Naomi Novik – Empire of Ivory Rezension

Nach langer Zeit kehren Temeraire, Laurence und seine Crew endlich wieder nach Großbritannien zurück. Die Franzosen sind ihnen auf den letzten Metern zwar dicht auf den Fersen, doch dafür haben sie auch 20 Wilddrachen und die feurigie Kazilik Iskierka im Schlepptau. Doch in England offenbart sich ihnen der Grund dafür, dass die Briten den Preußen ihre Unterstützung im Krieg verwehrt hatten – eine Seuche hat die Drachen befallen, die nun langsam dahinsiechen und letztendlich alle sterben. Kein Wort über diese Krankheit durfte Großbritannien verlassen, denn sonst sähe sich die Insel sofort von Napoleon überrannt.

Die einzige Hoffnung auf ein Heilmittel scheint es in Afrika zu geben. Drum treten Temeraire, einige der anderen Drachen und ihre Mannschaften eine neue Reise zum schwarzen Kontinent an. Doch Afrika ist eine gefährliche Umgebung, in der nicht nur Wildtiere, sondern auch Wilddrachen und den Sklavenhandel bekämpfende Eingeborenenstämme eine ernsthafte Bedrohung darstellen. Und kein Brite hätte jemals gedacht, wie groß diese Bedrohung tatsächlich werden kann …

Eigentlich fühlt es sich gar nicht wie ein vierter Teil an, sondern wie eine erste richtige Fortsetzung – schließlich musste man seit den parallel erschienenen ersten drei Büchern, Drachenbrut, Drachenprinz und Drachenzorn, das erste Mal etwas länger auf die Fortführung der Geschichte warten. Das wird sich wohl auch so fortsetzen, denn der fünfte Teil, Victory of Eagles, ist erst für Sommer 2008 angekündigt – welch schreckliche Folter, nach diesem grandiosen vierten Teil!

Empire of Ivory geht natürlich genau dort weiter, wo Black Powder War aufhörte und schmeißt den Leser sofort wieder in eine wilde Luftschlacht zwischen Temeraire und einigen französischen Drachen – sofort ist der Puls auf 180. In England angekommen, schaltet Naomi Novik dann natürlich erstmal ein paar Gänge zurück – obwohl sie ihr Buch stets durch aufregende Einlagen aufzulockern versteht – und führt in die deprimierende Atmosphäre eines von der Seuche geplagten Luftkorps‘ ein. Hier beweist sie, dass sie, obwohl es erst ihr vierter richtiger Roman ist, den Leser bereits fest und selbstbewusst in der Hand hält, die richtigen emotionalen Hebel zu bedienen versteht und alle Betrübtheit doch immer durch geschliffen feinen Humor auflockern kann. Da braucht es nicht mal mehr exotische Länder und spannende Luftschlachten, damit man regelrecht an den Zeilen klebt. Freilich gibt es auch das mal wieder in Empire of Ivory, wirkt jedoch in keiner Weise wie ein Aufguss der letzten drei Bände. Die Schiffsreise nach Afrika beispielsweise ist diesmal deutlich abgekürzt, der dortige Aufenthalt zunächst weniger durch Kämpfe geprägt als durch die nervenaufreibende Suche nach einem Heilmittel. Dieses ist zwar schon bald gefunden, doch wenn man meint, aufatmen zu können, schlägt die Geschichte auf einmal einen völlig anderen Haken und führt einen viel weiter in die afrikanische Kultur hinein, wenn man bereits meinte, alles gesehen zu haben. Novik schafft es auch hier wieder, ein neues, glaubwürdiges Verhältnis zwischen Menschen und Drachen zu präsentieren, dem gegenüber die europäischen Kulturen regelrecht barbarisch erscheinen. Der beste Akt von Empire of Ivory ist freilich der dritte, der völlig ohne Schlachten und große Action auskommt, sondern auf persönlicher Ebene äußerst fesselnd ist – schließlich müssen Laurence und Temeraire hier eine der wichtigsten Entscheidungen ihres Lebens treffen, was zu besagtem, heftigem Cliffhanger führt.

Die Abwechslung, die der vierte Teil der Temeraire-Reihe bietet, ist erstaunlich. Der Übergang zwischen Reisen, Schlachten, Exotischem, Entdeckungen und Charaktermomenten ist dabei fließend und zu keiner Sekunde langatmig. Für leicht pulpige Literatur erfüllt das Buch sein Ziel daher voll und ganz. Aber die Reihe hatte auch schon immer unterschwellige Themen von Emanzipation und zeigte einen bewundernswerten Hang zum Humanismus, wenn dieser auch auf eine Rasse gigantischer Flugechsen projiziert wird. Doch in Naomi Noviks Welt gibt es keine Guten und keine Bösen, es gibt nur die eine Seite und die andere, die sich nur beispielsweise durch ihre Einstellung zur Sklaverei oder durch ihre nationale Zugehörigkeit unterscheiden, in ihren Motiven jedoch stets verständlich sind. Manchmal ist man sogar gewillt, den Feinden von Temeraire und Laurence alles Gute zu wünschen, wenn sie für die richtige Sache kämpfen. Das ultimative Thema von Empire of Ivory ist letztendlich die Aufopferung für die richtige Sache, die einem im Falle von Laurence umso mehr ans Herz geht, weil man seinen Charakter ja bereits über diese vier Romane kennen und lieben lernen konnte, weswegen seine Entscheidung umso bedeutsamer ausfällt. Das Warten auf die Fortsetzung wird jedenfalls zur Tortur!

Vielen Dank an Doc für die Rezension!

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