großer, hoher Berg. Seine Augen glühten und sprühten wie ein Leuchtfeuer. Sein Leib erstreckte sich über die halbe Welt. Seine furchtbare Zunge war Hunderte von Metern lang und konnte ganze Städte ins Meer fegen. Diese schreckliche Zunge war gespalten. Mit den beiden Spitzen konnte das Ungeheuer seine Beute packen, die größten Schiffe wie Eierschalen zerdrücken und die Mauern der größten Burgen Arie Nüsse zerknacken.
Aschenhans aber war ohne Furcht.
Währenddessen waren der König und seine Krieger zum Strand gekommen. Als der einig sein Boot weit draußen sah, geriet er in großen Zorn, Aschenhans fuhr von der Seite an den Kopf des Lindwurms heran, dann ließ er das Segel herunter und saß still da seit eingelegten Rudern und hing seinen Gedanken nach, Als der erste Sonnenstrahl die Augen des Ungeheuers traf, gähnte es. Es war das erste von sieben Malen, die der Lindwurm vor seinen grausigen Mahlzeiten zu gähnen pflegte. Jedesmal, wenn das Untier gähnte, schoß eine Wasserwoge in sein aufgesperrtes Maul hinein. Aschenhans ruderte so nahe wie möglich an des Lindwurms Maul heran, und beim nächsten Gähnen wurde wies Boot an der einwärts stürzenden Flutwelle mitgerissen und in den finsteren Schlund des Drachen hinunter
gespült. Weiter und weiter, tiefer und tiefer hinunter fuhr Aschenhans. Er steuerte sein Boot in der Mitte des Schlundes, bis das Wasser seichter wurde und der Mast sich mit
der Spitze oben an der Wandung verfing und der Kiel auf denn Grund festsaß.
Aschenhans sprang aus dem Boot. Er watete vorwärts, bis er zu der Leber des Ungeheuers kam. Er zog sein Messer
und schnitt ein Loch in die Leber und schob seinen glimmenden Torf in das Loch.. Er blies den Torf an, bis er dachte, seine Lippen müßten zerspringen. Der Torf flammte auf, und die Flamme ergriff das Fett der Leber. Ein gewaltiges Feuer entstand, Da lief Aschenhans zu seinem Boot zurück, und wie nun der Lindwurm die Hitze des Feuers spürte, fing er an, furchtbare Fluten aus seinem Magen zu speien. Eine von ihnen erfaßte das Boot, zerbrach den Mast und warf Boot und Mann heil und trocken an Land. Der König und seine Leute zogen sich auf einen hohen Hügel zurück, wo sie sicher waren vor den Fluten und vor den schrecklichen Feuer- und Rauchstößen, die das Ungeheuer von sich gab. Es war ein grauenvoller Anblick. Hinter den Flutwellen brachen aus dem Maul des Ungeheuers riesige Rauchwolken hervor, die waren schwarz wie Pech. Als das Feuer in ihn größer wurde, streckte es seine schreckliche Zunge heraus und schwang sie hin und her. Es umklammerte ein Horn des Mondes mit den gegabelten Enden, und als die Gabel ans Horn des Mondes abglitt und wieder herabstürzte, spaltete sie die Erde und schuf ein großes Stück Meer, wo vorher trockenes Land gewesen. Dieses Meer trennt noch heute Dänemark von Schweden und Norwegen. Am Ende dieses Meeres sind zwei große Meerbuchten, die von den beiden Spitzen der gegabelten Zunge des Lindwurms herrühren. Darauf zog der Lindwurm seine lange Zunge ein, und wie er sich nun wand und ringelte, bebte die ganze Erde. Schließlich zog er sich langsam zu einem riesengroßen Klumpen zusammen, und dabei peinigte ihn das Feuer in seinem Innern so sehr, daß er sein Haupt zu den WoIken aufwarf und es sogleich wieder ins Meer fallen ließ, Mit einer Gewalt, die die ganze Welt erschütterte.
Von der Wucht des Niederstürzens flogen ihm viele Zähne aus de m Maul, und diese bildeten die Orkneyinseln. Noch mehr Zähne spie das Untier ins Meer, und aus diesen wurden die Shetlandinseln. Und zum drittenmal schleuderte es Zähne aus seinem Maul, und aus diesen wurden die Färöerinseln. Danach rollte er sich zu einem mächtigen Koloss zusammen, und daraus entstand Island. Endlich hauchte der Urlindwurm sein Leben aus. Aber noch brennt das Feuer unter Island, und dieses Feuer ist es, das die feuerspeienden Berge der Insel speist. Da nahm der König Aschenhans in seine Arme, küßte und segnete ihn. Er legte ihm seinen eigenen Mantel um die Schultern und nahm Gemdelovelys Hand und legte sie in die seinige und gab sie zusammen als Mann und Frau. Und er gürtete Aschenhans mit dem Schwert Sicherbeißer. Aschenhans schwang sich auf Teetong und ritt an Gemdelovelys Seite. Als sie alle voller Freude zum Schloß geritten kamen, trat ihnen die Schwester von Aschenhans entgegen und flüsterte der Prinzessin etwas ins Ohr, und diese gab es an ihren Vater weiter. Da verfinsterte sich des Königs Antlitz, denn er hatte vernommen, daß die Königin den ganzen Morgen mit dem Zauberer gebuhlt habe,“Ich werde den Zauberer töten!“ rief der König aus, „Ach“, antwortete das Mädchen, „sie sind geflohen, auf den beiden besten Pferden sind sie hinweg geritten
„So schnell können sie nicht geritten sein, daß ich sie nicht einholen könnte“, sprach Aschenhans und sprengte auf Teetong davon wie der Wind. Bald hatte er das unselige Paar erreicht.
Der Zauberer aber höhnte: „Diesem Knäblein werde ich sogleich den Kopf abschlagen, denn er wußte wohl, daß sein Leib gefeit war gegen jedes gewöhnliche Eisen. Aschenhans aber zog das Schwert Sicherbeißer und stieß es denn falschen Unhold ins Herz, daß sein schwarzes Blut zu Boden rann.
Die Königin wurde bis zum Ende ihrer Tage in einen hohen Turm gesperrt. Aschenhans und Gendelovely
wurden miteinander vermählt, und sie feierten ein Hoch-
zeitsfest, das dauerte neun Wochen lang. Des Königs Skalde dichtete ein Langes Heldenlied, und die Hofsänger Stimmten einen neuen Gesang an, und dies war der Kehrreim
Der beste Stein im ganzen Land liegt über des Königs Tor. Er kam aus einem Aschenloch, dort lag er lang zuvor.
Später wurden Aschenhans und Gemdelovely König und Königin, und sie lebten lange in Glanz und Freude, und ihre Herrschaft war eine gesegnete.
[Märchen aus Schottland]

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Der Drache fährt aus

Das Alpenvolk in der Schweiz hat noch viele Sagen bewahrt von Drachen und Würmern, die vor alter Zeit auf dem Gebirge hausten und oftmals verheerend in die Täler herabkamen. Noch jetzt, wenn ein ungestümer Waldstrom über die Berge stürzt, Bäume und Felsen mit sich reißt, pflegt es in einem tiefsinnigen Sprichwort zu sagen: »Es ist ein Drach ausgefahren.« Folgende Geschichte ist eine der merkwürdigsten:

Ein Blinder aus Lucern ging aus, Daubenholz für seine Fässer zu suchen. Er verirrte sich in eine wüste, einsame Gegend, die Nacht brach ein und er fiel plötzlich in eine tiefe Grube, die jedoch unten schlammig war, wie in einen Brunnen hinab. Zu beiden Seiten auf dem Boden waren Eingänge in große Höhlen; als er diese genauer untersuchen wollte, stießen ihm zu seinem großen Schrecken zwei scheußliche Drachen auf. Der Mann betete eifrig, die Drachen umschlangen seinen Leib verschiedenemal, aber sie taten ihm kein Leid. Ein Tag verstrich und mehrere, er mußte vom 6. November bis zum 10. April in Gesellschaft der Drachen harren. Er nährte sich gleich ihnen von einer salzigen Feuchtigkeit, die aus den Felsenwänden schwitzte. Als nun die Drachen witterten, daß die Winterzeit vorüber war, beschlossen sie auszufliegen. Der eine tat es mit großem Rauschen und während der andere sich gleichfalls dazu bereitete, ergriff der unglückselige Faßbinder des Drachen Schwanz, hielt fest daran und kam aus dem Brunnen mit heraus. Oben ließ er los, wurde frei und begab sich wieder in die Stadt. Zum Andenken ließ er die ganze Begebenheit auf einen Priesterschmuck sticken, der noch jetzt in des hl. Leodagars Kirche zu Lucern zu sehen ist. Nach den Kirchenbüchern hat sich die Geschichte im Jahr 1420 zugetragen.

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Bloodlust

Bloodlust

From gleaming scales soaked with blood,
an armoured, 
clawed hand reaches up,
towards the heavens, 
relishing the smell,
of victory,
which so many,
hours of battle was the product,
a dead,
lifeless carcass,
so beautiful in its,
monstrosity,
has been slain.

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First day of spring

First Day of Spring

On the First Day of Spring
As the Morning Glory blooms
And the Shadow of the Dragon 
Dances down the temple steps
He emerged from the budding oak
and stemming honeysuckle.
His movements were fluid,
His eyes were gentle,
His scales a liquid black,
His horns and claws a soft silver.

Slowly, He approached me
Sensing my fear and curiosity.
He explained He had chosen me
for his human counterpart.
From that moment on
His Heart and mine were one.
Through the seasons and time,
I learned His ways as He learned mine.
Always together, if not in body
by Mind, Heart and Spirit.

The last time I saw Him was
the day before the First Day of Spring.
He said our time together was done.
It was time for Him to go.
On the First Day of Spring,
As the Morning Glory recesses
And the Shadow of the Dragon
Is fading from the temple steps,
He had departed ’neath the budding oak
and stemming honeysuckle.

I know He has gone
Where I cannot follow.
But His Heart and Mind
Are still vivid within me.
And on the First Day of Spring,
When the Morning Glory smiles at the sun
And the Shadow of the Dragon
Prances about the temple steps,
I can still feel his soft scales
And hear his wise voice.

And I realize no matter where He is,
He is always right beside me.

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Oh to be a dragon

Oh to be a dragon

Oh to be a dragon,
whether of small or greatest size.
To live in harmony with nature,
and learn to be naturally wise.
Though trapped within this human shell,
my dragon heart and soul doth swell.
I yearn to soar among lofty peaks,
to ride the wind’s back is what my heart seeks.
If only my skin were like brilliant scales,
and my fingers and toes as sharp as nails.
From my back great wings would spread,
to lift my soul to where only angles dare to tread.
From my lungs would spring searing flame,
to burn away evil and cowardly shame.
Myths and legends would enshroud my name,
were I a dragon of mythical fame.
To perch on windward crags and peaks,
and gaze down upon lands of human reeks.
All I can do is hope and pray,
that perhaps I shall be a dragon one day.

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