Drachenbauch

Der Bauch eines Drachen! Kein Körperteil dieser Wesen wurde so häufig Ziel einer Attacke. Ist wirklich etwas dran am Mythos des ungeschützten Bauches, oder ist dies nur eine von vielen weiteren Legenden, die sich um diese mythischen Wesen ranken? Ich denke, dass durchaus etwas Wahres in all diesen Geschichten und Überlieferungen steckt und ganz besonders in dessen Empfindlichkeit gegenüber Stichwaffen.

Weshalb jedoch könnte der Bauch eines Drachen, dessen restlicher Körper von harten Schuppen bedeckt ist, derart empfindlich sein?

These: Kriechende Lebensweise

Obwohl der gesamte Organismus des Drachen darauf ausgelegt ist, ihm das „Leichter-als-Luft-fliegen“ zu ermöglichen, befindet sich ein Drache Zeit seines Lebens meistens am Boden und bewegt sich auf allen Vieren kriechend durch, Höhlen, Wälder, Täler, kurzum seinen Lebensraum. Dabei schleift sein Bauch ständig über den teilweise harten Boden, was natürlich zu einer schweren Beanspruchung der dort befindlichen Schuppen führt, welche über kurz oder lang abbrechen, oder zumindest gravierende Schäden davon tragen müssen. Man denke hierbei nur an Basaltsteinhöhlen mit Ihren scharfen Kanten, die häufig Heimat von Drachen sind. Im Laufe der Evolution hatte sich der Drachenkörper also dahingehend anzupassen, diese Art der Lebensform und ökologische Nische möglichst gut auszufüllen. Das Ergebnis mussten zwangsläufig kleinere und weichere, also nachgiebigere Schuppen sein, welche für den Drachen schneller und leichter zu ersetzen und natürlich weicher und flexibler waren als ihre großen Pendants. Dies hatte nicht nur den Vorteil, dass er etwas leichter wurde, sondern auch dass er sich ungestörter auf harten Gesteinsschichten niederlassen konnte. Ich gehe sogar davon aus, dass der Drachenbauch nicht über die natürliche Quarzglasschutzschicht der restlichen Drachenschuppen verfügte [1] . Dies jedoch nicht auf Grund der kriechenden Lebensweise, sondern eher als eine Art Tarnung. Die Quarzglasschicht, die ja den Schutz des Körpers vor seiner eigenen Chemie darstellt [2] , schimmerte zwangsläufig in allen Farben, wurde sie der Sonne ausgesetzt. Da der Drache es sich jedoch nicht leisten konnte von seiner Beute, die er in seiner Jugend aus der Luft jagte, früh bemerkt zu werden, war eine glänzende Unterseite eher von Nachteil. Eine wenig reflektierende Oberfläche wäre hier dem zu folge evolutionär von Vorteil.

Ein Indiz, welches für diese These spräche, ist die weit verbreitete Annahme ein Drache würde sich Edelsteine auf den Bauch kleben, um diesen vor äußeren Einflüssen zu schützen und zu schmücken. Dagegen würde jedoch der Verlust der gerade gewonnenen besseren Tarnung sprechen. Dies ist jedoch nicht ganz richtig, da ein Drachenhort [3] nur von älteren Drachen bewacht werden konnte, jüngere Drachen jedoch noch nicht die Kraft und Ausdauer besitzen, um einen Hort aufzubauen, geschweige denn effektiv verteidigen zu können. Sie sind darauf angewiesen erst an Kraft und Erfahrung zu gewinnen, was sie natürlich größtenteils bei der Jagd erreichen konnten. Hierbei wäre der glänzende Unterleib hinderlich gewesen. Halten wir also zusätzlich fest, dass sich ältere, hortende Drachen Ihren ungeschützten Bauch durchaus mit Edelsteinen hätten verzieren oder schützen können, junge Drachen dies jedoch auf Grund der mit sich führenden Nachteile bei der Jagd nicht praktizieren.

These: Flügeltheorie

Die zweite These des empfindlichen Drachenbauches beruht auf der Evolutionstheorie aller Wirbeltiere. Gehen wir von einer klassischen Drachenform aus, mit 4 Beinen und einem Paar Flügel. Weltweit ist den Zoologen kein Wirbeltier bekannt, welches mehr als vier voll entwickelte Gliedmaßen besitzt, also ein Paar Vordergliedmaßen und ein Paar Hintergliedmaßen. Wirbeltiere besitzen nur zwei Ansatzpunkte für Extremitäten und deren Muskeln, nämlich die Schultern und das Becken. Drachen jedoch besitzen bekanntermaßen zwei Paar Extremitäten und ein Paar Flügel, welches Ihren Ursprung an den Schulterblättern finden soll, wo sie durch starke Muskeln verankert Ihre Kraft finden, um den Drachen in der Luft manövrierfähig zu halten. Rein Biologisch betrachtet und den mythischen Standpunkt komplett außer Acht gelassen befinden wir uns nun in einer evolutionären Sackgasse. Ein solches Wesen kann nicht existieren, wir hätten es mit einer völlig neuen Spezies zu tun, die sich evolutionär völlig unterschiedlichen von allen anderen entwickelt hätte.

Schlagen wir nun den Bogen zurück zum empfindlichen Bauch des Drachen und versuchen eine Parallele zu finden, indem wir die folgende These aufstellen. Was wäre, wenn die Flügel gar keine „echten“ Flügel wären, sondern Rippen? Mit einem Male ergäbe alles einen Sinn! Drachen benötigten einen Mechanismus, der sie in der Luft manövrierfähig machen konnte. Ihre bereits vorhandenen Extremitäten begannen sich jedoch nicht zu verändern, da diese noch immer hauptsächlich zur Fortbewegung auf der Erde benötigt wurden und eine Modifikation im Stile der Fledermäuse eher Nachteile denn Vorteile gehabt hätte. Die Entwicklung einer vollständig neuen Eigenschaft hätte evolutionär zu lange gedauert. Die einzige Möglichkeit bestand demzufolge darin, die schon vorhandenen Möglichkeiten des Drachen zu modifizieren und auf die neuen Bedürfnisse anzupassen. Die Rippen, beziehungsweise der Rippenbogen des Drachen konnte sich im Laufe der Generationen leicht nach außen gebogen haben, denn Form, Dünnwandigkeit und Muskeln waren seit jeher vorhanden. Bis zur heute angenommenen Form und Position war es somit kein völlig undenkbarer Schritt mehr. Der Drache besaß nun also endlich seine Flügel und war in der Luft agil genug, um jagen zu können. Der Nachteil jedoch lag völlig offen auf der Hand. Der Bauch war völlig ungeschützt, da ihn kein Brustkorb mehr stützen konnte, wodurch die lebenswichtigen Organe nur mehr unter den dünnen Schuppen verborgen lagen. So gewagt und unglaubwürdig diese These nun auch scheinen mag, so muss man sich dennoch fragen, ob nicht doch mehr Wahrheit in Ihr steckt, als es auf den ersten Augenblick scheinen mag. Man beachte: Aus vielen Sagen und Legenden können wir entnehmen, dass Drachen unempfindlich gegenüber stumpfen Hiebwaffen seien. Im Anbetracht seiner äußerst zähen geschuppten Haut klingt dies logisch. Knochen konnten bei einem gegen den Bauch geführten Schlag mit einer stumpfen Waffe nicht nachweislich zu Schaden kommen, da diese ja mittlerweile als Flügel fungierten und die Wucht des Schlages somit an der nachgiebigen Drachenhaut verpuffte. Spitze oder scharfe Waffen hingegen waren das andere Extrem und konnten verheerende Wirkung auf den Drachen erzielen, da sie die Haut durchtrennen und die nun ungeschützten Organe zerstören konnten.

Egal ob wir nur eine der beiden Thesen oder beide als zutreffend betrachten, so wird dennoch klar, dass der Drachenbauch kein bloßer Mythos ist, sondern tatsächlich die Achillesferse der gepanzerten Riesen darstellte und uns eventuell hilft die Techniken des Drachentötens besser zu verstehen.

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