Drachenperlen

Zu den vielen Rätseln, die die Drachen umgeben, gehören auch die Drachenperlen und die Beziehung der Drachen zu diesen. Die meistens von fernöstlichen Drachen besessenen Kleinodien, werden alten Berichten zu Folge unter dem Kinn, im Hirn oder im Maul der Drachen getragen, doch oft liegen sie auch einfach nur neben Ihren Beschützern oder werden zwischen zwei Drachen abgebildet, die sie zu verschlingen drohen oder gerade ausspeien. Dieses seit der Ming-Zeit gefestigte Bild des Drachen und der Perle hat sich bis heute soweit eingebürgert, dass die Perle auf vielen Drachenfesten dem Drachen voraus getragen wird.

Dabei wird das Rätsel um die Perle noch mystischer, da man sich bis heute nicht völlig sicher ist, ob es sich hierbei tatsächlich um eine Perle handelt. Viele Aspekte sprechen jedoch dafür. In Asien erzählt man häufig Geschichten und Legenden in denen Drachen Ihre Perle an würdige Menschen weitergeben, wobei die Gabe zumeist mit einer Bedingung verknüpft ist, die, zum Leidwesen des Beschenkten, nicht erfüllt wird und mit dem Zorn des Drachen bestraft wird. Hier ist wohl auch der Grund dafür zu finden, dass in vielen Geschichten davor gewarnt wird sich die Perle eines Drachen zu eigen zu machen, sei es aus Angst vor der Wut des Drachen, deren möglicherweise verschwenderischen und somit schändlicher Verwendung. Meistens gestehen die unglückseligen Finder ihren Fehler ein und versuchen ihn reumütig wieder gut zu machen oder zumindest die Perle wieder zurück zu geben.

Nie Lang

Nie Lang war ein Bauernjunge, der zu Zeiten einer großen Dürre gemeinsam mit seiner Mutter in der chinesischen Provinz Szechuan mehr schlecht als recht lebte. Nie Lang war von seinem Fürsten beauftragt, täglich Gras für dessen edle Pferde zu schneiden. Doch als Nie Lang eines Tages nirgendwo mehr Gras für das edle Gestüt finden konnte, erschien dem Jungen in der Stunde seiner größten Not ein weißer Hase, der ihn zu einer Stelle führte, an der sehr viel frisches und saftiges Gras wuchs.

Nie Lang legte fortan jeden Tag die große Strecke zurück, um das saftige Gras für die Pferde seines Herrn zu schneiden, bis er eines Tages die Idee hatte, einige Grasbüschel auszugraben, sie mit nach Hause zu nehmen und dort anzupflanzen, sich Weg und Mühe zu sparen. Als er die ersten Grasbüschel ausgrub, fand Nie Lang eine wunderschöne, hell leuchtende Perle, die unterhalb der Wurzeln lag. Nie Lang nahm beides mit sich nach Hause. Er pflanzte das Gras, die Perle jedoch verbarg er in einer halbleeren Reisschale, um ihr Leuchten zu verbergen.

Als Nie Lang am nächsten Morgen jedoch das tags zuvor noch frische Gras verdorrt, die halbleere Reisschale hingegen überquellend voll auffand wollte er seinen Augen nicht trauen. Er lief zu seiner Mutter und berichtete Ihr von seiner wundersamen Entdeckung. Als er Ihr die Perle zeigte beugte Sie sich zu ihm herunter und küsste Ihren Sohn, denn er hatte eine wertvolle Drachenperle gefunden, die es stets weise zu verwenden galt, wolle man den Drachen nicht erzürnen. Fortan hatten Nie Lang und seine Mutter stets so viel mehr Reis, als sie selbst essen konnten, dass sie es redlich mit ihren Nachbarn teilten. Es dauerte jedoch nicht lange, bis Fürst Zhou, Nie Langs Herr, von der magischen Perle erfuhr. Er kam mit seinen Wachen zu Nie Langs Haus, um die Perle für sich selbst zu nehmen. Voller Sorge, dass er die Perle seinem Herrn geben müsse, schluckte Nie Lang die Perle herunter. Doch fühlte sie sich in seinem Bauch so heiß an, dass Nie Lang gezwungen war, sehr viel Wasser zu trinken. Ja, er musste sogar zum nahe gelegenen Fluss laufen, um sich in ihm abzukühlen und zu erfrischen, so heiß brannte die Drachenperle in seinem Bauch

Der Herrscher und seine Wachen folgten Nie Lang, um endlich an die wundersame Perle zu kommen. Doch als sie ihn fanden, erhob sich Nie Lang aus dem Wasser – er hatte sich in einen mächtigen Drachen verwandelt. Um sich seiner Verfolgern zu entledigen, erzeugte der Drache Nie Lang eine riesige Welle, die alle davon spülte. Alsdann stieg Nie Lang weit in den Himmel auf, von wo er noch heute schützend über die Provinz Szechuan und deren Bewohner wacht.

Drachen spielen nicht nur mit ihren Perlen, sie verschlingen diese auch und speien diese wieder aus. Was es hiermit auf sich hat ist auch bis heute nicht eindeutig geklärt. Da aber Drachen im fernen Osten häufig mit dem Wetter im Allgemeinen und den Regenwolken im Besonderen in Verbindung gebracht werden, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem runden Gegenstand um den Donner handeln könne, der ja im Volksmund aus den Wolken rollt. Doch auch die Vorstellung, dass es sich um den Blitz direkt handle ist nicht völlig abwegig, da die Perle auf vielen Abbildungen als Spirale dargestellt wird, welche von einer schimmernden Corona umgeben ist. Ob es sich hierbei jedoch um ein Schutzsymbol gegen einen bevorstehenden Sturm, oder als Ausdruck des Verlangens nach einem Regenguss handelt, ist unklar.

Neben der Theorie, dass es sich bei dem runden Besitz eines Drachens um Blitz und Donner handle, gibt es auch die Ansicht, dass der Drache und seine Perle Ying Yang verkörpern. Sie vereinen dabei die beiden Gegenspieler der buddhistischen Theorie in sich selbst; das Chaos, dargestellt als unberechenbarer Drache und die Ordnung, dargestellt als die reinste Perle tame, die perle die alle Wünsche erfüllt.

Aber auch den Mond und die Sonne, so wird berichtet, stelle das runde Kleinod des Drachen dar, da der Drache, wieder in Form einer Regenwolke, eben diese bedecke und somit verschlinge. Doch auch am nächtlichen Sternenhimmel kann man das Schauspiel des gierigen Drachen beobachten. So bewegt sich das Sternenbild Drache jeden Abend auf den aufgehenden Mond zu und es scheint, als würde es ihn verschlingen wollen.

Welche Theorie man auch immer als korrekt betrachten möchte, eines bleibt trotzdem bei allen bestehen. Die Verbundenheit des asiatischen Lung, des Drachen, zu seiner Perle, welchem Zwecke diese auch immer dienen mag, ist innig und stellt einen wichtigen Aspekt dieser Spezies dar.

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