Wasserdrachen

Der
Wasserdrachen Draco Splendens

Der Wasserdrache oder Draco splendens ist seltener
als der gemeine Drache. Er kann in Salz- und Süßwasser angetroffen werden,
sein bevorzugter Lebensraum sind allerdings Seen. Dieses wunderbar gefärbte
Wesen fühlt sich im Wasser perfekt zu Hause, sein Schwimmvermögen ist
phantastisch. Zwar enden die Vorderbeine in scharfen Klauen, doch die
Hinterbeine sind zu Flossen umgeformt- das geht allerdings zu lasten seiner
Beweglichkeit an Land. Er besitzt ein außergewöhnliches Lungenvolumen,
zusätzlich vermag er Sauerstoff in seinem Magen zu speichern und ihn von dort
aus an die Lunge abzugeben; so kann er es für viele Stunden unter Wasser
aushalten. Durch die besonderen Anpassungen an seinen Lebensraum hat auch das
Flugvermögen des Drachen etwas gelitten. Gewöhnlich unternimmt er nur kurze
Gleitflüge, einige Exemplare können es aber auch in der Luft auf beachtliche
Geschwindigkeiten bringen.Wasserdrachen-und hier vor allem die ausgewachsenen
Tiere- zeigen besondere Nahrungsgewohnheiten; aus diesem Grund besteht für die
wenigen überlebenden Exemplare die Gefahr des Aussterbens. Der Wasserdrache
ernährt sich ausschließlich von Jungfrauen. Wenn dieser Appetit nicht
befriedigt werden kann- was gar nicht so selten vorkommt, erleidet er nach der
Legende höchst peinigende Verdauungsstörungen, die ihn bis an den Rand des
Todes bringen können. Das einzig wirksame Heilmittel besteht aus großen Mengen
jungfräulichen Olivenöles und einem Gebräu aus Orangenblüten und den
Magnolienblättern der Magnolie. Physisch wirkt der Wasserdrache wesentlich
schöner und eleganter als der Erddrache. Er besitzt eine sanfte, wohlklingende
Stimme und einen ausgeprägten Sinn für alles schöne. Er ist ein
wortgewaltiger Poet, kann Stunden damit verbringen, in narzistischer Weise sein
eigenes Spiegelbild im Wasser zu bewundern, oder über einen wundervollen
Sonnenuntergang in wahre Verzückung geraten. Es existieren Berichte von
Drachen, die die Jungfrau, die sie essen wollen, abgelehnt haben, weil diese
nicht schön genug aussah oder unkorrekt gekleidet war (sie wünschen ihr Opfer
in prächtiger Seide gekleidet und mit einem Blumenkranz im Haar). Der
Wasserdrache ist aber auch der Liebe niemals abgeneigt; es sind Fälle
überliefert, in denen das Mädchen, das für seine Mahlzeit bestimmt war, zur
Königin seines Herzens geworden ist. Er ist ein mutiger Gegner: Wenn es zu
einem Kampf kommt, wird er sich wild und nötigenfalls bis zum Tod verteidigen.
Dennoch ist er so scheu, daß es kaum möglich ist, auch nur einen Blick auf ihn
zu werfen. Er verhält sich stets elegant, selbst bei der Aufnahme seiner
Nahrung. Draco splendens und Draco rex cristatus unterscheiden sich stark in
ihren Verhaltensweisen. Eine seltsame Eigenschaft zeigt sich in der Tatsache,
daß der schöne und schöngeistige Wasserdrache keine Ketten oder Fesseln an
seinem Nacken ertragen kann,denn genau so wurde er in alten Zeiten gefangen. Wer
es schaffte, eine Schlinge um seinen Nacken zu knüpfen, konnte den Drachen ohne
Gegenwehr abführen. Nach dieser Art wurden der Drache vom Heiligen Georg, der
Drache von Banyuls-sur-mer und die Drachen von Santa Margarita und Llac Negre
überwältigt.

Drachen als 
Seeschlangen

Trotz aller Vorsicht ist es über die Zeiten hin weg öfter passiert, daß Wasserdrachen
gesichtet wurden; die jüngsten Fälle datieren
zurück auf den Beginn des 20. Jahrhunderts.
Die größte wissenschaftliche Glaubwürdigkeit
erhielt Peter Karl van Esling vom Zoo in Den
Haag in seinem Bericht über eine Begegnung mit
einem Wasserdrachen auf einer Schiffsreise im
Atlantik – wo er gerade marine Lebewesen
sammeln wollte – im Jahre 1860:
"Wir erblickten ein gigantisches Reptil, strahlend blau und silbern gefärbt. Es schwamm bei-
nahe graziös direkt unter den Augen der Seeleute um das Schiff und tauchte ohne einen einzigen Spritzer unter. Seine Augen waren enorm,
sie besaßen schlitzförmige Pupillen und einen
intelligenten Ausdruck. Sie schienen zu leuchten,
doch dieser Eindruck könnte auch durch Reflexionen der untergehenden Sonne hervorgerufen
worden sein. Sein Kopf war mit leuchtenden
blauen und grünen Strahlen gekrönt. Obwohl er
gleich unter Wasser verschwand und wir ihn
nicht mehr zu Gesicht bekamen, würde ich seine
Länge auf etwa sieben Meter schätzen. Auf seinem Rücken konnten wir etwas wie Rückenflossen oder -strahlen entdecken. Ich würde ihn als
schlangenähnlich beschreiben, doch der Seemann
neben mir dachte, er hätte Beine und Klauen
gesehen. Wir tauften die Kreatur ,Megophias‘."

Paarung und Jungtiere
Dank der Untersuchungen des wichtigen
englischen Botanikers und Entdeckers
Sir Reginald Wort, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts viele Monate mit der Beobachtung der
Fauna der Sargasso-See verbrachte, kennen wir
den Lebenszyklus von Draco splendens. Während
seiner Untersuchungen über Wasserdrachen
wurde der britische Aristokrat Zeuge der Hochzeitszeremonien dieser Spezies. Durch seine
geduldigen Beobachtungen verrügen wir über
folgenden Bericht:
"Das paarungswillige Weibchen sucht sich ein
Bett aus Seegras, auf dem es sich niederläßt und
einen luminiszenten Schein emittiert. Ihre brillanten Farben bringen die Männchen dazu, sich
mit akrobatischen Brautwerbungen zu produzieren. Sie schnellen in die Luft, um gleich dar-
auf wieder verschwunden zu sein und nur noch
ein Glitzern zurückzulassen.
Das umworbene Weibchen taucht mit hoher
Geschwindigkeit in die Tiefen des Ozeans,
gefolgt von einer Traube von Männchen- Nur
die schnellsten und kräftigsten können sich mit
ihr paaren. Nachdem die Paarung stattgefunden
hat, übergibt das Weibchen das befruchtete Ei an
ihren Partner, der es im warmen Sand eines
geschützten Strandes bettet und bis zum Schlüpfen bewacht. Wenn der kleine Drache schlüpft,
ist die Aufgabe des Vaters erledigt. Er zieht sich zurück, vermutlich auch, um den Kleinen durch
seine Anwesenheit nicht zu verraten. Während
seiner einsamen Kindheit ernährt sich der kleine
Drache von tropischen Früchten, er lebt also
strikt vegetarisch."
In einem Punkt irrte sich Sir Reginald allerdings: Der kleine Drache wird nicht verlassen,
wie es bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen
mag. Der Vater besucht sein Junges bei Nacht,
tagsüber wacht er aus vorsichtiger Distanz über
die Region. Diese Wahrheit kam durch einen
dramatischen Zwischenfall ans Licht, der von
dem portugiesischen Entdecker Da Silva in seinem "Tagebuch der Expeditionen und Entdeckung der
Neuen Welt" 1612 beschrieben wurde:
"Paulo und der junge Andre Do Gao ruderten
auf die verlassene Insel, die nur von Vögeln und
Krebsen bewohnt zu sein schien. Paulo entdeckte
eine große, phantastisch gefärbte Wässerechse,
die zwar recht zahm, aber dennoch sehr vorsichtig zu sein schien. Er rief seinen Kumpan, und
die beiden schafften es, das Tier zu fangen. Als
die beiden es an Bord schaffen wollten, ließ das
Tier eine Serie von schrillen, heulenden Rufen
erschallen. Aus dem Meer erhob sich eine
enorme Echse, die sich sofort auf die beiden
unglücklichen stürzte. Andre starb sofort, sein
Kopf wurde buchstäblich vom Körper gerissen.
Paulo konnte nur überleben, weil er den Korb
mit der jungen Echse ins Meer schleuderte.
Sofort ließ das Seeungeheuer von der Verfolgung ab, um das Leben des ertrinkenden Tieres
zu retten. Wir waren von diesem Eindruck so
eingeschüchtert, daß wir es nicht wagten, zur
Insel zurückzukehren, um Andres Körper zu
bergen und beizusetzen."
Dieser wenig bekannte Bericht wurde in den
Kreisen der Wissenschaftler der damaligen Zeit
zwar mit Argwohn betrachtet, deckt sich aber mit
unseren Beobachtungen über das Verhalten von
Draco splendens.


Die Entwicklung von Draco Splendens: 

Wenn der junge Drao splendens etwa einen
Meter Körperlänge erreicht hat, wird
seine Färbung leuchtender und heller. Er liebt
das Wasser und lernt schnell, zu schwimmen.
Wenn der Vater von den Schwimmkünsten seines Sprößlings überzeugt ist, verläßt er ihn endgültig 
und führt wieder sein eigenes Leben. Während der ersten Tage heult der junge Drache
herzzerreißend, doch bald hat er sich daran
gewöhnt. Seine Instinkte weisen ihm den Weg ins
Wasser, er verläßt das Land für immer. Während
dieser Phase ernährt er sich ausschließlich von
Seeanemonen, die ihm trotz ihres Nesselgiftes
nichts anhaben können.
Das erste Ziel des jungen Draco splendens in der
Unterwasserwelt ist die Residenz des Drachenvaters. Dort wächst er heran und erhält seine
Ausbildung; nach einer Weile folgt er wie jeder
junge Drache dem Golfstrom und macht sich auf
die Suche nach einem Ort für die Errichtung
einer dauerhaften Heimstätte.
Während dieser Reise wird er erwachsen.
Wenn er dann die europäischen Küsten erreicht,
ist er ein eindrucksvolles Tier, sieben Meter lang,
leuchtend gefärbt und wundervoll.anzusehen. Er
hat die Sprache erlernt und ist ein Meister der
Magie. Über unterirdische Gänge, die den Menschen unbekannt sind, dringt er weiter ins Festland vor. Er kann verschmutztes Wasser nicht
vertragen und frißt in der Regel nur einmal pro
Monat, wobei er sich üblicherweise an Jungfrauen gütlich tut.

Die Behausung von Draco splendens
Das typische Heim von Draco splendens besteht
aus einer Höhle, die nur über einen Eingang unter dem Wasserspiegel zu erreichen ist.
Seltsamerweise ist es im Inneren der Höhle
immer trocken, der Boden ist mit feinem Sand
ausgelegt, den der Drache selbst vom Strand
hereingebracht hat. Das Höhlensystem ist größer
und geschmackvoller eingerichtet als beim
Gemeinen Drachen. Die Räume sind mit Perlen,
Korallen und Geschmeide von großer Schönheit
geschmückt, die der Besitzer über Jahre hinweg
gesammelt hat und mit denen er seinen persön-
lichen Einrichtungsstil verwirklicht. Stalaktiten
und Stalagmiten sind ebenfalls Teil des Höhlendekors, auch kunstvoll arrangierte Vasen mit
Blumen werden zur Gestaltung des Raumes
eingesetzt.
Oft fließt ein unterirdischer Strom durch das
Höhlensystem. Der Drache schwimmt darin und
seine Sklaven können davon trinken oder sich
baden.
Die Familie eines Wasserdrachen ist klein,
aber erlesen. Normalerweise wird sie von Kreaturen des Wassers gebildet, beispielsweise von
niederen Wassergeistern, die nur über wenig
magische Kräfte verfügen, von Molchen und
auch einigen Menschen. Niemals würde er
Wassernymphen oder Geister von den großen
Flüssen gefangennehmen, da diese über stärkere
Zauberkräfte verfügen. Unter diesen Menschen
finden sich Poeten und Troubadoure und häufig
auch die Dame seines Herzens. Diese ist sowohl
seine Maitresse wie auch seine Sklavin, sie lebt
umgeben von einem ausgesuchten Hofstaat aus
Zofen, Dienern und Knappen. Wenn der Drache
Menschen in seiner Höhle beherbergt, so schafft
er gewöhnlich eine kleine Öffnung, durch die sie
ein- und ausgehen können. Seine Vorliebe für
die schönen Künste und seine exklusiven Nahrungsgewohnheiten verlangen es schließlich, daß
die Drachenfamilie bisweilen Kontakt zu Menschen hat.

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