Licia Troise – Die Drachenkämpferin – Im Land des Windes

Nachdem sich das Augenmerk der fantastischen Literatur in den vergangenen Jahren neben englischen Autoren verstärkt auf deutschsprachige Nachwuchstalente richtete – eine Entwicklung, die sehr zu loben ist –, scheint die Zeit nun reif zu sein, um sich nach fantastischer Literatur umzusehen, die in ihrem Original weder englisch- noch deutschsprachig ist. „Cronache del mondo emerso – Nihal della terra del vento“ – so lautet der Titel des ersten Bandes einer italienischen Fantasy-Trilogie, deren erster Band im Februar 2006 unter dem Titel „Die Drachenkämpferin – Im Land des Windes“ auf Deutsch veröffentlicht wurde – sowohl in der vorliegenden „Erwachsenen-Ausgabe“ bei Heyne als auch in einer „Jugendbuch-Ausgabe“ bei cbj.

Nihal ist noch ein junges Mädchen, doch schon jetzt weiß sie, dass sie einmal eine große Kriegerin werden möchte. Fleißig übt sie mit dem Holzschwert, treibt ihre Freunde in wildem Spiel durch die Turmstadt Salazar. Selbstsicher fordert sie jeden, der es mit ihr im Kampf aufnehmen möchte, zu einer Wette um ihr Messer heraus, das ihr Vater ihr geschenkt hat. So zögert sie auch nicht lange, als ein schlaksiger Bursche mit ihr um ihr geliebtes Messer kämpfen möchte; doch der Junge setzt Magie ein, besiegt Nihal – und nimmt das Messer an sich. Nihal brennt auf Rache und überredet ihren Vater, ebenfalls die Magie erlernen zu dürfen. Dabei erfährt sie, dass ihre Tante Soana, die nahe des Waldes wohnt, eine mächtige Zauberin ist. Als Nihal kurze Zeit später ihrer Tante einen Besuch abstattet, um sie zu bitten, sie zu unterrichten, muss sie ihren Zorn stark im Zaum halten: Denn auch Sennar, der unverschämte Junge, der sie mit unfairen Mitteln besiegt hat, ist ein Lehrling Soanas – und ein sehr guter noch dazu. Doch je besser Nihal ihren neuen Mitbewohner kennenlernt, desto mehr schwinden ihre Rachegelüste gegen Sennar; im Gegenteil: Schon bald sind die beiden gute Freunde.

Zwei Jahre ziehen so ins Land, zwei Jahre, in denen Nihal zwar die Magie erlernt, im Herzen jedoch ganz die Kriegerin von früher bleibt. Es ist die beeindruckende Begegnung mit dem Drachenritter Fen, die ihren Kindheitstraum von Neuem belebt; von dieser Begegnung an übt Nihal noch verbissener, noch häufiger, noch intensiver mit dem Schwert als zuvor – nicht nur, um sich selbst etwas zu beweisen, sondern auch, um den hübschen Drachenritter mit ihren Schwertkünsten beeindrucken zu können. Allzu bald jedoch wird aus den Übungen bitterer Ernst, denn die Famminhorden des Tyrannen zerstören die Aufgetauchte Welt immer mehr. So zieht Nihal aus, um gegen die Herrschaft des Tyrannen anzukämpfen – denn Nihal, das Mädchen mit den violetten Augen, den nachtblauen Haaren und den spitzen Ohren, ist als Halbelfe die letzte Überlebende des Elfengeschlechts und damit die einzige, die den drohenden Untergang noch abwenden kann …


Nach Christopher Paolinis überwältigenden Erfolgen mit „Eragon – Das Vermächtnis der Drachenreiter“ und „Eragon – Der Auftrag des Ältesten“ erfreuen sich Drachenreiter derzeit großer Beliebtheit. Auch Licia Troisi nutzt dieses Motiv, indem sie einen Drachenritterorden einführt und ihrer handlungstragenden Figur den Titel einer Drachenkämpferin zuschreibt. Doch obwohl die Vermutung, die Roman-Trilogie der italienischen Autorin sei lediglich ein Abklatsch der „Drachenreiter“-Trilogie aus der Feder Paolinis, nahe liegt, kann sich der Leser eines Besseren überzeugen. Denn „Die Drachenkämpferin – Im Land des Windes“ hat – einmal abgesehen vom Drachenreiter-Motiv – nur sehr wenig mit den Erzählungen um Eragon Schattentöter gemeinsam. Stattdessen wartet die Autorin mit zahlreichen fantastischen Ideen auf, die sie mit erfreulich wenigen klischeehaften Elementen (wie den Fammin, dem Parallelvolk zu Tolkiens Orks und Paolinis Urgals) zu einer neuen Geschichte verbindet. Dabei erzählt Licia Troisi mit unglaublicher Kraft und Ausdrucksstärke, lässt ihre Geschichte flüssig und locker, gleichzeitig aber auch spannungsgeladen und voller Überraschungen und Wendungen dahinfließen. Nahtlos setzen sich die einzelnen Teile der Erzählung zusammen, geschickt werden größere Zeitsprünge eingesetzt, um Nihals Werdegang glaubhafter zu gestalten.

Als Titelheldin spielt natürlich Nihal selbst die zentrale Rolle in diesem ersten Band der „Drachenkämpferin“-Trilogie, wodurch die Autorin ein Mädchen als Hauptfigur in einem epischen Fantasy-Werk einsetzt. Gefühlvoll und greifbar nah schildert Licia Troisi das Innenleben ihrer jungen Heldin, lässt den Leser glaubhaft und nachvollziehbar an ihren Entscheidungen, ihrer Zerrissenheit, ihren Gefühlen teilhaben. Auch Charakteren wie Sennar hat die Autorin so viel Tiefe verliehen, dass sie dem Leser innerhalb kürzester Zeit ans Herz wachsen und er mit den Abenteuern, die Nihal und Sennar im Kampf gegen ihren Widersacher bestehen müssen, atemlos mitfiebert.

Auch die Aufmachung des Hardcover-Romanes bleibt zu loben. Von der Coverillustration des Schutzumschlages, die mit hervorragend gelungener Komposition und wunderbarer Farbgebung gefallen kann, über eine Karte der Aufgetauchten Welt zu Beginn und Ende des Buches bis hin zu einem schönen Lesezeichen, das der Geschichte beiliegt, überzeugt der erste Band um die Halbelfe Nihal optisch rundum.

Fazit:

Eine kraftvolle, ausdrucksstarke Geschichte, die sich kurzweilig und spannend gestaltet und die den Leser in gespannter Erwartung auf die beiden Folgebände der Trilogie zurücklässt, die unter den Titeln „Die Drachenkämpferin – Der Auftrag des Magiers“ und „Die Drachenkämpferin – Der Talisman der Macht“ in den Frühjahren 2007 und 2008 erscheinen werden. Zugegebenermaßen eine lange Wartezeit, doch hat der erste Band einen so nachhaltigen Eindruck hinterlassen, dass die Erinnerungen an Nihals Abenteuer schnell wieder aufgefrischt sein werden.

Diese Rezension wird mit freundlicher Erlaubnis von Media-Mania.de verwendet

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