Techniken der Drachentöter

Widmen wir uns nun einmal einer dunklen Seite der Historie. Drachen würden gewiss auch heute noch die Himmel bevölkern, wenn der Mensch sie nicht so radikal dezimiert hätte. Fragen wir uns also. Was macht den Menschen gegenüber dem Drachen so gefährlich, was ist seine schlimmste Waffe und wie sieht die optimale Technik aus einen Drachen zu töten?

Die einen sagen, es sei seine Art sich alles anzueignen, die Welt nach seinen Gutdünken zu formen, aber dies sind alles zunächst einmal untergeordnete Dinge. Ich spreche von einer anderen Form der Ausrottung. Ich spreche von Waffengängen, Kriegen. Wie erlegt man einen Drachen ohne durch sein Blut verätzt, von seinen Klauen zerrissen, von seinem Schwanz zertrümmert oder gar gefressen zu werden?

Es scheint sie zu geben, die perfekte Technik zum Töten von Drachen. Jeder der sich mit der Materie nur ein klein wenig befasst hat, hat sie gehört, die schier unglaublichen Geschichten in denen ein einzelner Recke einen bösen Drachen besiegt und eine holde Maid gerettet hat. Gesprochen wird von heldenhaften Schwertduellen, Sieg durch Pfeilbeschuss an empfindlichen Stellen oder gar überlisten mit anschließendem Meuchelmord. Wie viel Wahrheit kann wohl hinter solch einer Geschichte liegen? Wir alle haben genug Bilder von Drachen gesehen und auch wenn sie noch so unterschiedlich sein mögen, so haben Drachen doch im Allgemeinen etwas gemeinsam. Es ist die schier gigantische Größe, der Kopf des Drachen ist bedeckt von schweren Knochenplatten die ihn fast unverwundbar machen. Seine fingerlangen Reißzähne sind scharf wie Messer, zerreißen alles was sie fassen können in Sekundenbruchteilen. Seine Klauen sind rasiermesserscharf und seine Läufe so stark wie mehrere Ochsen. Seine Flügel sind so kraftvoll wie der Sturm, sie tragen den Drachen hoch in die Lüfte und ein einzelner Schlag genügt, um Bäume zu spalten und Steine zu zerschmettern und selbst der peitschende Schwanz ist eine gefährlich Waffe. Jedoch noch weit mehr gefürchtet ist der Flammenatem eines Drachen, gepaart mit seinem korrodierenden, kochenden Säureblut. Eine tödliche Mischung, die einen Drachen zu einer solch furchterregenden Bestie macht, das Tiere und Menschen sogleich wie angewurzelt stehen bleiben, wenn sie ihn erblicken und in seine verschlagenen Augen blicken…

Glaubt die Menschheit tatsächlich, dass wenn nur zwei dieser Eigenschaften tatsächlich gleichzeitig zugetroffen hätten, ein Mensch gegen einen Drachen eine reelle Chance gehabt hätte? Wohl kaum! Vergesst was Ihr über solch tapfere Recken gehört habt. Sie sind tot! Ge- und erschlagen von einem Drachen. Die wahren Drachentöter agieren anders. Sie sind keine stumpfsinnigen Abenteurer die sich Ihre Sporen verdienen wollen, sie sind Gelehrte, die die Anatomie der Drachen und Ihr ganzes Wesen sehr genau kennen, ja sogar studiert haben. Jeder Drachentöter weiß ob des Aufbaus eines Drachenkörpers. Weiß von den vielen Hohlkammern in seinem Inneren, die mit einem Gas gefüllt sind welches es ihm erst ermöglicht zu fliegen. Jeder Drachentöter weiß auch, dass der Verlust dieses Gases den Verlust der Flugfähigkeit bedeutet und das das Blut eines Drachen nicht kochend heiß, wohl aber säureartig und zumindest korrodierend für Waffe und Schild wirkt. Eine direkte Konfrontation wäre demzufolge ein purer Selbstmord. So also bleibt dem Drachentöter nur eine Möglichkeit, nämlich die wunde Stelle des Drachen zu treffen. Oder bleibt ihm nur die Möglichkeit die einzige unverwundbare Stele zu vermeiden? Folgende Techniken des Drachentötens sollen darüber Aufschluss geben.

Die Grube

Der Drachentöter gräbt sich ein mannshohes Loch in dessen Seitenwand ein kleiner „Gang“ mündet. Er bedeckt das Loch, das Vorzugsweise im Eingang von Drachenhöhlen platziert werden sollte, mit Ästen und Blättern unscheinbar und wartet auf den Drachen. (Dass dies mitunter sehr lange dauern kann sei hier nur am Rande erwähnt). Kriecht der Drache aus seinen eigenen Gründen, gelockt oder getrieben aus dieser Höhle und über die Grube, so schlägt des Drachentöters Stunde. Mit einem Spitzen Gegenstand sticht er in den schlecht geschützten Bauch des Drachen und zieht eine tiefe Wunde. Zwangsläufig und unvermeidbar trifft er mehrere der wichtigen Hohlkammern, das Gas entweicht, der Drache kann nicht mehr in die Luft entfliehen und windet sich unter den Qualen. Die Wunde braucht dabei gar nicht einmal schwer zu sein, den Rest erledigt das hauseigene Drachenblut und die Säure, die dem Drachen seine Flugfähigkeit beschert. Es verätzt die Gefäße, und noch mehr Hohlkammern werden in Mitleidenschaft gezogen, der Drache ist auf dem Boden gefangen und verblutet jämmerlich, ein unehrenvoller Tod. Der Drachentöter hat sich hingegen direkt nach dem Stich in Sicherheit gebracht, er liegt geschützt in seinem „Seitengang“, das spritzende Blut des Drachen kann ihm nichts mehr anhaben.

Der Drache vom Goggausee[1]

Einst hauste bei Goggau in Kärnten ein riesiger Drache, dem man nach sagte, er sei von einem siebenjährigen Haushahn, der einst ein scharlachrotes Ei auf einem Düngerhaufen legte, ausgebrütet worden. Der Drache wuchs und sein Appetit wurde schnell unermesslich. Da geschah es eines Tages, dass der Drache sich zum nahe gelegenen Goggausee wandte und in diesem untertauchte, so dass das Wasser weit über die Ufer trat. Von dort aus unternahm er fortan seine Raubzüge auf das umliegende Land und Mensch und Tier litten schwer unter seiner Tyrannei.

Lange wusste die gebeutelte Bevölkerung weder ein noch aus, bis eine Tages schließlich ein kleines Männlein, dass wohl zu hexen vermochte, einen Einfall hatte. Man tat wie geheißen und band zwei junge, gesunde Ochsen an einen Karren und belud diesen mit Gift, Pech und Schwefel. Dieser Wagen sollte dem Drachen vorgesetzt werden, auf das dieser ihn mit samt und sonders verschlänge. Dennoch erhob sich allerorten großes Wehklagen, denn wer sollte den Wagen führen ohne seinerseits das Leben zu lassen? Keiner wagte sich auch nur in die Nähe des Goggausees und seines riesigen Einwohners und wollte sein Leben schon gar nicht aufs Spiel setzen. So entschied letztendlich das Volk, dass der Goggau-Togger, der Dorfdepp den Wagen führen solle. Schließlich sei es um ihn nicht weiter schade und niemand würde ihn vermissen. Gesagt, getan, der arme Tor setzte sich auf den giftigen Köder und fuhr diesen bis an den Rand des Goggausee wo schon bald der Drache seinen gewaltigen Kopf aus dem Wasser hob und den Wagen samt und sonders schmatzend verschlang.

Lange brauchte nicht gewartet zu werden, bis das Gift im Magen des Drachen zu wirken begann und dieser an schrecklichen Magenkrämpfen litt. Unter großem Getöse warf sich der Drache hin und her. Wasser stieb über die Ränder des Sees doch bald schon lag der Drache tot dar, dass Gift hatte gewirkt.

Der Drachenpfad

Mehrere Techniken bauen auf dem Wissen um den so genannten Drachenpfad auf.

Als Drachenpfad bezeichnet man im Allgemeinen einen Pfad der, einem ausgewaschenen Flussbett ähnelt, keine spitzen Steine oder Wurzeln enthält und somit wie glatt poliert wirkt. Er dient dem Drachen als Weg aus seiner Höhle zu, im Tagesverlauf oft besuchten, Plätzen (Lagerstellen am Rande eines Sees oder Lichtungen). Die Erstellung der Drachenpfade ist für Drachen überlebensnotwendig, da sie auf diesen im Laufe der Zeit gefertigten Pfaden wandeln können, ohne ihren empfindlichen Bauch (s. Der Drachenbauch) zu gefährden. Gräbt man direkt auf diesen Pfaden ein Loch, spickt dieses mit Spitzen und Kanten und verdeckt diese dann mit Laub und Strauchwerk, so wird sich ein vorbeischleifender Drache seine Unterhaut aufschlitzen, die wichtigen Flugkammern verletzen und entweder direkt seinen Wunden erliegen oder aber ein leichtes Ziel abgeben.

Als zweite Möglichkeit stellt sich hierbei die Möglichkeit einen Seitenangriff vorzunehmen. Der Drache, ist auf seinem Pfad relativ eingeengt. Er kann sich nicht wenden oder flüchten, ohne seine gefährdeten Weichteile zu entblößen. Prominentestes Beispiel für einen derartigen Seitenangriff ist die Sage um König Beowulf und seinen letzten Kampf.

Ungelöschter Kalk

Einige Geschichten berichten von einer unkonventionellen Variante einen Drachen zur Strecke zu bringen. Kampflos, ohne Waffen, aber nicht minder effektiv. In alten Zeiten verlangten Drachen mehr oder minder regelmäßig nach Opfern oder nahmen sich diese in Form von Vieh. Es geschah, dass sich einige findige Drachentöter, die sehr gut mit der Chemie der Drachen vertraut waren, sich diese auch zu Nutze machten und dem üblen Feind eine chemische Falle stellten. Unter das Futter wurde eine große Menge ungelöschten Kalkes gemischt, die der Drache in seiner Gier verschlang. Wehe dem, der sich in der nächsten Zeit zu nah an den Drachen heran wagte. Warum? Nun, wie wir wissen, erfolgt die Produktion des Gases, das für die Flugfähigkeit eines Drachen unbedingt von Nöten ist durch die Reaktion von Salzsäure und der Knochenstruktur des Drachen (s. Flammenatem), dass so entstandenen Wasserstoffgemisch lagerte in den Hohlkammern des Drachen und hob diesen in die Lüfte. Ungelöschter Kalk in des Drachens Magensäure musste eine ähnliche, wenn nicht viel heftigere Reaktion hervorgerufen haben. Die Salzsäure in des Drachens Magen reagierte mit dem Kalk und erzeugte das angesprochene Gas in rauhen Mengen und liess den Drachenmagen bis auf das äußerste anschwellen. Wollte der Drache dieses Gas nun loswerden, um nicht zu platzen, so musste er dies wohl oder übel durch die Speiseröhre tun. Ein „Bäuerchen“ mit verheerenden Folgen. Wie schon der Drachenatem, musste sich nun auch dieses Gas entzünden. Da das Gas jedoch nicht durch dafür spezialisierte Kanäle floss wie es beim Flammenatem der Fall ist, konnte es sich auch nicht erst einige Hand breit vor des Drachen Schnauze entzünden. Nein, die Reaktion mit dem Sauerstoff der Luft erfolgte viel früher, innerhalb des Drachenkörpers, der Drache explodierte förmlich durch seinen eigenen Stoffwechsel.

Stachelrüstungen

Aus vielen Geschichten heraus kann man erlesen, dass Drachen gelegentlich Ihre Angreifer verschlangen. Dies machten sich viele Drachentöter zu Nutze und ließen sich mit Stacheln und Schneiden bestückte Rüstungen anfertigen. So gerüstet traten sie vor den Drachen, welcher sich auch nicht lange bitten ließ, den unerwünschten Ruhestörer zu vernichten. Doch einmal im Magen des Drachen angelangt offenbarte sich die Unvernunft dieser Tat. Der Drache starb an inneren Verletzungen und der Krieger konnte unbeschadet den Körper des erschlaffenden Drachen abstreifen. So jedenfalls steht es geschrieben. Fragt Euch jedoch selbst, welcher Teil der Technik unglaubwürdig wirkt. Kam der kühne Recke wirklich heil und unverletzt aus dem Körper des Drachen und seiner Chemie wieder heraus, oder war das ganze ein Himmelfahrtskommando?

Wo war nun der Kampf? Das heroische Gebaren beider Parteien, das ehrenvolle Duell? Tja, das gibt es nicht, gab es nicht und wird es nie geben. Enttäuscht? Gut, zugegeben, es gab tatsächlich einige wenige Gelegenheiten zu denen es sich begeben hat, das ein Ritter einen Drachen während eines Scharmützels im direkten Angriff tötete, allerdings sei dazu erwähnt, das dieser zu Pferd unterwegs war und eine Lanze trug und selbst die Starken Schuppen eines Drachen halten diese geballte Kraft auf wenigen Quadratzentimetern nicht stand. Die Lanze brach, der Drache starb, aber diese 1-2 seltenen Ausnahmen sollten wohl genug sein, um die Menschheit weiterhin mit neuen heroischen Legenden zu erfreuen, nicht wahr?

  1. [1]Übernommen aus dem Gutenberg Projekt http://gutenberg.spiegel.de

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