Sagen

Der Lindwurm von Syrau

Es mag wohl schon sehr lange her sein, da hauste im Walde von Syrau ein schrecklicher Lindwurm. Der Drache überfiel meuchlings Mensch und Vieh, wie es ihm gerade in den Weg kam. Da sich die Syrauer in ihrer Not nicht anders zu helfen wußten, schlossen sie mit dem Lindwurm einen Pakt, daß er alle Wanderer, die die Straße durch den Wald zögen, fressen dürfe, die Syrauer aber müsse er verschonen.

Die Straße war nach kurzer Zeit in der ganzen Gegend verrufen, kein Mensch betrat sie mehr, und der Lindwurm mußte bald Hunger leiden. Da wollte der Drache vom Vertrag nichts mehr wissen und zerriß die Menschen wie zuvor. In Syrau wurde die Kirche nicht leer. Tag und Nacht flehten die Bewohner des Dorfes den Himmel um Hilfe an und hofften, der heilige Ritter Georg werde den Lindwurm töten. Doch der Helfer zeigte sich nicht. Es kam so weit, daß die Syrauer sich verpflichten mußten, dem Lindwurm täglich einen Menschen auszuliefern. Ein alter, kranker Mann gab freiwillig sein Leben dahin. Weil aber sonst niemand dazu bereit war, wurde gelost, wer das nächste Opfer sein sollte.

Einige Leute hatten schon an den schrecklichen Tod glauben müssen, da fiel das Los auf des reichsten Bauern einzige Tochter. Sie war sehr beliebt im Dorf, und überall herrschte großer Jammer über ihr trauriges Schicksal. Das Mädchen hatte aber einen Bräutigam, der den Kopf nicht hängen ließ.

Am nächsten Morgen führten die Syrauer das Mädchen auf die Straße hinaus. Aber wie staunten sie! Vom Walde her näherte sich ein Mann, der eine Heugabel trug und den schuppigen Leib des Lindwurms hinter sich her schleifte. Es war des Mädchens Liebster, der in der Nacht das Untier beschlichen und im Schlaf getötet hatte. Wie freute sich da ganz Syrau!

Zum Gedächtnis an die wackere Tat des Burschen bauten die Syrauer eine Kapelle "Unserer Lieben Frau". Die Glocke, die damals in dieser Kapelle erklang, hängt noch heute im Glockenturm zu Syrau.

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Margaretha diePatronin des Nährstandes

Margaretha ist Patronin des Nährstandes, weil ihr Fest ein wichtiger Merktag für die Bauern war, der Jungfrauen, vor allem auch der Gebärenden, und für die glückliche Entbindung, gegen Unfruchtbarkeit. Sie wurde in die Nothelfergruppe aufgenommen, weil sie unmittelbar vor ihrem Märtyrertod Gott gebeten hatte, allen Müttern, die sich in ihrer schweren Stunde an sie um Fürbitte wendeten, zu helfen. Reliquien der Heiligen befinden sich in Montefiascone bei Bolsena nördlich von Rom. Hier ist ihr der Dom geweiht.

Die Legende erzählt, dass sie die Tochter eines heidnischen Priesters in Antiochia war. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter übernahm eine Amme die Obhut über das Mädchen und erzog es heimlich im Christenglauben. Als Margaretha zur Jungfrau herangewachsen war, bekannte sie ihrem Vater, dass sie Christin sei. Dieser überschüttete sie mit Vorwürfen, vermochte aber weder mit Bitten noch mit Drohungen ihren Sinn zu ändern. Da schickte er sie zur Strafe in die Verbannung. Hier hütete Margaretha die Schafe. Da geschah es, dass Präfekt Olybrius vorbeiritt. Als er die schöne Jungfrau erblickte, entbrannte seine Liebe zu ihr. Olybrius drängte sie, sie sollte ihren Christenglauben abschwören. Als Olybrius sich mit seiner Werbung abgewiesen sah, wurde er wütend und befahl, sie ins Gefängnis zu werfen. Sie weigerte sich, den Götzen zu opfern. Da ließ er sie aufs grausamste foltern. Sie wurde mit Ruten geschlagen und man riss ihr mit eisernen Kämmen das Fleisch vom Leib. Aber Margaretha erlitt alle Qualen des Leidens ohne Wanken. Wieder in den Kerker geworfen, erschien vor ihr ein greulicher Drache und wollte sich auf sie stürzen, um sie zu verschlingen. Sie schlug mit letzter Kraft das Kreuzzeichen über das Untier. Dann packte sie es mutig, warf es zur Erde nieder und setzte den Fuß auf seinen Scheitel. Der Teufel in Gestalt des Drachens schrie laut und verschwand. Als Margaretha am nächsten Tag dem Präfekten wieder vorgeführt wurde, sah dieser sie zu seiner größten Verwunderung heil an Leib und Seele vor sich stehen, schöner und blühender als zuvor. Da sie sich wieder weigerte, den Götzen zu opfern, befahl er in seinem großen Hass, glückende Fackeln herbeizubringen und sie damit zu brennen, hernach aber zur späteren Pein in ein Fass mit kaltem Wasser zu werfen. Alle, die dabei standen staunten, dass so eine zarte Jungfrau so große Qualen aushielt. Aber plötzlich erbebte die Erde und die Jungfrau stieg unversehrt aus dem Fass. Als das Volk dieses Wunder sah, lobten viele den Christengott und bekehrten sich. Diese alle wurden in Christi Namen enthauptet. Da der Richter fürchtete, es würden sich noch mehr zu Christus bekennen, ließ er Margaretha auf den Richtplatz führen, damit sie durch das Schwert getötet werde. Sie kniete nieder und betete für die Verfolger. Dann bot sie ihrem Henker mutig ihren Nacken dar. Er schlug ihr mit einem Streich das Haupt ab und sie empfing die Märtyrerkrone.

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Tristan und Isolde

Auf seiner Burg zu Tintajol herrschte König Marke über Kurnewale und England. Er war geliebt und geachtet von allen Bewohnern seines Landes, und viele hochgesinnte Ritter und schöne Damen scharten sich um seinen Thron. Unter ihnen war Tristan, des Königs Neffe. Seinen Vater Riwalin von Parmenie hatte König Morgan von Bretagne erschlagen, und seine Mutter Blancheflur, König Markes Schwester, war nach der Geburt des Knaben vor Gram gestorben. Weil es in Trauer geboren worden war, hatte das Kind den Namen Tristan erhalten. Riwalins Lehnsmann, der treue Marschall Rual, hatte sich seiner angenommen und ihm eine sorgfältige Erziehung gegeben. Später war Tristan nach mancherlei Irrfahrt zu seinem Oheim nach Tintajol gelangt und hatte an Markes Hof alle Herzen für sich gewonnen. Unübertrefflich war er in allen ritterlichen und höfischen Künsten, und als er, kaum den Knabenschuhen entwachsen, den Ritterschlag erhielt, wußte jeder im Lande, daß niemand solcher Ehre mehr wert sei als der jugendliche Tristan.

Bald darauf trat der junge Ritter vor König Marke und bat um Urlaub, um nach Bretagne zu ziehen und den Tod seines Vaters zu rächen.

Das geschah, und Tristan erwarb sich hohen Ruhm. Er erschlug Herrn Morgan, den Mörder seines Vaters, und gewann sein Land zurück, das er dem treuen Rual zu Lehen gab.

Als Tristan an Markes Hof zurückkehrte, fand er das ganze Land in Trauer. Morolt, der Schwager des Königs von Irland, war gekommen und hatte einen Tribut eingefordert, den König Marke von früher her schuldete. Dreißig schöne Knaben sollten als Geiseln gestellt werden. Da beschwor Tristan König Marke und seine Ratgeber, den Tribut zu verweigern und die endgültige Entscheidung einem Zweikampf zwischen ihm und Morolt anheimzugeben. Nach einigem Zögern stimmte Marke zu, und in dem Kampfe, der nun stattfand, siegte Tristan über den starken Morolt und tötete ihn. Indessen hatte auch Morolt seinem Gegner eine schwere Wunde an der Hüfte geschlagen, und bevor er starb, sagte er Tristan, daß sein Schwert vergiftet sei und die Wunde nur durch seine Schwester Isolde, die Königin von Irland, geheilt werden könne. Morolts Leiche wurde nach Irland gebracht, wo der Held tief betrauert wurde, besonders von seiner Schwester Isolde und ihrer jungen Tochter, die den Namen der Mutter trug.

In Morolts Wunde fand man einen Splitter aus Tristans Schwert. Den nahm die junge Isolde an sich und bewahrte ihn in einem Schrein. Der König aber erließ ein Gebot, nach dem jeder, der aus Kurnewale nach Irland komme, es mit dem Leben büßen müsse.

Auf Burg Tintajol aber lag der junge Tristan und siechte an seiner Wunde dahin. Kein Arzt vermochte ihm zu helfen. Darum faßte der todwunde Mann den Entschluß, die Königin Isolde aufzusuchen. Er ließ sich von seinen Getreuen nach Irland bringen und heimlich an Land setzen. Und da er sich als Spielmann ausgab, wurde er bei Hofe gut empfangen. Auch die Königin Isolde nahm ihn freundlich auf, und gern versprach sie, ihn zu heilen, da sie sein Saitenspiel liebte.

"Armer Spielmann", sagte sie, "von Gift bist du so wund. Doch du darfst gewiß sein, daß meine Hand dich heilen wird."

Da wurde Tristan so froh, daß er trotz aller Schmerzen das Saitenspiel ergriff. Die Königin lauschte ihm und rief ihre Tochter, die blonde Isolde, herbei. Da spielte und sang Tristan vor den schönen Frauen so wundersam, wie sie es noch nie in ihrem Leben gehört hatten.

Königin Isolde gab sich große Mühe, die Wunde des fremden Spielmanns, der sich Tantris nannte, zu heilen, und bald war Tristan durch ihre Kunst von seinem Siechtum genesen und gesund und stark wie je zuvor.

Die junge Isolde hatte diese Zeit gut genutzt; denn Tristan war ihr ein gar trefflicher Lehrmeister im Gesang und Saitenspiel gewesen.

Doch nun zog es den Genesenen in die Heimat zurück, zumal da er fürchten mußte, von einem der Mannen Morolts, die in Tintajol gewesen waren, erkannt zu werden. Er gab vor, er müsse wieder zu seiner geliebten Gattin, und nahm Urlaub von der Königin und der schönen Isolde.

Zu Tintajol in Kurnewale herrschte große Freude über Tristans Heilung, und der junge Held war von Herzen froh, daß er wieder am Hofe des Oheims weilen durfte.

König Marke liebte den Neffen und überhäufte ihn mit ritterlichen Ehren. Das erregte Neid bei manchen Großen seines Landes, und als das Gerücht umlief, König Marke werde den Neffen zu seinem Erben einsetzen, wurden Stimmen gegen ihn laut, die von Haß und Mißgunst zeugten.

Um dem drohenden Sturme zu entgehen, riet Tristan selbst dem König Marke, sich doch noch zu vermählen. Er empfahl dem Oheim die schöne junge Königstochter Isolde und erbot sich, die gefährliche Brautwerbung zu wagen.

König Marke zögerte recht lange, da er den Neffen nicht solcher schweren Gefahr aussetzen wollte; aber schließlich willigte er doch ein.

So schiffte sich Tristan nach Irland ein und ließ sich wieder heimlich an Land setzen. Diesmal gab er sich als Kaufmann aus und fand auch Aufnahme am Hofe.

Damals hauste in Irland ein Drache, der das Land so bedrohte, daß der König demjenigen die Hand seiner Tochter zu geben versprach, der das Untier erschlagen würde. Deshalb wagte Tristan heimlich den Kampf mit dem Drachen, besiegte das Untier nach schweren Gefahren und schnitt ihm die Zunge heraus, die er unter seinem Wams an seiner Brust verbarg. Dann suchte er sich ein Versteck, um von der Mühsal des Kampfes auszuruhen.

Das Gift der Drachenzunge begann jedoch zu wirken, und er versank in eine tiefe Ohnmacht.

Bald darauf kam ein anderer Ritter, der Truchseß des Königs, an die Stelle, wo Tristan den Drachen erschlagen hatte. Der wollte auch die schöne Isolde gewinnen und hieb und stach auf den Drachen ein, obgleich das Untier schon tot war. Dann suchte er lange nach dem Sieger, um den Entkräfteten zu töten, doch Tristan fand er nicht.

Trotzdem ritt der Truchseß stolz an seines Königs Hof und begehrte als Drachentöter den Siegespreis, die Hand der Königstochter.

Da war die schöne Isolde tief bekümmert, daß sie den anmaßenden Mann heiraten sollte. Die Mutter aber tröstete sie, da ihr ein Traum offenbart hatte, daß ein anderer den Drachen besiegt habe.

So ritt am nächsten Morgen die Königin mit ihrer Tochter und ihrer Nichte Brangäne und einem Knappen in den Wald, um den Drachentöter zu suchen. Sie fanden ihn bewußtlos in seinem Versteck. Die Mädchen hielten ihn für tot; doch die Königin erkannte, daß der unbekannte Ritter unter der Wirkung eines Zaubers stand, und sie fand und entfernte die Drachenzunge an seinem Leibe, so daß Tristan alsbald wieder zu sich kam.

Mit freudigem Erstaunen erkannten die Frauen in ihm ihren Spielmann wieder, und obwohl Tristan diesmal zugab, daß er aus Kurnewale stammte, sicherte ihm die edle Königin Schutz für Leben und Leib zu.

Die Frauen nahmen nun Tristan mit auf die Burg. Als der Truchseß wiederum die Hand der Königstochter zu fordern wagte, wurde sie ihm verweigert, und die Königin verkündete, daß der Drachentöter sich am dritten Tage dem Truchseß zum Kampfe stellen werde.

Indessen waren die Frauen treulich besorgt, den vom Kampf ermatteten Helden zu stärken.

Da fügte es der Zufall, daß die junge Isolde, während Tristan schlief, sein Schwert in die Hand nahm, und sie erschrak, weil sie eine Scharte entdeckte. Sie holte eilends den Splitter, den man in Morolts Wunde gefunden hatte, herbei, und siehe, er paßte genau.

Nun war der Besieger ihres geliebten Oheims in ihrer Hand, und sie empfand glühenden Haß gegen Tristan.

"Dieser ist Tristan, der Mörder deines Bruders“, rief sie der Mutter, die hereintrat, in wilder Erregung zu und hob den Arm, um den Schlafenden mit dem Schwerte zu durchbohren. Die Königin aber ermahnte sie, daß man Tristan Schutz für Leib und Leben zugesichert habe. Da ließ die schöne Isolde das Schwert fallen und brach in bittere Tränen aus.

Gütig redete ihr die Mutter zu und gab zu bedenken, daß Isolde, wenn Tristan tot wäre, dem Truchseß als Siegespreis verfallen sei.

Da verbarg die schöne Isolde ihren Haß, und als Tristan erwachte, ließen sich die beiden Frauen nichts anmerken und redeten freundlich mit ihm.

Nun berichtete der Held von der Botschaft, um deretwillen er nach Irland gekommen war.

"Seit meiner Rückkehr aus Irland habe ich zu Tintajol das Lob der blonden Isolde gesungen, und ich bin hierher gesandt, um für meinen Herrn, König Marke, um die Hand der Königstochter zu freien.“

Und auf den Rat der Mutter nahm Isolde die Werbung an.

Der Zweikampf fand nicht mehr statt, weil der Truchseß sich aus Feigheit zurückzog. Da gab auch der König seine Einwilligung zur Vermählung seiner Tochter mit König Marke, und die blonde Isolde zog zu Schiff, von Tristan und ihrer Freundin Brangäne begleitet, in König Markes Land.

Die Königin aber, die das Glück ihrer Tochter für alle Zeiten sichern wollte, hatte ihrer Nichte Brangäne einen Liebestrank anvertraut, den diese Marke und Isolde nach vollzogener Vermählung zu trinken geben sollte.

"Niemand darf zugleich mit ihnen beiden von dem Minnetrank genießen", hatte sie das Mädchen ermahnt.

Eines Tages, während der Überfahrt, saß Tristan in Isoldes Schiffsgemach und erzählte ihr von König Marke und dem Hof zu Tintajol. Da geschah es, daß Tristan nach einem Trunk begehrte, und da Brangäne nicht im Gemache anwesend war, bot eine Dienerin ihm das Gefäß mit dem Liebestrank, den sie für Wein hielt. Tristan reichte den Becher in ritterlicher Weise zuerst der Königstochter, die zaudernd trank, dann genoß auch Tristan davon.

Als Brangäne dazukam und den Becher geleert fand, brach sie in bittere Klagen aus. Was half es, daß sie das Gefäß ergriff und ins Meer schleuderte! Schon spürten Tristan und Isolde die Wirkung des Zaubers, und beide fühlten, daß sie zusammen nur ein Herz besäßen, und wagten doch aus Scham und Zweifel nicht, sich die seltsame Wandlung einzugestehen.

Wohl versuchte Tristan, den schweren Kampf zu bestehen, um der Treue, der Pflicht und der Ehre zu genügen, aber die Liebe zu Isolde brannte heiß in seinem Herzen. Blickte er ihr in die Augen, so waren alle festen Vorsätze dahin.

Nicht anders erging es Isolde. Auch sie lag in Liebesbanden. Bald vermochte sie an nichts anderes mehr zu denken als an Tristan.

In dem quälenden Widerstreit zwischen Verlangen und Pflichtgefühl siegte die Liebe, und noch ehe Isolde in Markes Land kam, hatte sie dem zukünftigen Gatten die Treue gebrochen.

Brangäne erzählte den beiden von dem Zaubertrank und versprach ihnen ihre Hilfe und Verschwiegenheit.

Als das Schiff sich der Küste näherte, sandte Tristan Boten nach Tintajol, und mit großem Gepränge ließ König Marke seine junge Braut in die Stadt geleiten. Gar bald vermählte er sich mit ihr.

Doch der Zauber, dem Tristan und Isolde auf dem Schiffe verfallen waren, erlosch nicht. Nie wieder konnten die Liebenden voneinander lassen, und immer wieder mußte Isolde König Marke die Treue brechen.

Keinen andern Gedanken hegten die Liebenden als den, wie sie hämischem Argwohn entgehen und Isoldes Gatten täuschen konnten.

Zunächst gelang es ihnen mit Brangänes Hilfe, doch dann schöpfte Marke Verdacht. Marjodo, der Truchseß, hatte das Liebespaar einmal überrascht. Der ging zu König Marke und verdächtigte die beiden Liebenden.

"Es geht um deine Ehre", sagte der Truchseß, den die Eifersucht um Isolde, die Blonde, verzehrte, und Marke ließ sich, von Argwohn gequält, überreden, seinem Weibe eine Falle zu stellen.

Die wachsame Brangäne war jedoch Marjodos Treiben auf die Spur gekommen und warnte ihre Herrin. Deshalb zeigte sich Isolde, als König Marke ihr pIötzlich ankündigte, daß er sie einer Pilgerfahrt wegen für lange Zeit verlassen müsse, tief bekümmert. Der König, der ihr Tristans Gesellschaft während seiner Abwesenheit empfahl, fühlte sich von Argwohn und Eifersucht befreit, als sein Weib Abscheu gegen Tristan heuchelte, und in seinem Herzen bat Marke der blonden Isolde das Unrecht ab, das er ihr mit seinem Verdacht angetan zu haben meinte.

Marjodo, dem Truchseß, hielt er triumphierend die Treue seines Weibes vor. Der aber ließ sich nicht täuschen und erbot sich mit spöttischem Lächeln, die Liebenden zu überlisten. Marke sollte Tristan von der Königin trennen und über Land schicken; dann werde er sehen, was geschähe. Blutenden Herzens befolgte Marke den Rat des Truchseß.

Da litten Tristan und Isolde die brennenden Qualen der Trennung und Sehnsucht. Brangäne aber ersann eine kluge List, wie sie ihrer Herrin und Tristan helfen könnte.

Durch den Garten von Tintajol floß ein klarer Bach, darüber hatte man einen Turm gebaut, in dem jetzt Isolde zu ihrer Erholung auf Brangänes Rat Wohnung nahm. Da ließ Tristan Rindenstücke den Bach hinabtreiben, an denen Isolde erkennen konnte, bei welchen Bäumen des Gartens sie der Geliebte zur Nacht erwartete, bei den Pinien, im Ulmenhain oder bei den Eichen.

So trafen sich die Liebenden jede Nacht im Garten der Burg. Der böse Zwerg Melot, den Marjodo beauftragt hatte,Tristans Weg zu verfolgen, konnte sich jedoch wie ein Eichhörnchen von Ast zu Ast schwingen und entdeckte das Geheimnis der Rindenstücke und offenbarte es König Marke.

Da sahen sich die Liebenden im Ulmenhain zu mitternächtiger Stunde plötzlich von den Mannen König Markes umstellt, und das Geheimnis ihrer Liebe wurde enthüllt.

Das erbitterte Volk und alle Barone des Landes forderten ein Gottesgericht, wie es auf einer Insel im Meer stattzufinden pflegte. Dort sollte Isolde ihre Unschuld erweisen.

Heimlich gab Isolde durch die treue Brangäne ihrem Geliebten Nachricht.

Als die Königin in ihrem Schifflein nahe der Insel landete und von Rittern ans Ufer getragen werden sollte, lehnte sie es ab, sich von ihnen, die sie so hart beschuldigten, berühren zu lassen.

Am Ufer stand, in seine Kutte gehüllt, ein fremder Pilger. Der wurde herbeigerufen, und man befahl ihm, die Königin durch das seichte Wasser an den Strand zu tragen. Der Fremde folgte willig der Aufforderung, nahm die schöne Isolde in seine Arme und trug sie durch das Wasser an Land. Isolde, die in dem Pilgersmann längst den Geliebten erkannt hatte, raunte ihm ins Ohr, er solle am Ufer straucheln, so daß sie beide zu Fall kämen. Das geschah, und so lag die schöne Königin für einen Augenblick an der Seite des Pilgers in seinen Armen. Die Ritter wollten den Pilgrim für seine Unachtsamkeit mit Ruten züchtigen; doch die Königin bat für ihn um Gnade. Da ließen sie von ihm ab.

Als man Isolde auf dem Gerichtstag zwang, ihre Unschuld zu beschwören, bekräftigte sie mit einem Eid, daß sie nie in eines anderen Mannes Armen gelegen habe als in denen ihres Gemahls und des Pilgers, der sie an Land getragen habe.

Darauf wurde ihr befohlen, die Hand auf das glühende Eisen zu legen, und siehe, ihre Haut blieb unverbrannt.

So war die Wahrheit von Isoldes Worten vor aller Augen bewiesen, und König Marke nahm sein Weib wieder in Gnaden auf.

Auf der Burg sah Tristan auch Kaedins schöne Schwester, Isolde mit den weißen Händen. Da trat das Bild der fernen Geliebten ihm so lebendig vor die Seele, daß er sich um des gleichen Namens willen mit Isolde Weißhand vermählte, aber seine Sehnsucht nach der blonden Isolde wurde nicht gestillt.

Tristan begleitete von nun an seinen Schwager Kaedin auf dessen Kriegszügen. Eines Tages weilten sie auf einer Burg und mißbrauchten in der Abwesenheit des Ritters das Gastrecht, weil Kaedin sich um die Liebe der Burgherrin bewarb. Der Ritter, der sich betrogen fühlte, verfolgte sie nach seiner Rückkehr, stellte sie zum Kampfe und rannte Kaedin den Speer in den Leib, daß er tot vom Pferde sank. Dafür erschlug ihn Tristan. Aber die Übermacht der Feinde war zu groß, und Tristan erhielt eine schwere Wunde, so daß er nur mit Mühe den Verfolgern entkam.

Isolde Weißhand pflegte den sehr Wunden, der mit dem Tode rang. Kein Arzt und keine Arzenei vermochten ihm zu helfen. Da sandte Tristan einen getreuen Boten an König Markes Hof und ließ die blonde Isolde bitten, seine Todesnot zu lindern. Der Bote brachte die traurige Kunde nach Tintajol; Isolde zögerte keinen Augenblick und bestieg sofort das Schiff.

Indessen wurde der todwunde Tristan von Isolde Weißhand gepflegt. Sie grämte sich, daß Tristan die blonde Isolde rufen ließ, und oft mußte sie auf Tristans Bitte ans Fenster treten, um nach dem weißen Segel, das Isoldes Ankunft künden sollte, Ausschau zu halten.

Als sie das Schiff endlich kommen sah und das weiße Segel in der Sonne glänzte, verkündete sie es Tristan; aber von dem Segel sagte sie nichts. "Liebe Isolde, sage an, wie ist das Segel?" fragte Tristan.

Isolde Weißhand sprach in dieser Not nicht die Wahrheit und antwortete: "Ein schwarzes Segel sah ich."

Da brach der Tod Tristan das Herz. Vergebens beteuerte Isolde Weißhand in ihrem Schmerz, daß sie nicht wahr gesprochen habe.

Tristan lag tot und hörte sie nicht mehr.

Als Isolde, die Blonde, und ihre Begleiter ans Ufer gelangt waren, vernahmen sie große Klage in der Stadt und erfuhren den Grund.

Da stand die schöne Isolde stumm vor Schmerz und sank ohnmächtig nieder. Tristans Tod hatte auch ihr die Lebenskraft genommen.

Als sie wieder zu sich kam, hatte sie nur den Wunsch, den Toten zu sehen. So gingen sie alle ins Münster, wo Tristan auf der Bahre lag. Sie nahm das Tuch von seinem Antlitz, warf sich an der Bahre nieder und küßte es.

So lag sie Mund an Mund mit dem toten Tristan; da brach auch ihr das Herz, und sie starb den Minnetod.

Die Körper der Liebenden wurden einbalsamiert und in Särge gelegt, und Isolde Weißhands Vater, Herzog Jovelin, dachte den zweien ein würdiges Begräbnis zu geben.

Inzwischen aber hatte König Marke den Tod der Liebenden erfahren und war zu Schiff nach Burg Karke gekommen.

Als er von der treuen Brangäne vernommen hatte, wie alles geschehen war, von dem Trank der Minne, der die Herzen bezaubert hatte, daß sie nicht mehr voneinander lassen konnten, da brach er in laute Klage aus und rief: "O weh, Tristan, hättest du von Anfang an alles bekannt, ich hätte dir Isolde zur Frau gegeben. So wäre ich rein von Sündenschuld geblieben, und ihr wäret gerettet."

Marke führte die Leichen auf seinem Schiff mit sich nach Tintajol. Dort lag das ganze Land in Trauer. Der König ließ zwei marmorne Särge anfertigen und die Toten darein legen. Im Burggarten von Tintajol wurden sie begraben.

König Marke gab sein Reich einem seiner Barone und ging ins Kloster.

Er hatte aber auf Tristans Grab einen Rosenstock pflanzen lassen und auf Isoldes eine Weinrebe. Als Rebe und Rose wuchsen, neigte sich über den Gräbern jeder Zweig dem andern zu, und dicht ineinander verflochten und verwachsen waren Rose und Rebe.

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Der Drache fährt aus

Das Alpenvolk in der Schweiz hat noch viele Sagen bewahrt von Drachen und Würmern, die vor alter Zeit auf dem Gebirge hausten und oftmals verheerend in die Täler herabkamen. Noch jetzt, wenn ein ungestümer Waldstrom über die Berge stürzt, Bäume und Felsen mit sich reißt, pflegt es in einem tiefsinnigen Sprichwort zu sagen: »Es ist ein Drach ausgefahren.« Folgende Geschichte ist eine der merkwürdigsten:

Ein Blinder aus Lucern ging aus, Daubenholz für seine Fässer zu suchen. Er verirrte sich in eine wüste, einsame Gegend, die Nacht brach ein und er fiel plötzlich in eine tiefe Grube, die jedoch unten schlammig war, wie in einen Brunnen hinab. Zu beiden Seiten auf dem Boden waren Eingänge in große Höhlen; als er diese genauer untersuchen wollte, stießen ihm zu seinem großen Schrecken zwei scheußliche Drachen auf. Der Mann betete eifrig, die Drachen umschlangen seinen Leib verschiedenemal, aber sie taten ihm kein Leid. Ein Tag verstrich und mehrere, er mußte vom 6. November bis zum 10. April in Gesellschaft der Drachen harren. Er nährte sich gleich ihnen von einer salzigen Feuchtigkeit, die aus den Felsenwänden schwitzte. Als nun die Drachen witterten, daß die Winterzeit vorüber war, beschlossen sie auszufliegen. Der eine tat es mit großem Rauschen und während der andere sich gleichfalls dazu bereitete, ergriff der unglückselige Faßbinder des Drachen Schwanz, hielt fest daran und kam aus dem Brunnen mit heraus. Oben ließ er los, wurde frei und begab sich wieder in die Stadt. Zum Andenken ließ er die ganze Begebenheit auf einen Priesterschmuck sticken, der noch jetzt in des hl. Leodagars Kirche zu Lucern zu sehen ist. Nach den Kirchenbüchern hat sich die Geschichte im Jahr 1420 zugetragen.

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Riese und Drache

Zwischen Ziegenrück und Gössitz umspült die Saale in weitem Bogen einen Felsen, der das Flußbett hoch überragt und vom Volke Riesenstein genannt wird. Dort wohnte ein Riese mit seinem Weib, und ihnen gegenüber auf dem Drachenstein hauste ein furchtbarer Drache, der sich Menschen und Vieh zum Fraß holte. Der Riese zog mehr als einmal zum Kampfe gegen ihn aus, vermochte aber nichts auszurichten; denn so oft er daran war, das Untier zu überwältigen, erhob es sich auf seinen breiten Flügeln in die Luft. Wenn Riese und Drache miteinander kämpften, so dampften die Felsenhöhen, und der Grund erbebte. Nun hatte der Riese von seinem Weibe einen einzigen Sohn; den raubte der Drache, als er ihn unbehütet fand, führte ihn dahin, und die Eltern hörten mit Schrecken das Wehegeschrei ihres Kindes über sich in den Lüften. Da packte der Riese ergrimmt einen Stein und schleuderte ihn mit gewaltiger Kraft nach dem Drachen, traf ihn auch und sah ihn mit samt dem Kind in die Saale stürzen. Ein Fels, den er im Sturze berührte, zerbarst und begrub ihn und das Riesenkind. Der Wurfstein blieb an der Stromkrümme am Ufer liegen; darauf trat der Riese so heftig vor Schmerz und Zorn, daß sein Fuß sich einprägte. Der Saalefischer aber hat von je die verrufene Stelle gemieden.

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Der Drache zu Malchin

In Malchin erzählte man sonst noch viel vom Drachen, und viele hatten ihn gesehen, wie er durch die Luft gezogen, so groß wie ein Wesbaum, vorn mit einem ordentlichen dicken Kopf und einem langen Schwanz hinten, und bezeichneten auch genau die Häuser, wo er den Leuten etwas zugetragen. Nun war auch einmal einer, der hatte gehört, wie man den Drachen zwingen könne, das was er trage, fallen zu lassen; da ging er hinaus, als der Drache gezogen kam, und zieht sich, mit Respekt zu melden, die Hosen ab. Da hat der Drache seine Last in einen Brunnen fallen lassen, und als er nun hinging, um zu sehen, was es sei, war der Brunnen bis zum Rande mit Erbsen gefüllt. Die hat man dem Vieh als Futter vorgeworfen, es hat sie aber nicht fressen mögen. – Nicht so gut ist es einem andern ergangen; der tat auch so, hatte sich aber dabei nicht gehörig vorgesehen und war nicht, wie man das tun muß, dabei unter Dach geblieben, da hat ihn der Drache so beschmutzt, daß er den Gestank sein‘ Lebtag‘ nicht hat wieder loswerden können.

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Der Drache am Schönberg

In uralter Zeit, als das Christentum noch nicht überall verbreitet war, flog ein feuriger Drachen über Ebringen hinweg und verschwand am südlichen Schönberg in einer Höhle. Daraufhin mußte dem Drachen von Zeit zu Zeit ein Menschenopfer dargebracht werden. Schließlich fiel das Los auch einmal auf die junge Tochter des Grafen auf der Schneeburg. Um diese Zeit aber wohnte am Fuß des Schönberges ein junger Ritter, der sich heimlich zum Christentum bekannte. Als er von dem schrecklichen Schicksal der Grafentochter hörte, beschloß er, den Drachen zu töten. Gut bewaffnet und furchtlos ritt er dem Untier entgegen. Und obwohl das Pferde vor dem feuerspeienden Drachen scheute, so gelang es ihm doch, seinen Speer mit starker Hand dem Ungetüm in den Rachen zu stoßen und es zu töten.

Zur Erinnerung an diese Tat wurden auf den Häusern zu Ebringen, über die der Drachen hinweggeflogen war, steinerne Kreuze errichtet. Einige davon sind noch vorhanden. Da der kühne junge Ritter, der von den Leuten von nun an als Heiliger verehrt wurde, Georg hieß, so nannte sich späterhin der Ort, wo er wohnte, St. Georgen.

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Der Drache von Murnau

Die Stadt Murnau soll vormals Wurmau geheißen haben. Nach alter Sage wurde in grauer Vorzeit bei Murnau ein ungeheurer Drache oder Wurm erlegt, der Menschen und Vieh großen Schaden zugefügt hatte. Noch vor wenigen Jahren stand eine gemauerte Säule bei dem Ort, mit einer unleserlichen Schrift in den Stein gehauen, auf dem der schädliche Wurm erlegt worden sein soll. Ein Schnapphahn rettete den Ort. Er füllte die Haut eines Kalbes mit ungelöschtem Kalk und warf diesen Fraß dem Drachen vor.
Noch heute führt der Markt in seinen Wappen einen Drachen mit vorwärts greifenden Klauen, aufgesperrtem Rachen und ausgestreckter roter Zunge.

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Der Kampf mit dem Drachen zu Laufen im Oberland

Im Oberland oberhalb von Laufen hielt sich vor langer Zeit in einer düsteren Höhle ein mächtiger Lindwurm auf, der die ganze Umgebung mit Furcht und Grauen erfüllte. Wochen- und monatelang schlief das Untier in seiner vom Volk ängstlich gemiedenen Behausung und rührte sich nicht, nur das rasselnde Schnarchen des Ungeheuers drang nach außen. Wenn aber der Hunger den scheußlichen Lindwurm aus dem Schlafe weckte, kam er aus dem finsteren Loch gekrochen, und alle Lebewesen, ob Mensch oder Tier, die in den Bereich seines giftigen Pesthauches gerieten, waren verloren. Betäubt fielen sie zu Boden und wurden eine Beute des schrecklichen Drachen.

Um zu verhindern, daß das gefräßige Untier aus seiner Höhle herauskomme, in der Gegend herumstreife und so noch größeres Unheil anrichte, beschlossen die Bewohner, ihm sein Futter, Ochsen und Kühe, vor das Drachenloch zu bringen. Aber der Futterverbrauch des Drachen war so gewaltig, daß sich die Viehbestände auf den Almen bedenklich lichteten. Da entschloß man sich, den Versuch zu wagen, den Lindwurm zu töten.

Ein ausgehungerter Ochse, dem man einen Futtersack vor dem Maule anbrachte, sollte mit verbundenen Augen zum Drachenloch getrieben werden. Um den Leib des Ochsen wurden mehrere Säcklein mit ungelöschtem Kalk gebunden in der Hoffnung, der Drache werde sie beim Fressen mit hinabschlingen und daran zugrunde gehen. Es erhob sich nun die Frage, wer den Ochsen in die Höhle des Lindwurms treiben sollte. Das war ein gefährlicher Gang; den wenn der verderbliche Hauch des Untieres den Treiber erreichte, war er verloren; daher sollte das Los entscheiden. Es traf den Schulzen des Ortes, der sich unter dem Jammer seiner Familie anschickte, den gefährlichen Weg anzutreten. Da sprang ein junger Bursche vor, der die Tochter des Schulzen liebte, und erklärte sich bereit, an seiner Stelle den Gang zum Drachenloch zu unternehmen. Er hoffte, im Falle des glücklichen Gelingens die Hand der Geliebten zu erringen.

Nachdem er eine lange Leine um einen Baum geschlungen und das andere Ende an seinem Gürtel befestigt hatte, trieb er, mit einem langen Spieß bewaffnet, den Ochsen vor sich her zur Höhle. Mit Bangen blickten ihm die Dorfbewohner nach und harrten auf den Ausgang des gefährlichen Wagnisses. Als der Ochse in die Nähe des Drachenloches gekommen war, witterte der hungrige Lindwurm seine Beute und kam aus der Höhle heraus.

Noch ehe der Ochse sich umwenden konnte, hatte er ihn mit seinen Krallen gepackt und zog ihn in seine Behausung hinein. Der Jüngling hatte zwar seinen Speer gegen das Ungetüm abgeschleudert, aber wirkungslos prallte das Geschoß von dem dichten Schuppenpanzer des Tieres ab.

Während aus der Höhle das Krachen der Knochen und das würgende Schlingen des Lindwurms zu hören war, verspürte der Jüngling, wie ihm allmählich die Besinnung schwand. Ein Hauch des verpesteten Atems war von dem Tier zu ihm gedrungen und drohte ihn zu betäuben. Rasch suchte er sich an der Leine nach rückwärts zu ziehen, jedoch schon nach wenigen Schritten brach er bewußtlos zusammen. Aber die Dorfbewohner, die am Ende der Leine standen, hatten den Vorfall bemerkt und zogen ihn, allen voran die Tochter des Schulzen, an der Leine aus dem vergifteten Bereich auf sicheren Boden zurück.

Von der Höhle herab vernahm man das Schlürfen und Schmatzen des Drachen, der aus einer Lache seinen Durst stillte. Dann erscholl ein Heulen und Brüllen, ein Schlagen und Toben; der Kalk tat seine Dienste. Als nach einiger Zeit Ruhe eintrat, wußte man, daß der Lindwurm verendet war. Aber die Gefahr war damit noch nicht vorüber. Das Wasser, das aus der Höhle floß, führte Unrat von dem verwesenden Drachen mit und brachte die Pest unter die Leute.

Erst als die Seuche erloschen war, kehrte Ruhe und Frieden wieder ins Land. Der junge Bursche der den Weg zur Drachenhöhle getan, erholte sich bald wieder; er war noch rechtzeitig dem tödlichen Wirken des Pesthauches entgangen. Er erhielt die Tochter des Schulzen zum Lohn für seine mutige Tat.

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Kadmos

Kadmos war ein Sohn des phönizischen Königes Agenor, ein Bruder der Europa. Als Zeus, in einen Stier verwandelt, diese entführt hatte, sandte ihr Vater den Kadmos und dessen Brüder aus, sie zu suchen, und ohne sie erlaubte er ihnen nicht wieder zurückzukommen. Lange hatte Kadmos vergebens die Welt durchirrt, ohne des Zeus Schliche entdecken zu können. Als er die Hoffnung verloren hatte, seine Schwester wieder aufzufinden, scheute er seines Vaters Zorn, wandte sich an das Orakel des Phöbos Apollo und forschte, welches Land er inskünftige bewohnen sollte. Apollo gab ihm die Weisung: »Du wirst ein Rind auf einsamen Auen treffen, das noch kein Joch geduldet hat. Von diesem sollst du dich leiten lassen, und an dem Platze, wo es im Grase ruhen wird, erbaue Mauern und nenne die Stadt Theben.« Kaum hatte Kadmos die Kastalische Höhle verlassen, wo Apolls Orakel war, als er schon auf der grünen Weide eine Kuh sich bedächtig ergehen sah, die noch kein Zeichen der Dienstbarkeit um den Nacken trug. Lautlos zu Phöbos betend, folgte er mit langsamen Schritten den Spuren des Tieres. Schon hatte er die Furt des Kephissos durchwatet und war über eine gute Strecke Landes gekommen, als auf einmal das Rind stillestand, sein Gehörn gen Himmel streckte und die Luft mit Brüllen erfüllte; dann schaute es rückwärts nach der Schar der Männer, die ihm folgte, und kauerte sich endlich im schwellenden Grase nieder.

Voll Dankes warf sich Kadmos auf der fremden Erde nieder und küßte sie. Hierauf wollte er dem Zeus opfern und hieß die Diener sich aufmachen, um ihm Wasser aus lebendigem Quell zum Trankopfer zu holen. Dort war ein altes Gehölz, das noch von keinem Beile jemals ausgehauen worden war; mitten darin bildete durch zusammengefügtes Felsgestein, mit Gestrüppe und Strauchwerk verwachsen, eine Kluft, reich an Quellwasser, ein niedriges Gewölbe. In dieser Höhle versteckt ruhte ein grausamer Drache. Weithin sah man seinen roten Kamm schimmern, aus den Augen sprühte Feuer, sein Leib schwoll von Gift, mit drei Zungen zischte er und mit drei Reihen Zähne war sein Rachen bewaffnet. Wie nun die Phönizier den Hain betreten hatten und der Krug, niedergelassen, in den Wellen plätscherte, streckte der bläuliche Drache plötzlich sein Haupt weit aus der Höhle und erhub ein entsetzliches Zischen. Die Schöpfurnen entglitten der Hand der Diener, und vor Schrecken stockte ihnen das Blut im Leibe. Der Drache aber verwickelte seine schuppigen Ringe zum schlüpfrigen Knäuel, dann krümmte er sich im Bogensprunge, und über die Hälfte aufgerichtet schaute er auf den Wald herab. Darauf reckte er sich gegen die Phönizier aus, tötete die einen durch seinen Biß, die andern erdrückte er mit seiner Umschlingung, noch andere erstickte sein bloßer Anhauch, und wieder andere brachte sein giftiger Geifer um.

Kadmos wußte nicht, warum seine Diener solange zauderten. Zuletzt machte er sich auf, selbst nach ihnen zu schauen. Er deckte sich mit dem Felle, das er einem Löwen abgezogen hatte, nahm Lanze und Wurfspieß mit sich, dazu ein Herz, das besser war als jede Waffe. Das erste, was ihm beim Eintritt in den Hain aufstieß, waren die Leichen seiner getöteten Diener, und über ihnen sah er den Feind mit geschwollenem Leibe triumphieren und mit der blutigen Zunge die Leichname belecken. »Ihr armen Genossen«, rief Kadmos voll Jammer aus, »entweder bin ich euer Rächer oder der Gefährte eures Todes!« Mit diesen Worten ergriff er ein Felsstück und sandte es gegen den Drachen. Mauern und Türme hätte wohl der Stein erschüttert, so groß war er. Aber der Drache blieb unverwundet, sein harter schwarzer Balg und die Schuppenhaut schirmten ihn wie ein eherner Panzer. Nun versuchte es der Held mit dem Wurfspieß. Diesem hielt der Leib des Ungeheuers nicht stand, die stählerne Spitze stieg tief in sein Eingeweide nieder. Wütend vor Schmerz drehte der Drache den Kopf gegen seinen Rücken und zermalmte dadurch die Stange des Wurfspießes, aber das Eisen blieb im Leibe stecken. Ein Streich vom Schwerte steigerte noch seine Wut, der Schlund schwoll ihm auf, und weißer Schaum floß aus dem giftigen Rachen. Aufrechter als ein Baumstamm schoß der Drache hinaus, dann rannte er mit der Brust wieder gegen die Waldbäume. Agenors Sohn wich dem Anfalle aus, deckte sich mit der Löwenhaut und ließ die Drachenzähne an der Lanzenspitze sich abmüden. Endlich fing das Blut an, denn Untier aus dem Halse zu fließen, und rötete die grünen Kräuter umher; aber die Wunde war nur leicht, denn der Drache wich jedem Stoß und Stiche aus und verstattete den Streichen nicht, fest zu sitzen. Zuletzt jedoch stieß ihm Kadmos das Schwert in die Gurgel, so tief, daß es hinterwärts in einen Eichbaum fuhr und mit dem Nacken des Ungeheuers zugleich der Stamm durchbohrt wurde. Der Baum wurde von dem Gewichte des Drachen krummgebogen und seufzte, weil er seinen Stamm von der Spitze des Schweifes gepeitscht fühlte. Nun war der Feind überwältigt.

Kadmos betrachtete den erlegten Drachen lange; als er sich wieder umsah, stand Pallas Athene, die vom Himmel herniedergefahren war, zu seiner Seite und befahl ihm, sofort die Zähne des Drachens als Nachwuchs künftigen Volkes in aufgelockertes Erdreich zu säen. Er gehorchte der Göttin, öffnete mit dem Pflug eine breite Furche auf dem Boden und fing an, die Drachenzähne, wie ihm befohlen war, die Öffnung entlang auszustreuen. Auf einmal begann die Scholle sich zu rühren, und aus den Furchen hervor blickte zuerst nur die Spitze einer Lanze, dann kam ein Helm hervor, auf welchem ein farbiger Busch sich schwenkte, bald ragten Schulter und Brust und bewaffnete Arme aus dem Boden, und endlich stand ein gerüsteter Krieger da, vom Kopf bis zum Fuße der Erde entwachsen. Dies geschah an vielen Orten zugleich, und eine ganze Saat bewaffneter Männer wuchs vor den Augen des Phöniziers empor.

Agenors Sohn erschrak und war gefaßt darauf, einen neuen Feind bekämpfen zu müssen. Aber einer von dem erdentsprossenen Volke rief ihm zu: »Nimm die Waffen nicht, menge dich nicht in innere Kriege!« Sofort holte dieser auf einen der ihm zunächst aus der Furche hervorgekommenen Brüder mit einem Schwertstreich aus; ihn selbst streckte zu gleicher Zeit ein Wurfspieß nieder, der aus der Ferne geflogen kam. Auch der, welcher ihm den Tod gegeben, verhauchte unter einer Wunde den kaum empfangenen Lebensatem bald wieder. Der ganze Männerschwarm tobte in fürchterlichem Wechselkampfe; fast alle lagen mit zuckender Brust auf dem Boden, und die Mutter Erde trank das Blut ihrer eben erst geborenen Söhne. Nur fünf waren übriggeblieben. Einer davon – er ward später Echion genannt – warf zuerst auf Athenes Geheiß die Waffen zur Erde und erbot sich zum Frieden; ihm folgten die anderen.

Mit dieser fünf erdentsprossenen Krieger Hilfe baute der phönizische Fremdling Kadmos die neue Stadt, dem Orakel des Phöbos gehorsam, und nannte sie, wie ihm befohlen war, Theben.

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Der Dachenstich zu Furth im Wald

Dieses Fest, das alljährlich am Sonntag nach dem Fronleichnamsfest begangen wird, verdanktseinen Ursprung wahrscheinlich einer jener alten Lindwurmsagen, die ehedem fast in allenGebirgsländern unter dem Volk verbreitet waren. Das Schauspiel, das zum Nutzen der Wirte,Bäcker und Metzger noch immer sehr viele Zuseher aus der Umgegend herbeizieht, geht in denersten Nachmittagsstunden des genannten Tages auf dem großen Stadtplatz vor sich.

Die auftretenden Personen sind: Ein Rittersmann zu Pferd, in Harnisch und Blechhaube, umgeben voneiner Schar Trabanten; dann eine Königstochter aus unbekanntem Land, die zum Zeichen ihreshohen Standes ein Goldkrönlein auf dem Haupt trägt und mit soviel Silbergeschnür undSchaumünzen behängt ist, als man nur immer auftreiben kann. Eine Ehrendame, die»Nachtreterin« genannt, begleitet die Prinzessin. Letztere nimmt auf einer erhabenenenBühne Platz, und ihr gegenüber stellt sich in einiger Entfernung der Drache auf, eingreuliches Ungetüm mit dickem ungestaltetem Leib; freilich nur ein Holzgerippe, mit bemalteLeinwand überzogen und von zwei im Inneren verborgenen Männern bewegt. Ein dichtesGewühl sammelt sich jedesmal um diese abenteuerliche Erscheinung, und dann macht sich deDrache bisweilen den Jux, mit weit aufgesperrtem Rachen unter die Menge zu rennen, die eiligzurückweicht und dabei in den possierlichsten Lagen übereinander purzelt. DeHauptspaß aber ist, wenn es dem Ungetüm gelingt, eine Böhmin aus dem Haufenherauszupacken und ihr mit den Zähnen die breite Tellerhaube vom Kopf zu reißen.

Inzwischen sprengt der Ritter zur Prinzessin heran, und es entspinnt sich zwischen beidennachfolgender Dialog in Knittelversen:

RitterGrüß Gott, grüß Gott, Ihr königliche Tochter mein!
Was macht Ihr auf diesem harten Stein?
Mich dünkt’s, Ihr seid ganz trauervoll,
Die Sach‘, die Sach‘ steht nicht gar wohl.
PrinzessinAch, edler, treuer Rittersmann,
Mein‘ Not und Treu‘ zeig ich Euch an.
Ich wart‘ dahier auf Drachengreul,
Er wird mich schlucken in schneller Eil‘.
RitterSchad’t nicht, schad’t nicht, seid wohlgemut!
Die Sach‘, die Sach‘ wird b’währt und gut;
Rufet zu mir, und betet zu Gott,
Er wird uns helfen aus aller Not.
PrinzessinAch, edler, treuer Rittersheld,
Flieht weit hinweg; flieht weit ins Feld!
Sonst müßt Ihr Euer ritterliches Leben
Mit nur bis in den Tod aufgeben.
RitterIch als starker Rittersmann,
Das grausam Tier macht mir nicht bang;
Mit meinem Degen und Rittershand
Will ich ihn räumen aus dem Land.
PrinzessinSeht, seht, Ihr Ritter und Herr:
Das grausam Tier tritt schon daher.

Während dieser Worte rückt der Drache gegen die Bühne vor und stellt sich an, alswollte er die Prinzessin verschlingen. Doch der kühne Ritter sprengt ihm entgegen undstößt seine Lanze tief in den Rachen des Ungeheuers. Bei diesem Manöver mußaber derjenige, der die Rolle des Ritters spielt (immer ein junger Bürgerssohn) sich wohl inacht nehmen, daß er die in der Gaumenhöhlung verborgene Blase trifft. Das Volk will heuteBlut sehen – sei es auch nur unschuldiges Ochsenblut –, und wenn der Held des Tagesfehl sticht, so überschüttet ihn ein Hagel von Spottreden. Ist der Lanzenstoßglücklich beigebracht, so zieht der Ritter sein Schwert und haut den Drachen ein paarmalüber den Schädel, dann macht er ihm mit einem Pistolenschuß vollends den Garaus.

Nachdem er auf diese Weise das Scheusal unschädlich gemacht hat, kehrt er zu der Prinzessinzurück und ruft siegesfroh aus:

     Freud‘, Freud‘, Ihr königliche Tochter mein,
Jetzt könnt Ihr frisch und fröhlich sein!
Dem Drachen hab‘ ich geben seinen Rest,
Weil er die Stadt hat lang gepreßt.

Die Prinzessin dankt ihm darauf mit diesen Worten:

Ach, edler, treuer Rittersheld,
Weil er den Drachen hat angefällt,
Zu seinem Degen und Ritterlanz‘
Verehr‘ ich ihm ein schön Ehrenkranz.

Hiermit steigt sie von der Bühne herab und spricht, indem sie dem Ritter den Kranz um den Armbindet, die Schlußverse:

Der Herr Vater und Frau Mutter werden kommen sogleich
Und werden uns geben das halbe Königreich.

Die Trabanten nehmen jetzt den Ritter und die Prinzessin in die Mitte und geleiten sie in dieHerberge zum Rittertanz. Auch die Zuschauer zerstreuen sich in die Schenken, und das Fest endet wiedie Volksfeste immer: mit einem allgemeinen Trinkgelage.

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Der Drachentöter zu Mixnitz

In sagenhaften Zeiten soll die sogenannte Mixnitzer Kogellucken – die Drachenhöhle genannt – einen ungeheuren Drachen beherbergt haben.

Es war ein scheußliches Ungetüm, das dort oben lebte, sah einer riesigen Schlange ähnlich, trug aber einen schuppigen Panzer, an dessen Oberseite zwei zackige Flügel emporstarrten, und war mit vier scharfkralligen Füßen bewehrt. Das Ungetüm richtete viel Schaden in der ganzen Umgebung an, Menschen und Tiere waren ihm schon zum Opfer gefallen, und Furcht und Entsetzen herrschten in der Gegend. Niemand wußte, was man gegen diesen schrecklichen Feind unternehmen sollte.

Nun hatte auch ein Landwirt aus Pernegg, der in der Nähe von Röthelstein am Mixnitzbach einen großen Meierhof besaß, die Gefräßigkeit des Ungetüms zu spüren bekommen. Das Untier verschlang zwei Rinder aus seiner Herde und tötete auch einen Hirtenjungen. Da versprach der Landwirt demjenigen eine große Belohnung, der den Drachen töten und die Gegend von dieser Plage befreien würde. Die Aussicht auf reichen Lohn lockte gar viele an, das gefährliche Unternehmen zu wagen, aber keinem gelang es, das Untier zu töten. Manche verloren schon den Mut, wenn sie das scheußliche Vieh nur von weitem sahen oder sein schauerliches Brüllen hörten, einige versuchten zwar den Kampf, waren aber schließlich froh, wenn sie sich, mit mehr oder weniger gräßlichen Wunden bedeckt, vor den Krallen des Drachens retten konnten, und andere sah man nie wieder; sie waren wohl im Kampf mit dem gräßlichen Untier umgekommen. Das Vieh aber ging nach wie vor seinem Raum nach und verbreitete Angst und Schrecken unter dem Volk. Niemand getraute sich mehr, den Kampf mit dem gräßlichen Drachen aufzunehmen, sogar die Knechte und Mägde verließen den gefährdeten Meierhof.

Da faßte der Ziehsohn des Landwirtes, der auf dem Meierhof arbeitete, den Entschluß, den Drachen zu beseitigen. Da man aber bisher im offenen Kampf gegen ihn nichts ausgerichtet hatte, ersann er eine List und traf in aller Stille seine Vorbereitungen.

Zunächst wollte er das Lager des Drachen auf dem Berg auskundschaften. Dabei entdeckte er, daß sich der Drache eine Rinne vom Berg bis ins Tal herab ausgewälzt hatte, die vollkommen glatt und ohne Steine und Schroffen war. Daraus schloß er, daß der Drache auf der Bauchseite eine weiche, zarte Haut haben müsse, und baute nun auf dieser Erwägung seinen Plan auf, wie er die Gegend von dieser entsetzlichen Plage befreien könnte. Er begab sich in der Dämmerung, als der Wind günstig stand, so daß das Untier seine Nähe nicht zu wittern vermochte, zur Rinne und vergrub eine große Anzahl von Sicheln und Sensen im Boden, und zwar so, daß die Spitzen in der Richtung der Anhöhe, von der das Untier herabkam, aus der Erde herausragten. Dann versteckte er sich seitwärts in einem Gebüsch, um die Wirkung seines Mittels mit anzusehen.

Er brauchte nicht lange zu waren, so hörte er das Ungeheuer, das im Bach seinen Durst stillen wollte, schnaubend und brüllend vom Berg herunterkommen, und bald sah er durch die Zweige des Gebüschs die Augen des Drachen, dessen riesigem Rachen feuriger Dampf entströmte.

Als der Drache zu der Stelle kam, wo die scharfen Spitzen der Sensen und Sicheln aus dem Boden standen, begann er plötzlich schrecklich zu brüllen und zu heulen, daß dem jungen Mann hinter den Stauden angst und bang wurde. Die spitzen, schneidigen Werkzeuge bohrten sich in den weichen Bauch des darüber hinweggleitenden Ungeheuers und rissen schreckliche Wunden. Wenn sich das Tier in seinem Schmerz zurückbäumte und dann wieder nach vorn fallen ließ, griffen die Spitzen neuerlich in die Haut ein und bohrten sich tief in seine Eingeweide. Von rasenden Schmerzen gequält, heulte das Ungeheuer fürchterlich, wälzte sich in seinem Bett hin und her und schlug mit dem riesigen Schwanz und den krallenbewehrten Flügeln so mächtig um sich, daß ganze Bäume geknickt und große Felsblöcke aus dem Boden herausgerissen wurden. Aber je mehr das Untier wütete und tobte, um so tiefer drangen die verborgenen Waffen in seine Eingeweide ein. Tödlich verwundet, ballte sich der Drache endlich zu einem scheußlichen, blutbefleckten Klumpen zusammen und kollerte hilflos ins Tal hinab, wo er unter furchtbaren Zuckungen verendete.

Große Freude erfüllte alle Bewohner der Gegend, als sie erfuhren, daß der fürchterliche Feind nun doch erledigt sei. Von allen Seiten eilten die Leute an die Stätte, wo die ungeheure Mißgestalt verendet in ihrem Blut lag, noch im Tod schrecklich ansehen, mit ihrem schuppigen Riesenleib und dem entsetzlichen zähnestarrenden Rachen. In einer tiefen Grube wurde der stinkende Kadaver verscharrt, wobei es der Arbeit vieler starker Männer bedurfte, den Riesenleib in die Grube zu wälzen.

Dem klugen, mutigen, jungen Mann aber, der die Gegend von dieser Drachennot befreite, schenkte der Bauer zum Lohn für seine tapfere Tat den Meierhof, und alle Leute im Muttal feierten ihn als ihren Retter und Befreier.

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(Publius Ovidius Naso) Kadmus von Theben

Jupiter hatte bereits, die Gestalt ablegend des Stieres,
Sich der Europa bekannt, im Schoß diktäischer Felder,
Als die Geraubte zu forschen der Held Agenor dem Kadmus
Anbefahl, und Strafe, wo nicht er sie fände, hinzufügt,
Landesflucht: liebreich in der selbigen Handlung und lieblos.
Als er die Welt durchwandert, (denn wer mag finden, was heimlich
Jupiter hält?) jetzt meidend des Vaters Zorn und die Heimat,
Irret Agenors Sohn, und fragt am Orakel des Phöbus
Demutsvoll das Geschick, welch Land zu bewohnen vergönnt sei.
Eine Kuh wird dir im einsamen Felde begegnen,
Saget der Gott, die nimmer dem Joch und dem Pfluge gefrönet,
Eile der Führerin nach; und wo im Grase sie ausruht,
Gründe die Mauern daselbst; und Böotia nenne die Gegend.

Kaum stieg Kadmus herab von der Kluft des kastalischen Bornes,
Als er einhergehn sah die ungehütete Starke,
Ruhigen Gangs, kein Zeichen der Dienstbarkeit tragend am Nacken.
Jener folgt, und beachtet mit drängendem Schritte die Spuren;
Und er verehrt in der Stille des Wegs Urheber, den Phöbus.
Schon die Furt des Cephisus, und Panopes Auen durchging er;
Siehe, da steht die Kuh, und die breitgewölbete Stirne
Hebt sie mit hohem Gehörn, und brüllet empor zu dem Himmel.
Dann zum Geleit umschauend der nach ihr folgenden Männer,
Lagert sie sich, und streckt im sprießenden Grase die Glieder.
Kadmus erglühet von Dank, und küßt das fremde Gefilde,
Segnend die unbekannten Gebirg‘, und die Ebenen grüßend.
Opfern wollt‘ er dem Jupiter nun; und er sendet die Diener,
Daß sie aus lebendem Born ihm Flut zur Sprenge besorgen.

Dort war ein altender Forst, noch nie vom Beile verletzet.
Eine Höhl‘ in der Mitte, von Busch umwachsen und Weidicht,
Bildet‘ ein niedres Gewölbe mit rauh gefügeten Steinen,
Der stets reichliches Wasser entsprudelte. Drinnen gelagert
War ein Drache des Mars, mit Kamm vorstrahlend und Golde,
Zuckendes Feuer im Aug‘, und der Leib vom Gifte geschwollen,
Mit dreispaltiger Zung‘, und dreifach stehenden Zähnen.

Aber nachdem das Gehölz die wandelnden Männer von Tyrus
Im unseligen Gange berührt, und die Urn‘ in das Wasser
Niedergesenkt auftönte; da streckt‘ aus dem langen Geklüft her
Bläulich der Drache das Haupt, und erhob ein entsetzliches Zischen.
Schnell entsanken die Urnen der Hand, und das Blut aus dem Antlitz
Floh, und in plötzlicher Angst erzitterten allen die Glieder.
Jener rollt in behenden Verschlingungen schuppige Ringel
Schlüpfrig, und wölbt sich empor in unermeßliche Bogen;
Und bis über die Hälfte zur wehenden Luft sich erhebend,
Blickt er herab auf den Wald: so groß am Leibe, wie groß er,
Wenn du ihn ganz anschaust, der die Bärinnen beide durchschlängelt.
Ohne Verzug, die Phöniker (ob jene zur Wehr sich bereitet,
Oder zur Flucht; ob selber die Angst sie an beidem gehindert)
Haschet er, diese mit Biß, mit langen Umwindungen jene;
Andre betäubt sein Schlund mit der Pest des vergifteten Hauches.

Schon verkürzte die Sonn‘ aus der Mittagshöhe die Schatten.
Kadmus, verwunderungsvoll, was doch die Genossen verweile,
Späht die getretene Spur. Als Hülle bedeckt ihn des Löwen
Zottige Haut; und die Lanze mit blinkendem Stahl und der Wurfspieß
Sind ihm Gewehr, und ein Mut, der mehr als alles Gewehr ist.

Als er, zum Wald eingehend, nunmehr die gemordeten Leiber
Sah, und den siegenden Feind mit gedehnetem Rücken darüber,
Wie er mit blutiger Zunge die traurigen Wunden umleckte:
Rächer will ich entweder, ihr Trautesten, eueres Todes
Oder Begleiter euch sein! So rief er, und hob in der Rechten
Einen Fels, und den großen mit großer Beeiferung schwang er.
Selbst die gewaltige Mauer mit hochaufragenden Türmen
Hätte gebebt vor dem Sturz: doch das Untier blieb unbeschädigt;
Und von den Schuppen gedeckt, und der Härte des dunkelen Balges,
Trieb es, wie unter dem Panzer, den prallenden Wurf von der Haut ab.
Nicht mit derselbigen Härte besiegt auch der Drache den Wurfspieß,
Welcher, gerad in die Krümmung geschnellt des geschmeidigen Rückgrats
Haftete, ganz mit dem Stahle hinab in die Weichen sich tauchend.
Jener ergrimmte vor Schmerz, und das Haupt auf den Rücken gedrehet,
Schaut‘ er die Wund‘, und nagt an dem Schaft des gehefteten Spießes;
Und nachdem er umher mit großer Gewalt ihn gerüttelt,
Riß er ihn kaum aus dem Rücken; doch bleibt ihm der Stahl im Gebeine.
Aber da nun zum gewöhnlichen Zorn sich die frische Verwundung
Fügete, schwoll ihm die Kehle von dick aufstrotzenden Adern;
Und ein weißlicher Schaum umfließt den verpesteten Rachen;
Rasselnd ertönt von den Schuppen das Land; und des stygischen Schlundes
Schwarz ausdampfender Hauch vergiftet die Luft mit Betäubung.
Bald nunmehr in Geringel von unermeßlichem Umfang
Rollt er sich ein; halb bäumt er empor, wie ein ragender Balken;
Bald im unendlichen Schwung, wie gedrängt vom Regen ein Sturzbach,
Stürmt er, und malmt mit der Brust die begegnenden Waldungen nieder.
Kadmus weicht ein wenig zurück; mit der Hülle des Löwen
Hält er den Anfall auf, und weit vorstreckend die Spitze,
Hemmt er das nahende Haupt. Doch der Tobende knirscht an dem harten
Stahle mit eitelem Biß, und stümpfet die Zähn‘ an der Schärfe.
Schon zu fließen begann aus dem giftigen Gaumen des Scheusals
Rotes Blut, und färbte das grünende Kraut mit Bespritzung.
Aber die Wunde war leicht, weil jener zurück vor dem Stoße
Zuckt‘, und den Hals der Verletzung entzog; ausweichend verwehrt‘ er
Festzusitzen dem Streich, und ließ nicht weiter ihn fortgehn;
Bis der Agenoride den Stahl, in die Kehle geschwungen,
Tief nachdrängend verfolgte; den rückwärts schlängelnden hemmte
Jetzo die Eich‘, und durchbohrt ward samt dem Holze der Nacken.
Krumm nun bog sich der Baum an der Last des sträubenden Untiers,
Und ihm erseufzte der Stamm, von dem äußersten Schwanze gegeißelt.

Während der Sieger den Raum des besiegeten Feindes betrachtet,
Plötzlich ruft ihm die Stimm‘, und nicht von wannen erkennt er;
Aber sie ruft: Was stehst du, Agenors Sohn, den erlegten
Drachen zu schaun? Bald wird man dich selbst anschauen als Drachen.

Ihm, dem Zagenden, schwand mit der Farbe zugleich die Besinnung
Lang‘, und ihm sträubte das Haar vor schauderndem Schrecken sich aufwärts.
Siehe, da nahete Pallas, des Manns Schutzgöttin, vom Himmel
Niedergesenkt; und sie heißt in aufgerüttetes Erdreich
Streuen die Natternzähne zum Anwachs künftigen Volkes.
Jener gehorcht; und die Erde mit drängendem Pfluge sich öffnend,
Streuet er Menschensaat, die befohlenen Zähn‘, in die Furchen.
Jetzo (wer glaubt so Großes?) begann sich zu regen die Scholle;
Und zuerst aus den Furchen erschien die Spitze der Lanze.
Bald auch gehelmete Häupter, umnickt von farbigen Büschen;
Bald auch Schulter und Brust, und mit Wehr belastete Arme,
Streben empor; und es wächst der geschilderten Saatlinge Heerschar.
Also, wann sich erhebt dem Festtheater der Vorhang,
Steigen die Bilder empor, und enthüllen zuerst die Gesichter,
Dann allmählich den Leib; und in sanftem Zuge gerichtet,
Stehen sie ganz, und setzen den Fuß auf die untre Verbrämung.
Kadmus, geschreckt vom befremdenden Feind, will Waffen ergreifen:
Waffne dich nicht! ruft einer des Volks, das die Erde hervortrug;
Waffne dich nicht, und meid‘ in den heimischen Krieg dich zu mischen!
Und so hauet er einen der erdgeborenen Brüder
Nahe mit starrendem Schwert; selbst tötet ihn ferne der Wurfspieß.
Dieser auch, welcher den Tod ihm sendete, lebet nicht länger,
Als er selbst, und verhaucht die eben empfangenen Lüfte.
Ähnliche Wut erfüllt die Saatlinge rings, und in eigner
Mordlust fallen sofort durch Wechselwunden die Brüder.
Schon die sämtliche Jugend, die kurz zu leben bestimmt war,
Schlug mit zappelnder Brust den blutigen Boden der Mutter;
Fünf nur atmeten noch; davon war einer Echion.
Dieser streckte zur Erde die Wehr auf den Rat der Tritonis,
Friedlichen Bruderverein verlangend zugleich und gewährend.
Sie nun wurden Genossen des Werks dem sidonischen Fremdling,
Als er die thebische Burg aufbauete, nach dem Orakel.

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Auf dem Drachenfels

In alten Zeiten, als an den Ufern des Rheins noch Heiden wohnten, hauste im Siebengebirge ein furchtbarer Drache, dem man tagtäglich Menschenopfer darbrachte. Meist waren es arme Kriegsgefangene, die ihm vorgeworfen wurden. Unweit der Höhle band man sie fest an einen Baum, unter dem ein Altar aufgemauert war. Zur Zeit der Abenddämmerung kam das Ungeheuer hervor und verschlang gierig die Opfer.

Einst brachten die Bewohner des Landes von einem Kriegszuge eine christliche Jungfrau von großer Schönheit als Gefangene mit. Da sich die Anführer über den Besitz der Beute nicht einigen konnten, wurde die Unglückliche als Opfer für den Drachen bestimmt. Auf dem Altarsteine wurde sie, in weißem Gewande, wie eine Braut geschmückt, festgebunden. Ruhig stand sie da, ergeben in Gottes Willen. Aus der Ferne blickte das Volk wie gebannt nach der furchtbaren Stätte.

Als die letzten Strahlen der untergehenden Sonne auf den Eingang der Höhle fielen, kam mit glühendem Atem der Drache hervor und kroch nach dem Altare, um sein Opfer zu verschlingen. Doch auch da verzagte die edle Jungfrau nicht. Zuversichtlich hielt sie ihr Kreuzlein empor. Vor diesem Zeichen wich das Untier zurück; brüllend und schnaubend stürzte es sich den Felsen hinab in den Rhein.

Voll Staunen und Freude eilte das Volk herbei, um die Jungfrau zu befreien. Es bewunderte gar sehr die Macht des Christengottes und ließ die Gerettete frei in die Heimat zurückziehen.

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(Publius Ovidius Naso) Kadmus in Illyrien

Kadmus, besiegt durch Gram und gereihete Übel des Hauses,
Und durch künftigen Grams Vordeutungen, ging, der Erbauer,
Aus der eigenen Stadt; als ob ihn der Gegenden Schicksal,
Nicht das seinige drängt‘; und lang‘ umirrend erreicht‘ er
Nun das illyrische Land mit Harmonia, seiner Genossin.
Als sie, von Leid und Alter gebeugt, nachdenken des Hauses
Erste Geschick‘, und beid‘ im Gespräch auffrischen die Drangsal:
Sollte vielleicht, sprach Kadmus, der Drache da, den ich durchbohrte,
Gar ein geheiligter sein? damals, wie ich, kommend von Sidon,
Streute die Natternzähn‘, als neue Saat, in das Erdreich?
Wenn ihn sorgsame Götter gerächt mit so treffendem Zorne;
Mög‘ ich doch selbst auf dem Bauch als langer Drache mich winden!

Sprach’s, und er dehnte den Bauch, ein langgewundener Drache;
Und die gehärtete Haut, er fühlt’s, umzog sich mit Schuppen,
Und sein dunkeler Leib ward blau mit Tropfen gesprenkelt.
Vorwärts sinkt auf die Brust er hinab; und beide vereinigt
Ziehn sich die Bein‘ allmählich gewölbt zur gerundeten Spitze.
Noch sind die Arm‘ unverwandelt; die noch unverwandelten streckt er,
Und mit Tränen beströmend das auch noch menschliche Antlitz:

Komm, mein Weib, komm näher, Erbarmungswürdige! sprach er;
Weil noch etwas von mir nachbleibt, berühre mich! nimm doch,
Traute, die Hand, da sie Hand noch ist, nicht alles mir Schlang‘ ist!
Mehreres strebt zu reden der Greis; doch die Zunge verdünnt sich
Plötzlich, und hebt zweispaltig: wie sehr er sich mühet, die Worte
Stocken ihm, und wie er ringt, doch einige Klage zu geben,
Zischet er; diesen Laut erteilete jetzt die Natur ihm.

Schlagend die Brust mit der Hand, die enthüllete, ruft die Genossin:
Kadmus, o bleib, und wind‘, Unseliger, dich aus dem Scheusal!
Kadmus, wie nun? wo geblieben der Fuß! wo die Händ‘ und die Schultern?
Wo das Gesicht, und die Farb‘, und, indem ich plaudere, alles?
Götter, warum nicht mich zur ähnlichen Schlange verwandelt?

Als sie es sprach, da leckt er das Antlitz seiner Gemahlin,
Und in den teueren Busen, als ob er sie kennete, schlüpft er,
Windet sie ein, und schlängelt, wie lange vertraut, zu dem Hals‘ auf
Wer sich genaht von den Ihrigen, schaut mit Entsetzen. Doch jene
Streichelt den schlüpfrigen Hals des purpurkämmigen Drachen.
Plötzlich wurden es zwei; und sie gehn, in verschlungenen Ringeln,
Schlängelnd einher, bis die Kluft des grenzenden Waldes sie aufnahm.

Jetzt auch fliehn vor den Menschen sie nicht, noch kränken sie feindlich;
Eingedenk, was sie waren, sind noch die friedsamen Drachen.

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Die Drachenjungfrau in der Gerloswand

Viele Jahre ist es her, da lebte im Pinzgau eine stolze Jungfrau, eines Grafen Kind, die von der Natur mit allen Vorzügen des Geistes und des Leibes bedacht war. Sie fühlte sich daher auch über alle Menschen erhaben, war anmaßend und hochmütig, und sie verachtete sogar ihre eigene Mutter, die sich über die Kälte und Lieblosigkeit ihrer Tochter zu Tode grämte.

Nun aber brach die Strafe des Himmels für dieses unkindliche Verhalten über die Jungfrau herein. Schwer und lang war die Buße, die ihrem Hochmut auferlegt wurde. Eine mächtige Bergfrau verwandelte sie in ein Wesen, halb Drache, halb Weib, und bannte sie in eine Felsenhöhle im Inneren der Gerloswand. In großer Einsamkeit, dem Licht der Sonne entrückt, hat sie nun Zeit zu bereuen, was sie verschuldet, und darf nur alle hundert Jahre einmal aus der Tiefe emporsteigen, um auf den zu warten, der sie erlösen soll Erlösung kann sie aber nur finden, wenn ein beherzter Jäger ihr den Kuß der Liebe weiht.

Einmal ist sie schon aus ihrer Höhle hervorgekommen. Glockengeläute im Tal verkündete ihr Erscheinen, aber niemand getraute sich in ihre Nähe. Endlich faßte ein mutiger Jägersbursche den Entschluß, das Erlösungswerk zu wagen. Tapfer schritt er auf die Felswand zu, wo die furchtbare Schreckensgestalt ihm schon von weitem entgegenrief: „Zittere nicht, du Lieber! Erscheine ich dir auch jetzt noch schrecklich und grauenhaft, so wird dein Entsetzen weichen und Freude und Glück dich erfüllen, wenn deine Lippen meinen Mund berührt haben. Weichst du aber von mir zurück, so sind wieder hundert Jahre Elend und Einsamkeit mein Schicksal.“

Mutig versprach ihr der Jäger, vor nichts zurückzuweichen. Als er sie aber in der Nähe in ihrer ganzen fürchteinflößenden Häßlichkeit sah, wich er entsetzt zurück. Wohl versuchte er ein zweites und drittes Mal näher zu treten, aber als der eisige Hauch ihres Mundes sein Gesicht umgab, taumelte er schwindelnd zurück und lag im nächsten Moment zerschmettert unten am Rand der Felswand.

Mit einem Jammerschrei wandte sich die Drachenjungfrau dem Felsen zu und muß nun wieder in ihrer finsteren Höhle, in Grauen versunken, hundert Jahre warten, bis sich vielleicht dann ein tapferer junger Mann findet, der sie ihrem Gefängnis entreißt und wieder in einen Menschen verwandelt.

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St Magnus zu Kempten und Roßhaupten

Magnus, der Apostel des Allgäus, kam auf seiner Wanderschaft mit Thosso nach Kempten. Dort hatten sich seit geraumer Zeit die Bewohner vor schrecklichen Drachen und Schlangen geflüchtet, die statt ihnen die Häuser bewohnten. Magnus erkannte darin einen Wink des Himmels, die Heiden durch wunderbare Hilfe für den wahren Gott zu gewinnen. So geschah es eines Tages, als Magnus und sein Gefährte betend für das Volk auf den Knien lagen, daß ein ungeheurer Drache aus dem Gemäuer hervorbrach. Der heilige Magnus befahl ihm im Namen Jesu Christi, des lebendigen Gottes, sich vor ihm zu beugen, und schlug ihm mit dem Stab des heiligen Gallus auf den Kopf. Augenblicklich stürzte das Untier tot vor ihm nieder, und auch alles übrige Gewürm und Ungeziefer verschwand.

So hauste auch in der Gegend, wo jetzt das Pfarrdorf Roßhaupten liegt, in tiefer Schlucht ein scheußlicher Lindwurm, der Menschen und Vieh erwürgte. Die Sage erzählt, er habe besonders Pferden nachgestellt und in seiner Höhle einen ganzen Berg von Roßhäuptern angelegt, woher denn nachmals das Dorf den Namen Roßhaupten erhielt. Der heilige Magnus kam dahin, ging, mit einem Kreuz auf der Brust, seinen Stab in der einen und einen Pechkranz in der anderen Hand, auf den Lindwurm los und schleuderte ihm unter Anrufung Gottes den Pechkranz in den Rachen. Das Untier zerbarst vor seinen Füßen, der Heilige aber dankte Gott auf den Knien für die wundervolle Tat.

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